Seid gegrüßt.
Eine Freundin schrieb:
„Versteht mich nicht falsch, mir fehlt (…) jegliches Verständnis für Schminke, schicken Fummel und unpraktische Frisuren sowie die Sozialkompetenz Männer um den Finger zu wickeln.“
Für sie stand das in dem Zusammenhang, in einem vaterlosen Haushalt aufgewachsen zu sein. Nur: ich selbst bin in einem stinknormalen „Familienhaushalt“ mit Muddie und Pappi aufgewachsen und mir geht es genauso. Bei uns fand Erziehung zum Frausein, zur Weiblichkeit mit all seinen Attitüden nicht statt.
Bei uns galten ‚übergeordnete‘ Werte als erstrebenswert: Bildung, Wissen, Können - also eher intellektuelle Fähigkeiten. Das Frau-sein und auch jegliche Diskussionen über Geschlechterverhältnisse kamen da nicht vor. Wir, meine Geschwister und ich, wurden wie Neutren erzogen. Nie habe ich gehört: Du siehst aber hübsch aus o.äh. Oder das Kleid steht Dir gut. Und es gab keine Informationen darüber wie man (als Frau) auftritt, um sexuell attraktiv zu sein. So war es auch, dass ich die Aufmerksamkeit von Männern immer darin suchte, interessante Gespräche zu führen und bei entsprechender Resonanz stellte sich auch für mich das Gefühl ein, (als Mensch - aber nicht als Frau) begehrt zu sein. Es war sogar so, dass es mir unangenehm war, wenn mir dann jemand beim Gespräch auf die Titten starrte, weil ich fand, das gehört da jetzt nicht hin.
Noch heute ist es so, dass ich oft feststelle, dass ich im Vergleich meinen Geschlechtsgenossinnen ein eher männliches Denken entwickelt habe, weil ich den ganzen Weiblichkeitszirkus nicht einzusetzen fähig bin und es ist für mich selbstverständlich, dass ich die Bohrmaschine in die Hand nehme, wenn es sein muss - und ich käme nie auf den Gedanken, dazu einen Mann um Hilfe zu bitten. Und wenn ich mich, weil es der Anlass verlangt, ‚schön‘ anziehe und schminke, dann komme ich mir immer irgendwie „verkleidet“ vor …
Ein Schelm wer denkt, ich wäre eben hässlich. Auch ist es ein Irrtum zu glauben, meine Sexualität wäre dadurch gestört. Dem ist nicht so. Es ist nur so, dass ich eben diese Rolle des Auftretens als Frau durch meine Erziehung nie gelernt habe (was ich in vielen Fällen übrigens als äußerst positiv empfinde).
Mich würde interessieren, wie Ihr Frauen das erlebt habt.
Gruß zum Sonntag
Anja