Erziehungsfehler

Das man unbewusst selbsterfahrenes weitergibt ist mir schon klar oder man vermeidet Erziehungsfehler der eigenen Eltern und macht dafür neue.

Wie ist es möglich,diese Fehler mit Ankündigung zu machen???
Beispiel:

Eine Frau wird als Kind emotional sehr stark vernachlässigt.
Sie schaut hilflos dem treiben ihrer Mutter zu,die ständig wechselnde Männerbekanntschaften hat.

Jetzt als Erwachsene,hat sie selber ständig wechselnde Männerbekanntschaften.
Sie ist extrem distanzlos und sucht bereits nach wenigen Minuten,körperliche Nähe bei völlig fremden.

Nun möchte diese Frau ein Kind und betont immer wieder,dass es ganz wichtig sei,dieses Kind so früh wie möglich „wegzugeben“,damit man sich in Ruhe um die Partnerschaft kümmern kann.
Männer haben bei ihr OBERSTE PRIORITÄT!!!

Das ist genau der Punkt,unter dem sie selber als Kind extrem gelitten hat.

Darauf angesprochen,reagiert sie völlig regungslos bis kalt.

Hi,

Gegenfrage: Warum möchte sie ein Kind?

Gruß
Cess

Hallo Xenia,

so wie Du das erzählst, klingt das natürlich absurd. Wie könnte man dieses Phänomen trotzdem zu verstehen suchen?

Darauf angesprochen,reagiert sie völlig regungslos bis kalt.

Sie mag als Kind unter dem Verhalten der Mutter gelitten haben, aber ist ihr das heute bewußt? - Sie scheint überhaupt keinen emotionalen Kontakt dazu zu haben. Ganz zu schweigen davon, daß sie etwas davon verarbeitet hätte.

Ich würde es am ehesten als Rollenvertauschung verstehen. Als Kind war sie diejenige, die hilflos dem Treiben ihrer Mutter zugesehen hat. Jetzt nimmt sie die andere Rolle, also die ihrer Mutter ein, und würde an das Kind weitergeben, das sie sich wünscht.

Natürlich würde es dem Kind schaden, wie es ihr geschadet hat. Aber das läuft unbewußt, und das Unbewußte kennt keine Moral. Bewußt legt sie sich ihre Gründe zurecht, warum es ihrer Meinung nach nicht schade, sondern sogar gut sei - und das bedeutet in weiterer Folge, daß sie selber auch keinen Schaden davongetragen hätte und ihre Welt scheinbar in Ordnung bleiben kann.

Aber so ungewöhnlich ist das gar nicht. Ich habe so ähnliche Dinge schon öfters beobachtet. Klassisches Beispiel sind die Eltern, die geschlagen worden sind und dies weitergeben, im Glauben, es sei eine sinnvolle Erziehungsmaßnahme. Sie kündigen das auch an und legen sich ihre Gründe zurecht, warum es gut sei, Kinder zu schlagen.

Grüße,

I.

Was dieser Frau am besten helfen würde, wäre eine Familienaufstellung, bei der sie eine liebevolle aber bestimmte Distanz zu ihrer Mutter aufbaut. Menschen sind nur dann frei, wenn sie die Unarten ihrer Eltern nachleben sondern ihr eigenes unterdrücktes Potential entfalten können.

biografisches Erbe
Hi,

was du als Erziehungs"fehler" bezeichnest, hätte eher den Audruck „biografische Katastrophe“ verdient.

Es ist keineswegs ungewöhnlich: Menschen mit einer leid- und qualvollen Kindheitsphase inszenieren in der späteren Lebensform in der Regel entweder genau das Gegenteil, aber in exzessivem Maße und beziehungsdestruktiver Form, oder sie reproduzieren genau dasselbe Szenarium, so, daß jetzt andere (die Partner oder die eigenen Nachkommen) die Opfer des Verhaltens sind,unnter dem sie Kind zu leiden hatten.

Dabei muß es nicht immer um spektakuläre Dramatiken gehen. Es sind meist auch die sehr subtilen Quälereien, die die Person oft erst im Erwachsenenalter retrospektiv als solche erkennt (oft erst in und durch eine Therapie): Emotionale Deprivation, dogmatisches Verbieten emotionaler Reaktionen, fehlendes Erlernen des Ausdrucks von Gefühlen und emotionale Erpressung („wenn du nicht so bist, wie ich dich will, leide ich und werde krank“) finden sind in allzuvielen Biografien wieder.

Diese Gesetzmäßigkeit der Selbstfortsetzung früher „narzißtischer Verletzungen“ hat die Psychoanalytikerin Alice Miller genauer untersucht, und auch therapeutische Wege der Unterbrechung dieses Generationenerbes aufgezeigt.

Längst Standardwerke dazu geworden sind:
ISBN 978-3518374504 Buch anschauen
und
ISBN 978-3518455616 Buch anschauen

Gruß
Metapher

Menschen mit einer leid- und

qualvollen Kindheitsphase inszenieren in der späteren
Lebensform in der Regel entweder genau das Gegenteil, aber in
exzessivem Maße und beziehungsdestruktiver Form, oder sie
reproduzieren genau dasselbe Szenarium, so, daß jetzt andere
(die Partner oder die eigenen Nachkommen) die Opfer des
Verhaltens sind,unnter dem sie Kind zu leiden hatten.

Gibt es eigentlich immer nur eine von beiden Möglichkeiten? Das habe ich mich schon oft gefragt.

Kindheitserfahrung und die Auswirkung

inszenieren … in der Regel entweder genau das Gegenteil … oder … genau dasselbe Szenarium

Gibt es eigentlich immer nur eine von beiden Möglichkeiten?

Nein. Ein „immer nur“ entspräche dem, was sich tatsächlich in Biografien findet, genausowenig exakt, wie ein „entweder - oder“. Das hier sind nur die Extrema. Es sind sozusagen die Eckpunkte (oder das Koordinatensystem), zwischen denen sich die späteren Varianten von Persönlichkeitsstruktur, Beziehungsverhalten und (nicht zu vergessen!) Partnerwahl ausprägen.

Die Intensität, oder besser: die Deutlichkeit, in der sich eine Reaktion auf Kindheitserfahrungen in der späteren Lebensführung ausprägt, ist derweil enorm variabel.

Weiter liegt das faktische, objektive Ausmaß von dem, was hier unter „Leid“ zusammengefaßt ist, ja ebenfalls in einem sehr weiten Spektrum.
Es können auch „geringfügige“ Heftigkeiten, die manche hier unter „das ist doch normal“ einsortieren würden, sehr entscheidende Weichen in den obengenannten drei Hinsichten stellen.

Es gibt Personen, bei denen sich trotz extremer Kindheitserfahrungen keine Spur im späteren Leben findet. Und es gibt Personen, die auf einer „grünen Wiese“ aufgewachsen sind, bei denen aber einmal eine krasse Bestrafung wegen einer relativen Geringfügigkeit (sagen wir ma: eine 5 in Mathe) sehr entscheidende Auswirkungen hatte.

Das häufigste Szenarium ist, daß erst in extremen Streßphasen oder Beziehungskrisen im Verhalten (und auch im Erleben) ein Rückbezug auf frühe traumatische Situationen zum Ausdruck und zum Ausbruch kommen.

Wenn aber, dann haben diese Rückbezüge immer ihre Kontur in dem Spektrum „Identifizierung“ (mit dem, der das „Leid“ zufügte - siehe Alice Miller) oder „Introjektion“ (d.h. die Opferrolle wird zum Leitmotiv).

Was aber tatsächlich am häufigsten zu beobachten ist: Daß je nach der aktuellen Situation, je nach Inhalt und Struktur eines (Beziehungs-)Konfliktes oder einer Streßphase, mal die eine Komponente, mal die andere zum Tragen kommt.

Die Intensität aber, in der sich die Auswirkung realisiert, ist, wie gesagt, sehr sehr unterschiedlich.

In deinem Fall hast du nur halt ein sehr deutliches und krasses Beispiel einer „Identifizierung“.

Gruß
Metapher

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