Produktivität im mittelaltelichen Ackerbau
Hallo L.,
in das elfte/zwölfte Jahrhundert fallen dramatische technische Fortschritte im Ackerbau, durch die im Vergleich zu Fleisch wohlfeiles Getreide erst verfügbar wurde; in der Folge veränderte sich die Ernährung des gemeinen Volks gänzlich, und die Entwicklung der Städte mit ihrer handwerklichen und frühindustriellen Produktion und auch des Bergbaus wäre ohne diese neue Nahrungsgrundlage kaum möglich gewesen.
Spuren der folgenden Entwicklung im 13./14. Jahrhundert kann man heute noch an den Wüstungen (= aufgegebenen Dörfern) sehen, die vor allem auf schlechten Böden im Buntsandstein liegen, angesichts der stark gewachsenen Getreideproduktion auf fruchtbareren (und marktnäheren) Flächen nicht mehr benötigt wurden und heute wieder bewaldet sind.
Die wichtigen Neuerungen des elften Jahrhunderts waren die Entwicklung des Kummets, das den effizienten Einsatz von Pferden (statt Ochsen) als Zugtiere zur Bodenbearbeitung ermöglichte, die Entwicklung der Dreifelderwirtschaft und die Entwicklung eisenbeschlagener und eiserner Pflüge. Um sich eine Vorstellung von dem Umfang zu machen, in dem die „netto“ verfügbare Getreideproduktion wuchs, kann man sich vor Augen führen, dass um das Jahr 1000 etwa ein Drittel der Ernte bei Getreide als Saatgut aufbehalten werden musste - bei dieser Relation wird deutlich, dass z.B. eine Steigerung des Ertrags um zehn Prozent zu einer Steigerung des verfügbaren Nettoertrags um fünfzehn Prozent führt.
Der völlig recht- und fast gänzlich besitzlose leibeigene Bauer ist übrigens eine Entwicklung des Hoch- und Spätmittelalters. Zur Allmende der frühmittelalterlichen Dörfer (Hagen- und Etterdörfer verfügten über eine eigene Einfriedung und Befestigung) gehörten auch Hauwälder, in denen Schweine geweidet wurden, und Weiden für Geflügel und Rindvieh.
Die immer weiter gehende Einschränkung von Weide-, Fisch- und Jagdrechten zog sich über ein paar hundert Jahre hin - es ist nicht von ungefähr, dass die Beschwerden der aufständischen Bauern 1525 sich im wesentlichen auf die Wiederherstellung der (häufig nicht schriftlich festgehaltenen, also im Römischen Recht wertlosen) „alten Rechte“ bezogen. Schiller hat dieses Thema ungefähr zweihundert Jahre früher auf den Zeitpunkt des Rütlischwurs vorverlegt - aber das gehört wo anders hin.
Schöne Grüße
Dä Blumepeder