Hallo,
zunächst zu deinem Zitat aus der Vegetarier-Seite:
Bei dem Abendessen vor der Hinrichtung handelt es sich nur in der synoptischen Version (auf die dann die spätere christologische Tradition rekurriert) um ein Seder. Im Joh.-Ev. (13.2) heißt es jedoch lediglich
και δειπνου γενομενου …(so im ältesten Papyrus P66)
Das heißt, wenn man den Hebraismus „και“ korrekt berücksichtigt:
„Dann fand ein Mahl statt …“. Und dies ist eingebettet in die Vorgabe 13.1
προ δε της εορτης του πασχα
„Vor dem Fest des Pascha“. Das engt den Zeitraum lediglich auf die Vorwoche des Pascha ein, die ja auch bereits sakrale Valenz besitzt. πασχα ist die unmittelbare Gräzisierung des aramäischen פסחא (pascha) nicht des hebräischen פסח (pessach). Das δειπνος (in Koine δειπνον) ist ein unspezifischer Ausdruck für ein Mahl, das zwischen Mittagessen und Abendessen liegen kann, es bezeichnet keineswegs direkt das Seder. Das Seder wird, wie Mk 14.14 als Beispiel zeigt, präziser als το πασχα φαγειν („das Pascha essen“) bezeichnet.
Dein Kommentar (ich gehe davon aus, daß du das auch aus der Vegetarierseite kopiert hast)
ist natürlich kompletter Humbug. In Mk 14.13 ist von „Mann“ keine Rede:
ανθρωπος κεραμιον υδατος βασταζων
„ein Mensch, einen Wasserkrug tragend …“
In keiner einzigen Textvariante steht dort ανηρ (Mann)!
Und für
Damals gingen ausschliesslich Frauen Wasser holen. Die einzige Ausnahme bildeten die Essener
hätte ich gerne einen Beweis. Es ist nämlich so: Über die Essener weiß man überhaupt nichts Sicheres. Erst recht nicht, ob die Qumrangemeinde Essener waren. Die Qumran-Leute waren Asketen. Aber der älteste Texthinweis auf „Essener“ dürfte bei Philo liegen. Er beschreibt eine ansonsten unbekannte Gruppe εσσαιοι (Essaioi) gemeinsam mit θεραπευτες (Therapeutes = Diener) als Asketen, aber unter deren Askesen zählt er Vegetarismus nicht auf. Und mit Qumran verbindet er sie auch nicht. Eher wäre, wie auch manche Autoren es für möglich halten, der Täufer Johannes in dieser Tradition denkbar. Aber der dürfte vielmehr eine eigene Gruppe von Anhängern gehabt haben. Nach Joh.-Ev. ist nahegelegt, daß auch Jesus ursprünglich zu der Täufergemeinde dazugehörte, sich aber später trennte. Die Einmal-Taufe aus der Täufertradition haben die Christen später beibehalten. Sogar als entscheidendes Initiationsritual.
Mit der Aussage, daß im Joh.-Ev. das Mahl nicht am Sederabend, sondern am Abend davor stattfand, folgt Ratzinger in der erwähnten Gründonnerstagspredigt zwar der aktuellen Johannes-Forschung, nicht aber mit seiner theologischen Interpretation. Es ist jedoch heute unstrittig, daß der Autor des Joh.-Ev. in seinen Ortsangaben, ebenso wie in seinen Zeitangaben (und btw auch in der Gräzisierung aramäischer - statt hebräischer - Namen von Orten und Personen) sehr präzise ist, im Unterschied zu den Synoptikern.
Und die Zeitangabe im Joh.-Ev. läßt erkennen: Die Hinrichtung fand an der „παρασκευη“ statt, dem Vortag des Festes, also dem hebräischen ערב (Erev). Das ist korrekt, denn an einem ersten Pascha-Tag, wie es die Synoptiker nahelegen, werden die Römer keine Hinrichtung gewagt haben. Und nach Joh. war dieser Vortag zugleich Vortag eines Sabbat. In 19.31 gibt es den wichtigen Hinweis auf den Folgetag in einer Parenthese
ην γαρ μεγαλη η ημερα εκεινου του σαββατου
„es war nämlich groß jener Tag des Sabbat“. Der sog. „Große Sabbat“ ist nämlich einer, der mit dem ersten Pascha-Tag zusammenfällt. (Später wurde eine solche Koinzidenz durch Datumsverschiebung verhindert).
Übrigens wurde nachgerechnet (hab leider aktuell keine Quellenangabe zur Hand), daß es im 1. Jhdt. genau zwei Jahre gab, in denen Pessach mit einem Sabbat zusammenfiel: Nämlich in den Jahren 30 und in 33.
Jedenfalls mit anderen Worten: Jesus hat mit seinem Schülerkreis gar kein Sedermahl gehabt. Er war da schon tot. Die Schlußfolgerung: 1. Jesus hat bei einem Essener das Mahl veranstaltet (was gemäß o.g. Grund eh unsinnig ist), 2. die Qumran-Leute waren Essener (äußerst strittig), 3. die Essener waren Vegetarier (keine verifizierbare Nachricht über diese Hypothese), 4. nach Qumrantradition machte man das Seder am Tag vor dem Erev (die Täufertradition, aus der Jesus kam, in mit Qumran in keiner Verbindung), 5. also hat Jesus kein Fleisch bei dem Mahl gegessen - das ist wüste Spekulation.
Andererseits: Wenn das Meeting - laut Joh.-Ev. - am Tag vor dem Erev stattfand, dann gab es eh gar keinen Grund, Fleisch aufzutischen. Und die Frage, ob er generell Vegetarier war, erübrigt sich ebenfalls laut Joh., denn in Joh. 21.1-12 wird zumindest Fisch am Lagerfeuer gegrillt, zu dem Jesus explizit einlädt.
Soviel zu deiner Frage. Ich hoffe, ich konnte helfen.
Gruß
Metapher