Hallo Alexander,
Auf die Gefahr hin, dass das unten schon mal erwähnt wurde (habe noch nicht weitergelesen), hier einige Anmerkungen:
Das Baierische hat ja bekanntlich eine eigene Grammatik, wie
Hr. Prof. Dr. Zehetner, Uni Regensburg schon mehrfach in
Vorträgen ausgeführt hat (und weshalb folglich Baierisch nicht
nur ein Dialekt sondern eine eigenständige Sprache ist - um an
dieser Stelle die Antwort nachzuholen, die ich vor Wochen mal
leider schuldig geblieben war).
Nicht nur das Bairische hat eine eigene Grammatik, auch das Obersächsische, das Schwäbische, das Hessische, das Ripuarische (wozu z.B. Kölsch zählt), das Erzgebirgische, das Moselfränkische und und und. So gesehen hat nämlich jeder Dialekt seine eigenen Grammatiken, die sich eben mehr oder weniger von anderen Dialekten unterscheiden. Man müsste irgendwo eine willkürliche Grenze ziehen, um zu sagen: ab dieser oder jener Menge an Unterschieden muss man von einer eigenen Sprache sprechen.
Aber wie du sicher weißt, ist das kein ausreichendes Kriterium zur Bestimmung einer Sprachgrenze. Also deine Schlussfolgerung ist nicht allgemein gültig, sondern auf eine Ansicht gestützt, die sehr willkürlich eine Unterscheidung zu treffen versucht. Nach meinem Dafürhalten könnte ich auch Obersächsisch, Erzgebirgisch, und alle anderen oben genannten Dialekte (und eigentlich alle deutschen Dialekte!) zu eigenen Sprachen erklären. Fragt sich nur, wann eine Grammatik unterschiedlich genug ist.
Aber an sich ist das auch erstmal nicht weiter wichtig. Die Grammatik unterscheidet sich eben in einigen Punkten. Ob man das nun eine andere Sprache nennt oder noch einen Dialekt, das ist Definitionssache.
Auf Baierisch heißt dieser Satzteil ja
Es daderd mi aber doch neigiri macha duan. Mir kommt es bei
meiner Frage auf das „daderd … duan“ vs. schriftdeutsch
„täte“ an. Das „täte“ würde ich als Konjunktiv der
Vergangenheit sehen.
Bist du dir sicher, dass das „duan“ am Ende zwingend nötig ist, oder erfüllt es vielleicht nur Betonungszwecke? Die tun-Periphrase (der tut grad schlafen usw.) ist ja in vielen Dialekten und Sprachformen des Deutschen bekannt, aber nie ein obligatorischer Bestandteil des Satzes (im Gegensatz zum englischen „Where do you go?“).
Im Obersächsischen hätte ich den Satz z.B. auch ohne das „tun“ ausgedrückt, auch wenn das sicher mit „tun“ auch möglich wäre: „'S täde misch abbor intressiorn“.
Leider habe ich von dem Vortrag, den ich damals von Hr. Prof.
Dr. Zehetner gehört habe, kein Skript, so dass ich nicht
nachlesen kann: Welche Grammatikstruktur steckt hinter dem
„daderd … duan“. Das letzte „duan“ (was ja Schriftdeutsch
„tun“ ist) erachte ich grammatikalisch und inhaltlich
redundant, aussagelos. Aber ist es das nach der baierischen
Grammatik wirklich?
Ah okay, da hast du also den selben Gedanken. Dass das „duan“ nicht viel dazutut. Das denk ich auch. Eventuell hebt das einen Satzteil geringfügig hervor oder so… aber ja, ich empfinde das im Sächsischen als ähnlich.
Warum sollte man dann dieses „Grundverb“
(wenn ich das mal so bezeichnen darf = das einfachste der
einfachen Verben, vgl. engl. to do) dann an einen Satz noch
anhängen? Und woher kommt das „-ert“ aus „dadert“?
Letzteres habe ich mich auch gefragt.
Zu ersterem habe ich mal ein Seminar bei André Meinunger (ZAS, Berlin) besucht mit dem Titel „Die Grammatik des Deutschen Substandards“, in der es um oft kritisierte Phänomene der deutschen Sprache ging, unter anderem auch dieses scheinbar überflüssige „tun“. Da gab es auch einiges an Gegenbeispielen, die zeigten, warum das „tun“ nicht völlig redundant ist, sondern z.T. der Grammatik nützt und zum Teil vielleicht sogar einen Bedeutungsunterschied macht… ich muss mal die Aufzeichnungen raussuchen. Isch täde misch dann spädor widdor meldn tun.
Ich würde mir echt wünschen, den damaligen Vortrag (ich glaube
es war 2002 oder so) nochmal hören zu dürfen. Er war
phantastisch.
Das war der von Herrn Meinunger auch. Er hatte z.B. auch nachgewiesen, dass es keinen(!) zwingenden Grund gibt, „brauchen“ mit „zu“ zu verwenden und solche Sachen. Große Klasse.
Ich such’s mal raus…