Körperfresser und Quadranten - eine Zusammenschau
Hi Candide.
sie basieren auf der Annahme, dass das Universum in einem einzigen Prinzip gründet und sich von dort aus in eine strukturierte Vielheit entfaltet, die durch feinstoffliche Felder zu einer relativen Einheit verbunden bleibt.
Oh, kann man das … so übersetzen: Sie behaupten die Einheit des Weltganzen, und weil sie das nicht wirklich ausführen können, postulieren sie feinstoffliche Felder
Na ja, ich habe die Argumentation auf diesen Aspekt konzentriert, die entsprechenden Vertreter jener Gebiete würden die Schwerpunkte vielleicht anders setzen, jedenfalls kommt keine dieser Theorien ohne feinstoffliche Felder aus. Die Teile des Ganzen sind irgendwie verbunden, und das geht nicht mit der Annahme ausschließlich physikalischer Beziehungen. Die Beziehungen müssen auch anderer Natur sein, da bietet sich der Begriff der Feinstofflichkeit, der auf Anschauungen aus dem Buddhismus und dem Hinduismus zurückgehen, durchaus an.
Eine Debatte über das Feinstoff-Thema hatte ich kürzlich in meinem Thread betr. „Stofflichkeit hypothetischer Engelwesen“ geführt, da kannst du einige Argumente nachlesen.
Grundsätzlich muss man sich zwischen zwei Optionen entscheiden: ist das Geistig-Seelische ein sekundäres Produkt des Materiellen (biochemische Prozesse) oder existiert das Mentale als eigenständige Entität NEBEN dem Materiellen? Die Vertreter ersterer Option werden immer Probleme haben, ohne Anflüge unfreiwilliger Komik zu erklären, was es z.B. mit der Faszination auf sich hat, welche die Konzertbesucher beim Anhören einer Beethoven-Sinfonie empfinden.
Besteht dieses Publikum nur aus komplexen biochemischen Strukturen, die in einem speziellen Organ neuronale Effekte produzieren, die dieses Organ veranlassen, als Reaktion auf musikalische Klangschwingungen Endorphine auszustoßen, die in jenen biochemischen Strukturen (= Publikum) euphorische Empfindungen auslösen?
Das klingt eher nach „Angriff der Körperfresser“ als nach einer realistischen Sicht der Dinge.
Eine alternative Theorie ist eben die Annahme einer mentalen, aus Feinstoff bestehenden Entität - dem menschlichen Geist also. Dieser aber, so die esoterische Theorie, ist gebildet aus der Grundsubstanz des Feinstofflichen, die das ganze Universum durchzieht. So denkt auch Wilber.
Dahergelaufene? Klingt etwas herablassend und elitär, findest du nicht?
Doch, finde ich auch, es klingt standesbewusst.
DAS musst du aber genauer erklären. Welchem Stand gehörst du an?
Geheimlehren entstanden in Zeiten, als Heimlichkeit oft überlebensnotwendig war.
Auch in Zeiten, in denen das Streben nach Wissen noch stärker an Furcht und Ehrfurcht gebunden war und noch weniger an Verwertungszusammenhänge und administrative Zwecke.
Dein überzeugungsmäßiger Background ist mir unklar. Insofern bedürfen auch deine Ideale wie „Furcht und Ehrfurcht“ einer Erhellung. Verwertungszusammenhänge - nun, jeder hat (in der demokratischen Welt) heute das Recht und die Freiheit, seine Religion oder Philosophie selbst zu wählen. Es gibt (dort) keine objektiven Zwänge, die ihn einengen. Eine Frage der geistigen Reife, wie er sich entscheidet. Letztlich aber gehört Wissen ALLEN. Das ist die kosmopolitische Sicht. Und wieso Ehrfurcht? Wovor? Im Menschen selbst liegt die Lösung des Rätsels. Er trägt IN SICH SELBST den größten Schatz. Vor sich selbst braucht niemand Ehrfurcht oder gar Furcht zu haben.
Nüchtern betrachtet, sollten Rituale im Sinne von Initiation rein pragmatisch sein
Wer immer nüchtern bleibt hat gar nichts zu beißen.
Ich meine, man sollte RITUALE nüchtern betrachten. Auch nüchtern strukturierte und extrem ritualarme Methoden können sehr wohl etwas Beißbares hervorbringen, siehe Stanislav Grofs Forschungen.
So lange du dann aber nicht gleich sauber eine Vierfeldertafel machst wie diese …
prärational transrational
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Esoterik | |
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New Age | |
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… ist es zumindest missverständlich zu behaupten, bei Wilber würden sich Esoterik und New Age überlappen - auch wenns in gewisser Weise stimmt, nämlich auf der rechten Hälfte der Tafel - und nur da (zumindest im Selbstverständnis Wilbers).
Schön ausgeführt. Ich hatte das aber auf andere Weise schon angedeutet: eben mit dem Hinweis auf die Einheit in der Vielfalt, die feinstofflich zusammengehalten wird. Dieser Aspekt fällt unter „transrational“ und kann Esoterik und New Age zugleich zugesprochen werden. Wilber ordnet ihn stufenweise der subtilen (feinstofflichen), kausalen und nondualen Ebene zu. Freilich kritisiert Wilber auch einige sich selbst für transrationale haltende New-Age-Anschauungen wie z.B. die von Capra (der Mystik und Physik für Wilbers Geschmack zu stark parallelisiert).
Wenn man es aber so macht, dann verliert die Unterscheidung Eso/New Age sowieso seinen ganzen Sinn, weil die Unterscheidung prä-/transrational die viel wichtigere ist - und New Age ursprünglich als Gegenprogramm zur Esoterik mit dem Anspruch, den Quadranten rechts unten zu besetzen, angetreten ist, und bedauerlicherweise immer mehr nach links gewandert ist.
Dass New Age ein Gegenprogramm zur Esoterik war, würde ich anzweifeln. Als Massenbewegung entstand sie schon in den 60ern und lieferte erst die Grundlage, auf der dann die Esoterik einen größeren Markt erschließen konnte. In diesem Sinne war „Esoterik“ der Versuch, theosophische und andere Traditionen in Konkurrenz zum New Age zu setzen. Für mich sind die Anfänge des New Age verknüpft mit Namen wie Albert Hoffmann, Aldous Huxley,Timothy Leary und Stanislav Grof. Die Esoterik, über die wir sprechen, wurde aber erst in den 70ern ein öffentlicher Faktor. Da war New Age schon längst auf dem Höhepunkt.
Dass die prä-trans-Frage fundamental ist, wie du sagst, ist richtig, das sieht auch Wilber so: „Früher einmal waren die Reduktionisten eine echte Bedrohung für die spirituelle Situation, doch ist inzwischen eine noch größere Gefahr aus der New-Age-Bewegung aufgetaucht, nämlich die Elevationisten. Diese Leute … bezeichnen einige … infantile, egozentrische Zustände als „heilig“ oder „spirituell“, nur weil sie nichtrational sind, und hier liegt ein echtes Problem.“ (Einfach das, 140-141)
Er hat hier wohl hauptsächlich amerikanische Phänomene im Auge, die mir nicht so vertraut sind. Vielleicht ähnliche Dinge wie die Osho-Begeisterung oder Jesus-lebt-Euphorien.
Das Hauptproblem ist in der Tat der Unterschied von prä und trans, manche sehen in dieser systematischen Differenzierung die größte Leistung Wilbers. Im Philosophiebrett unter „Entwicklung des magisch-mythischen Denkens“ findest du aktuelle Ausführungen von mir zu der Frage, wie die prä-Strukturen entstehen, gestützt auf Wilbers „Eros, Kosmos, Logos“.
Nenn mir mal ein Beispiel für den Quadranten rechts oben bitte.
Siehe oben: „Dieser Aspekt fällt unter „transrational“ und kann Esoterik und New Age zugleich zugesprochen werden. Wilber ordnet ihn stufenweise der subtilen (feinstofflichen), kausalen und nondualen Ebene zu.“
Die Theosophie beinhaltet viele transpersonale Anschauungen, die auch in modernen Zusammenfassungen wie dem vierbändigen Werk von Arthur Powell präsentiert werden. Das esoterische System von Universellem Geist, Kausalkörper, Mentalkörper, Astralkörper und grobstofflichem Körper entspricht weitgehend den Stufen in Wilbers System. Beide, Eso und Wilber, beziehen sich dabei auf Lehren des Hinduismus und des Buddhismus, wenn in Details zwischen all diesen genannten Systemen natürlich Unterschiede bestehen.
Dieses Quadrantendenken macht Spaß …
Ist wie Kreuzworträtsel lösen, genau. Aber Quadranten haben bei Wilber natürlich einen anderen Inhalt: sie repräsentieren (beim Menschen) 1) inneres Erleben und 2) äußeres Verhalten des Menschen, sowie 3) die Wir-Strukturen (Moral) und 4) die äußerlichen sozialen Strukturen.
so wie Wilber der OAI der heutigen Philosophie (wo ich ihn eigentlich einordnen würde).
na siehste …
Ob wir seine Philosophie New Age nennen (er würde sich heftigst dagegen wehren) oder sonstwie - sie setzt das fort, was in den 60ern systematisch begann: die wissenschaftliche Erforschung der Unendlichkeit des menschlichen Geistes, und das unter expliziter Verwendung asiatischer Lehren, die ja in den 60ies groß in Mode kamen. And don´t forget: Stan Grof hat Wilber in seinen Anfängen sehr gefördert, er ist quasi sein Entdecker.
…wundert mich, dass ich ihn hier verteidige, gegen deine assoziativen Verknüpfungen mit der Theosophie und der Astrologie …
Mindestens 50 % dessen, worauf sich die Theosophie gründet (lassen wir die Astro beiseite, die zu 95 % prärational zu sein scheint), ist auch die Basis von Wilber. All die wichtigen Bezüge auf hinduistische und buddhistische Lehren. Das sind erdrückende Indizien, die Assoziationen nahelegen. Ich bin halt, nicht anders als Kenny, ein Synthetiker…
Ich muss mal ein bißchen mehr von ihm lesen, vielleicht veranstalten wir beide dann mal ein paar Wilberthreads hier … der Vorteil ist, dass wir mit Wilber bretter-thematisch gesehen das halbe Forum vollmüllen können
Ein Anfang ist gemacht.
Gruß
Horst