Erziehungswissenschaftliche Praxis

Hallo

Ich hätte eine Frage an einen Erziehungswissenschaftler oder jemanden, der sich in der Praxis der Erziehungswissenschaft auskennt:

  1. Was genau kann ein Erziehungswissenschaftler tun, wenn er fertig ist mit seiner Ausbildung, außer Bücher schreiben und/oder an der Uni/Schule bleiben und Erziehungswissenschaften unterrichten?

  2. Die Erkenntnisse, die die Erziehungswissenschaften erringen: Fließen die eigentlich ein in die Erzieher-Ausbildung? Oder in die Lehrer-Ausbildung? Oder forschen die nur für sich als reinem Selbstzweck?

  3. Gibt es schon mal Bemühungen, erziehungswissenschaftliche Eltern-Kurse anzubieten? Gibt es wenigstens die Idee dazu?

  • Als meine Kinder klein waren, hätte ich das ganz prima gefunden, wenn es wöchentliche Erziehungs-Kurse gegeben hätte, am besten mit (guter!) Kinderbetreuung, wo man mal über alles reden und bestimmte Problemsituationen besprechen konnte.
  • Anstattdessen geht ja der Trend eher dahin, den Eltern so früh wie möglich die Kinder und die Verantwortung für sie abzunehmen, und wundert sich, wenn sie sich dann tatsächlich nicht mehr verantwortlich fühlen. Und billiger ist das sicher auch nicht.

Viele Grüße

Hallo

Hallo,

Ich hätte eine Frage an einen Erziehungswissenschaftler oder
jemanden, der sich in der Praxis der Erziehungswissenschaft
auskennt:

Mal schaun, ich hab Magister-Pädagogik und Grundschulpädagogik studiert.

  1. Was genau kann ein Erziehungswissenschaftler tun, wenn er
    fertig ist mit seiner Ausbildung, außer Bücher schreiben
    und/oder an der Uni/Schule bleiben und
    Erziehungswissenschaften unterrichten?

Erziehungswissenschaftler können in allen außerschulischen Erziehungs- und Bildungsbereichen arbeiten, z.B. in der Erwachsenenbildung, in der Ausländerpädagogik, in der Beratungstätigkeit, z.B. bei ProFamilia, aber auch in Kinder- und Jugendeinrichtungen, in der Sozialen Arbeit (hier konkurrieren sie dann mit Sozialpädagogen), in der Medienpädagogik, Kultur- und Museumspädagogik, und, und, und … Ich persönlich kenne ErziehungswissenschaftlerInnen die mit Behinderten in einer Behindertenwerkstätte, in einem Jugendzentrum, in einem Mutter-Kind-Heim, in einem feministischen Frauengesundheitszentrum, bei der Aids-Hilfe und in einer Beratungsstelle für Angehörige von Strafgefangenen arbeiten.

  1. Die Erkenntnisse, die die Erziehungswissenschaften
    erringen: Fließen die eigentlich ein in die
    Erzieher-Ausbildung? Oder in die Lehrer-Ausbildung? Oder
    forschen die nur für sich als reinem Selbstzweck?

Die Uni an der ich mein Erststudium absolviert habe, hatte z.B. eine eigene Grundschulforschung, die von der allgemein-pädagogischen Forschung unabhängig war, wogegen die angehenden Realschul- und Gymnasiallehrer Lehrveranstaltungen von uns Magister-Pädagogen besucht haben. Manche pädagogischen Lehrstühle haben überhaupt keinen schulpädagogischen oder vorschulpädagogischen Forschungsschwerpunkt. Manche pädagogische Institute spezialisieren sich auf allgemeine Pädagogik, Geschichte der Pädagogik, Kulturpädagogik, Erwachsenenbildung etc.
Von der Grundschulforschung an meiner alten Uni weiß ich, dass sie sehr eng mit der Praxis zusammenarbeiten und ihre Forschungsergebnisse auch teilweise an Schulen umgesetzt werden. Inwieweit Nicht-Lehrämter-Forschung in die Lehrerbildung einfließt, weiß ich nicht.

  1. Gibt es schon mal Bemühungen, erziehungswissenschaftliche
    Eltern-Kurse anzubieten? Gibt es wenigstens die Idee dazu?
  • Als meine Kinder klein waren, hätte ich das ganz prima
    gefunden, wenn es wöchentliche Erziehungs-Kurse gegeben hätte,
    am besten mit (guter!) Kinderbetreuung, wo man mal über alles
    reden und bestimmte Problemsituationen besprechen konnte.
  • Anstattdessen geht ja der Trend eher dahin, den Eltern so
    früh wie möglich die Kinder und die Verantwortung für sie
    abzunehmen, und wundert sich, wenn sie sich dann tatsächlich
    nicht mehr verantwortlich fühlen. Und billiger ist das sicher
    auch nicht.

Ich kenne viele erziehungswissenschaftliche (pädagogische) Eltern-Kind-Kurse, z.B. an Volkshochschulen, beim Kinderschutzbund, in kirchlichen und kirchennahen Einrichtungen (Caritas, Stadtmission, Diakonie usw.). Eins der bekanntesten Angebote heißt „Starke Eltern starke Kinder“.

Gruß
Tanja

Hallo MagistraArtium

danke für deine ausführliche Antwort.

Manche pädagogischen Lehrstühle haben überhaupt keinen schulpädagogischen oder vorschulpädagogischen Forschungsschwerpunkt.

Aha. Es ist also sehr unterschiedlich.

Und Kindergärten bzw. die Erzieher-Ausbildungs-Institute haben wirklich gar nichts damit am Hut?
Das würde ja meinen Eindruck bestätigen …

Ich kenne viele erziehungswissenschaftliche (pädagogische) Eltern-Kind-Kurse, z.B. an Volkshochschulen, beim Kinderschutzbund, in kirchlichen und kirchennahen Einrichtungen (Caritas, Stadtmission, Diakonie usw.). Eins der bekanntesten Angebote heißt „Starke Eltern starke Kinder“.

Gegenwärtig ist das leider nicht mehr interessant für mich. Ich habe aber interessehalber mal geschaut: Ich konnte kein einziges konkretes Angebot zu „Starke Eltern starke Kinder“ finden, auch nicht in den Nachbarstädten oder in der nächsten Großstadt.

Ich kann mich daran erinnern, dass das schon mal in der weiterführenden Schule angeboten wurde, aber ich meine, das wären immer nur so 2 oder 3 Sitzungen gewesen, kann mich allerdings irren. Diese Angebote hatte ich auch erst gesehen, als meine Kinder mir schon etwas zu alt dafür erschienen, aber sie passten wohl auch terminlich nicht. Oft fanden sie jedenfalls hier bei uns nicht statt.

Und an der Volkshochschule, beim Kinderschutzbund, Sozialdienst kath. Frauen, Caritas habe ich nichts dergleichen gefunden. -

Ich weiß, dass es sowas früher häufiger gab, in den 80er Jahren.
Ich glaube, entweder wohne ich in der falschen Gegend, oder diese Kurse finden im Geheimen statt.

Ein Kindergarten hier am Ort macht(e?) solche Veranstaltungen zu Erziehungsfragen, aber nur einmal monatlich etwa, und vermutlich nur für die Eltern des Kindergartens.

Viele Grüße

Hallo nochmal,

Und Kindergärten bzw. die Erzieher-Ausbildungs-Institute haben
wirklich gar nichts damit am Hut?
Das würde ja meinen Eindruck bestätigen …

Was ich bisher so mitgekriegt habe, orientiert sich die Erzieherausbildung eher an der Sozialpädagogik. An manchen Fachhochschulen (bzw. heutzutage nennen sie sich in Bayern ja Hochschulen für angewandte Wissenschaften) gibt es mittlerweile auch Studiengänge zur Erzieherinnenausbildung oder -weiterbildung. An der FH Nürnberg gibt’s z.B. den Bachelorstudiengang „Erziehung und Bildung im Lebenslauf“ speziell für ErzierInnen zur fachlichen Weiterqualifizierung. Ich weiß zwar nicht, in wie weit Fachhochschulen auch Forschung betreiben, aber ich glaube aus solchen Studiengängen können ErzieherInnen mehr für ihre Arbeit ziehen, als aus der Pädagogik/Erziehungswissenschaft an der Uni.

Gegenwärtig ist das leider nicht mehr interessant für mich.
Ich habe aber interessehalber mal geschaut: Ich konnte kein
einziges konkretes Angebot zu „Starke Eltern starke Kinder“
finden, auch nicht in den Nachbarstädten oder in der nächsten
Großstadt.

Ich kann mir gut vorstellen, dass solche Angebote sehr vom Engagement der einzelnen Kommunen abhängen. Bei uns in Nürnberg bieten z.B. das Jugendamt und der Kinderschutzbund solche „Starke Eltern starke Kinder“ Kurse an. Ob diese Kurse allerdings gut angenommen werden und gut besucht sind, weiß ich allerdings nicht.

Gruß Tanja

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