Es war ja nicht alles schlecht

Hallo zusammen,

angeregt durch die Eva Hermann Debatte stellt sich mir folgende Frage:

Darf man die Aussage treffen: „Es war ja nicht alles schlecht, damals“? Was meint Ihr? Warum eigentlich nicht? Ist das nur eine Frage der grundsätzlichen Einstellung gegenüber der gesamten Übeltat (ist nicht verniedlichend gemeint), ob man Einzelnes so herausheben darf?

Kann man nicht einen Teil von etwas Schlechtem gut finden ohne gleich selbst als Bösewicht dazustehen?

Mir begegnete dieser Satz sehr häufig im Zusammenhang mit der DDR, bei Eva Hermann kommt diese Debatte bezüglich des Naziregimes auf (wobei ich die beiden Themen nur in diesem einen Punkt nebeneinandergestellt sehen möchte).
Meine Antwort darauf (bez. der DDR) lautete übrigens meist: Das stimmt und ich finde es schade, dass man nicht mehr der guten Dinge mit ins wiedervereinigte Deutschland genommen hat. Aber grundsätzlich fand das damalige System ja kaum einer so richtig gut.

Ich werfe diese Frage auf, weil mir das theoretisch nicht ganz klar ist, warum alle so aufgescheucht auf solche (eigentlich profanen) Äußerungen reagieren. Vielleicht habe ich da ja was übersehen.

kernig

Hallo,

ja, das darf man sagen. Weil es m.E. stimmt. Es gibt nirgends in der Welt etwas wirklich 100%iges, keine Substanz, keine Reaktion, keinen Wert. Weder 100%ig schlecht nocht 100%ig gut. Wer das MWG nicht mag, darf sich gerne mit dem Ying-Yang behelfen.
Daher wird es auch unter den Diktaturen der Nazis, Kommunisten, Päpste etc. pp. Erfindungen und Vorgänge geben, die nicht intrinsisch schlecht sind. Und die muß man dann auch nennen dürfen, alles andere wäre Geschichtsfälschung.
Das entbindet aber nicht von der gebotenen Vorsicht, denn eben die von mir angeführten Argumente werden von gewissen(losen) Kreisen gerne benutzt um Dinge zu rechtfertigen, die kein Mensch rechtfertigen kann. Oder um zu verharmlosen, was fast noch gefährlicher ist. Es gilt also wachsam zu sein, und da sind gerade wir Deutschen und gerade die Generationen NACH den Tätern gefordert. Denn wir empfinden keinerlei Schuld, für was denn auch, WIR haben nichts verbrochen. Aber eine hohe Verantwortung für das klare und unveränderliche „Niemals wieder!“, die haben wir noch vor anderen Völkern. Und daher sind Vergleiche bzw. das Herausheben von Einzelleistungen innerhalb / durch totalitäre Regime sehr schwieriges Terrain. Und so manch einer verkneift sie sich lieber, bevor er ein Risiko eingeht. Und etliche genießen das „sich-kollektiv-einen-abrubbeln“ am vermeintlichen oder auch echten Fehler eines® Anderen. Hysterisches Gutmenschentum als geistiger Orgasmusersatz ist aber auch nicht gerade eine kulturelle Höchstleistung…

Mal davon ab, daß ich dieses ganze Getue um eine unwichtige kleine Medientante nicht mehr hören kann. Ich werde den vedacht nicht los, daß da alle Seiten ihr geschmackloses publicity-Süppchen kochen. Und die löffel ich nicht aus.

Gruß
BeLa

Hallo,

Darf man die Aussage treffen: „Es war ja nicht alles schlecht,
damals“? Was meint Ihr? Warum eigentlich nicht?

Es geschieht nichts in Isolation. Siehe die Diskussion weiter unten zu den Autobahnen --> zum einen ist es nicht so eindeutig, ob „Hitler“ die Autobahnen gebaut hat (seine Partei hat den früheren Bau verhindert, er hat sich auf Pläne der früheren Regierungen bezogen etc.); zum anderen hatte die NSDAP wohl Motive für den Bau der Autobahnen, die man auch bei bestem Willen nicht als „gut“ bezeichnen kann.

Aus diesem Grund kann man nicht naiv sagen: Die Einstellung der Nazis zu XYZ war gar nicht schlecht/gut/richtig.
Man muss sich dann durchaus bewusst sein, WARUM es diese Einstellung gab - worauf (auf welcher Ideologie) fußte sie, was sollte damit erreicht werden. Gerade darum sind die Aussagen zur Familienförderung während der Nazi-Herrschaft in Deutschland mit soviel Vorsicht zu genießen.

Und der Pauschalsatz: „War doch nicht alles schlecht!“ ist unreflektiert.

Gruß
Elke

Hallo,

Darf man die Aussage treffen: „Es war ja nicht alles schlecht,
damals“?

Im vorliegenden Hermann-Fall: Nein.

Wenn Hermann einen harmloseren Aspekt des Naziregimes aus dem Kontext herausgreift, und meint „war gar nicht alles soooo schlecht“, dann tut sie dies m.E. aus purer Dummheit oder um Aufmerksamkeit für ihr Buch zu bekommen.
Erstes könnte ich noch entschuldigen, wenn sie es hinterher richtig stellt. Hat sie nicht. Im Gegenteil sie begibt sich auf noch dünneres Eis mit ihrem Autobahn-Gelabere.
(Das entrüstete Betroffenheits-Getue von JBK und den anderen Damen i.d. Sendung will ich jetzt gar nicht kommentieren, weil ich Kerners Smalltalk-Runde sowieso ätzend finde)

Insofern stellt sich mir die Frage gar nicht, ob man eine solche Aussage treffen darf, weil Hermann genau wissen musste was sie tut.

Für mich eine Medien-Inszenierung von Hermann um ihr Buch zu promoten und Kerner tut ihr auch noch diesen Gefallen, doof wie er ist.

Gruß b.

[MOD] Geschlossen
Hi!

Da es hier nicht um Nachrichten geht, schließe ich den Thread

LG
Guido [MOD]