Diese These ist tatsächlich provokant, aber sie zeigt das große Problem bei der Diskussion um die Diskussion über Umweltschäden. Fast immer wird nämlich drauf los Argumentiert, ohne überhaupt zu klären, was Umweltschäden überhaupt sind. Häufig genug wird darunter jegliche Art von Umweltveränderung verstanden. Diese rigorose Sicht ist natürlich unsinnig, weil dann auch alle natürlichen Veränderungen als Umweltschädigung zu bezeichnen wären.
Analog zu Deinen Beispielen wäre dann auch die Begrünung von Wüstenregionen einen Umweltschädigung, weil sie (gemäß Punkt 2) Sonnenenergie einsammelt, die zuvor den Boden und die Luft erwärmt. Die in Biomasse gespeicherte Energie könnte dann durch Flüsse, welche (wieder eine Umweltveränderung) durch den veränderten Wasserhaushalt entstehen können, in andere Gebiete transportiert und dort frei werden.
Ist die Begrünung von Wüsten aus diesem Grunde als Umweltschädigung zu betrachten? Aus Sicht der Wüstenbewohner schon, aus Sicht der angesiedelten Lebewesen aber nicht. Umweltschädigung scheint also eine Frage des Standpunktes zu sein, was in unserem Fall bedeutet, dass wir fragen müssen, welchen Einfluß unser Handeln auf uns selbst hat. Da mit „uns“ nicht nur wir selbst, sondern auch unsere Nachkommen gemeint sind, müssen wir neben unseren eigenen Interessen auch die Potentiellen Interessen kommender Generationen berücksichtigen.
Als potentielle Umweltschädigung sind zunächst alle langfristigen oder gar irreversiblen Veränderungen zu betrachten und somit zu vermeiden. Dazu gehört beispielsweise die Ausrottung von Arten, die langfristige Veränderung des Klimas oder die Produktion von langlebigen Abfällen. Als direkt umweltschädlich sind alle Veränderungen zu betrachten, die uns unmittelbar schaden. Dazu gehört beispielsweise die Vergiftung der Umwelt, aber auch die ästhetische Beeinträchtigung der Umwelt.
Als nicht umweltschädlich würden dann alle Handlungen gelten, die uns nicht direkt schaden und von späteren Generationen rückgängig gemacht werden können (wenn diese das wünschen).
Nach diesen Kriterien reduziert sich die Umweltschädigung der Wind- und Solarenergie (ohne Berücksichtigung von Herstellung und Wartung der Anlagen) im Wesentlichen auf die ästhetische Beeinträchtigung der Umwelt (die allerdings nicht unterschätzt werden darf).
Bei der Wasserkraft würde beispielsweise eine langfristige Veränderung der Umwelt hinzukommen, da das Überflutungsgebiet eines Wasserkraftwerkes sich nicht von heut auf morgen renaturieren lässt.
Ein weiteres Problem resultiert daraus, dass eine akute oder potentielle Umweltschädigung nicht unbedingt bedeutet, dass die jeweilige Technologie nicht für den Einsatz in Frage kommt. Da es wohl kaum eine Technologie geben wird, die überhaupt keine negativen Auswirkungen hat, muss man in jedem Fall eine Ökobilanz machen, bei der Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden. Dabei muss man sich beispielsweise darüber einigen, ob die Emissionen eines Kohlekraftwerkes oder die Umweltveränderung eines Sonnenkraftwerkes gleicher Leistung als gravierender eingestuft wird. Bei diesen Überlegungen sind natürlich auch wirtschaftliche, politische und soziale Aspekte zu berücksichtigen, weil man sich den „Luxus“ des Umweltschutzes nur leisten kann, wenn man keine anderen Probleme hat.