'Esra' von Maxim Biller - der verbotene Roman?

Laut BgH und dem Münchner Landgericht ist der Roman „Esra“ von Maxim Biller aufgrund der Verletzung von Persönlichkeitsrechten verboten, er darf weder beworben noch vertrieben werden. Trotzdem findet man ihn in Bibliotheken ebenso wie auf dem Marktplatz bei Amazon.de, wo Verkäufer sogar erwähnen es handle sich um die „ungeschwärzte Ausgabe“, also die unzensierte Fassung (ein Hinweis: auch die entschärfte Fassung ist verboten, dort wurden lediglich die kritischen Stellen ausgeschnitten, so dass der Text unvollständig ist).

Ich frage nun: wie kann es sein, dass ein eigentlich „verbotener“ Roman trotzdem von Privatanbietern durch öffentliche Internetplattformen verkauft werden darf?

Wer weiß mehr dazu? Ich müsste dies dringend wissen, da ich am Wochenende einen Vortrag über Medienzensur halten will und dazu auch das Beispiel Biller anführen möchte. Dabei würde ich ungern falsche Informationen verbreiten. Auf der Seite des Telos-Verlags des Kunsthistorikers und Soziologen Dr. Seim finden sich Informationen zum Rechtsstreit (untere Hälfte):

http://www.telos-verlag.de/seiten/kasrede.htm

Danke vorab für alle weiteren Informationen zu dem Fall!

Hallo Chris29,

Laut BgH und dem Münchner Landgericht ist der Roman „Esra“ von
Maxim Biller aufgrund der Verletzung von
Persönlichkeitsrechten verboten, er darf weder beworben noch
vertrieben werden. Trotzdem findet man ihn in Bibliotheken
ebenso wie auf dem Marktplatz bei Amazon.de, wo Verkäufer
sogar erwähnen es handle sich um die „ungeschwärzte Ausgabe“,
also die unzensierte Fassung (ein Hinweis: auch die
entschärfte Fassung ist verboten, dort wurden lediglich die
kritischen Stellen ausgeschnitten, so dass der Text
unvollständig ist).

Ich frage nun: wie kann es sein, dass ein eigentlich
„verbotener“ Roman trotzdem von Privatanbietern durch
öffentliche Internetplattformen verkauft werden darf?

es kann sein. Anbieten darf man alles.
Im Gegenzug warnen aber alle Internetplattformen in ihren AGBs vor solchen Aktionen, bzw. Auktionen.
Der Anbieter macht sich strabar, wie , in welchem Umfang, bzw. welches Strafmaß dafür jeweils gilt, da musst Du aber bitte im Jura-Brett fragen.

Für bibliotheken gilt grundsätzlich: Archivpflicht geht vor Ausleihpflicht. Für „verbotene“ Literatur können Ausleihbeschränkungen verfügt werden. Und werden in der Praxis auch.

dies findest Du z.B. in der „Allgemeinen Benützungsordnung der bayerischen staatlichen Bibliotheken“

http://www.bsb-muenchen.de/Allgemeine_Benutzungsordn…

dort §15

derartige Benützungsordnungen gibt es für jedes Bundesland und jede öffentliche Bibliothek

Wer weiß mehr dazu? Ich müsste dies dringend wissen, da ich am
Wochenende einen Vortrag über Medienzensur halten will und
dazu auch das Beispiel Biller anführen möchte. Dabei würde ich
ungern falsche Informationen verbreiten. Auf der Seite des
Telos-Verlags des Kunsthistorikers und Soziologen Dr. Seim
finden sich Informationen zum Rechtsstreit (untere Hälfte):

http://www.telos-verlag.de/seiten/kasrede.htm

Danke vorab für alle weiteren Informationen zu dem Fall!

viele grüße
Geli

es kann sein. Anbieten darf man alles.
Im Gegenzug warnen aber alle Internetplattformen in ihren AGBs
vor solchen Aktionen, bzw. Auktionen.
Der Anbieter macht sich strabar, wie , in welchem Umfang, bzw.
welches Strafmaß dafür jeweils gilt, da musst Du aber bitte im
Jura-Brett fragen.

Derzeit sind es bei Amazon 6 Verkäufer, die das Buch ohne Eingreifen der Seitenbetreiber anbieten. Vielleicht schreibe ich sie mal an und frage sie, ob sie sich der Tatsache bewusst sind, dass der Verkauf des Werks strafbar ist. Es kann ja durchaus sein, dass sie anders informiert sind oder dass Sonderregelungen existieren, von denen ich nichts weiß.

Für bibliotheken gilt grundsätzlich: Archivpflicht geht vor
Ausleihpflicht. Für „verbotene“ Literatur können
Ausleihbeschränkungen verfügt werden. Und werden in der Praxis
auch.

Das musste ich heute auch feststellen. Das Buch steht in der hiesigen Uni-Bibliothek im Magazin, das heißt es ist nicht für jeden zugänglich. Nach Anmeldung wurde mir aber die Ausleihe für morgen zugesichert. Man kann das Buch also zu wissenschaftlichen Zwecken durchaus leihen, ich glaube eine ähnliche (wahrscheinlich aber strengere) Regel gilt auch für Hitlers „Mein Kampf“.

hi Chris,
hä, „Mein Kampf“, der Besitz ist strafbar??? Der steht bei mir offen im Bücherschrank zwischen der Bibel, Karl Marx und einem Lexikon und noch nie hat sich jemand daran gestört…
Informier mich bitte, wenn ich ein Delikt begehen sollte mit diesem Besitz (oder dieser Kombination…)
Gruß synapse

Hi,

Mal eine ganz andere Frage von einer naiven Schülerin:
Es gibt heutzutage noch verbotene Bücher?! Das wusste ich nicht. Wie kann das denn passieren? Aus welchem Grund verbietet man heutzutage Bücher? Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter…

Verwirrte Grüße
Freya…

2 Like

hallo Freya,

was würdest Du machen?
Ich veröffentliche nächste Woche ein Buch, in dem ich wahrheitswidrig behaupte, daß die Schülerin Freya u.a. eine Diebin, Mörderin und Ehebrecherin ist.
Da Freya damit nicht glücklich werden würde, beantragt sie eine Einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung meines Buches …

Wie kann das denn passieren? Aus welchem Grund
verbietet man heutzutage Bücher? Wir sind doch nicht mehr im
Mittelalter…

nein - aber in einem Rechtsstaat, der dafür sorgt, daß keine unwahren Behauptungen veröffentlicht werden dürfen
Soweit klar?

mfg
Ed

Der Besitz eines verbotenen Buchs ist meines Wissens nach nicht strafbar, wohl aber die öffentliche Vorführung oder der Verkauf / das Verschenken etc.

Solang das Buch in deinem Bücherregal steht und du es nicht einer Gruppe von Freunden vorliest, musst du dir wohl keine Sorgen machen.

Wenn ich dieses Buch („Mein Kampf“) besitzen würde, wär ich froh es weggeben zu können (und würde mich damit strafbar machen - tragische Ironie). :wink:

Aus welchem Grund verbietet man heutzutage Bücher? Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter…

Die Zensur ist genau so alt wie die Literatur selbst, die erste schriftlich dokumentierte Bücherverbrennung ist auf das Jahr 499 v. Chr. datiert. Damals wurden im antiken Griechenland die Bücher des Philosophen Pythagoras verbrannt, weil sie als gottlos angesehen wurden (vielen dürfte heute noch der „Satz des Pythagoras“ aus der Mathematik bekannt sein).

Der Glaube, Zensur sei ein Relikt des Mittelalters, ist ein Irrglaube, Autoren starben nicht erst seit der Inquisition für ihre literarischen Werke. Was man aber sagen kann, ist, dass seit der Erfindung des Buchdrucks Mitte des 15. Jh. der Bedarf an zensorischen Maßnahmen größer geworden ist (klar, da Schriften ab diesem Zeitpunkt leichter vervielfältigt und hergestellt werden konnten, erreichten sie auch mehr Menschen).

Die hauptsächlichen Gründe, weshalb Bücher heute in Deutschland verboten werden sind: Pornografie, verherrlichende Gewaltdarstellung, Drogenverherrlichung, Volksverhetzung, Leugnung des Holocausts, Verletzung von Persönlichkeitsrechten …

Manchmal reicht schon eine Indizierung, um ein Buch vom Markt zu nehmen (d.h. das Buch darf nur noch unterm Ladentisch an Erwachsene verkauft werden, keine öffentliche Werbung mehr etc. - oft führt das dazu, dass die Auflage des Buchs wegen zu geringer Einnahmen eingestellt wird und keine neue erscheint), im schlimmsten Fall wird es durch die Staatsanwaltschaft des jeweiligen Publikationsortes beschlagnahmt wie es bei Biller der Fall war. Dann ist es de fakto verboten.

Die Medien berichten leider nicht genug über Zensur - und zwar deshalb, weil sie dann selbst Gefahr laufen, indiziert zu werden, da mit der Nennung verbotener Werke immer auch Werbung verbunden ist (alle wollen die „verbotenen“ Bücher haben).

Wie kann das denn passieren? Aus welchem Grund
verbietet man heutzutage Bücher? Wir sind doch nicht mehr im
Mittelalter…

nein - aber in einem Rechtsstaat, der dafür sorgt, daß keine
unwahren Behauptungen veröffentlicht werden dürfen

Eine kleine Anmerkung dazu: du solltest nicht übersehen, dass Billers Roman „Esra“ eine fiktive Figur zeigt, die zwar übereinstimmende Merkmale mit einer realen Person aufweist, im Grunde aber eine Erfindung Billers ist. Laut Gerichtsurteil hat er (der Autor) nicht genug von der Realität abstrahiert, deshalb wird die nicht leicht zu beantwortende Frage aufgeworfen: Wie weit darf Kunstfreiheit gehen? Oder: Wie real darf Fiktion sein?

Die Aufregung um das Verbot wäre wohl nicht entstanden, wenn es sich bei „Esra“ um eine Autobiografie gehandelt hätte, bei der klar gewesen wäre, dass die geschilderten Personen nicht fiktiv, sondern real sind.

Hallo, Ed,

An solche Aspekte habe ich in der Tat nicht gedacht. Ich glaube wohl zu sehr an gute Menschen, die überhaupt kein Interesse daran haben dürften, mich (oder jemand anders) ‚schlecht‘ zu machen.

Also ist es verboten zu schreiben ‚erhebt die Waffen gegen xxxx!‘.

Ist es auch verboten, zu schreiben ‚Ich finde xxxx doof, ich würde am liebsten meine Waffe gegen xxxx erheben‘? Oder ist das dann freie Meinungsäußerung?

Ist es erlaubt, zu sagen, dass man den Holocaust gut fand (wenn man tatsächlich der Ansicht sein sollte…)?

Gruß, Freya

erhebt die Waffen gegen xxxx!’.

was hat dies mit Literatur zu tun?

ED

Naja…

Wenn ich ein Buch über Politik schreibe und dies in mein persönliches Statement am Ende schreibe (oder sonst irgendwohin) - viel, oder nicht?

Gruß, Freya