in einer relativ großen Anzahl von Internet-Kommentaren wird darauf verwiesen, dass Jesus das Passahmahl wahrscheinlich im Haus eines Angehörigen der Essener-Gemeinschaft zelebriert hätte, diese sich aber vegetarisch ernährt hätten und Jesus daher gar kein Lammfleisch gegessen haben könne. Tofu?
Im Hinblick auf diese etwas arg holprige Logik frage ich mich, was das zum Verzehr vorgeschriebene alljährliche einmalige Passahlamm mit einer für den Rest der Zeit (ebenfalls verordneten?) grundsätzlich vegetarischen Ernährung zu tun haben könnte.
Wie feierten die Essener das Passahfest, womit färbten sie ihre Türpfosten rot und was sagten sie ihren Kindern, was dat nu sein soll?
zunächst zu deinem Zitat aus der Vegetarier-Seite:
Bei dem Abendessen vor der Hinrichtung handelt es sich nur in der synoptischen Version (auf die dann die spätere christologische Tradition rekurriert) um ein Seder. Im Joh.-Ev. (13.2) heißt es jedoch lediglich
και δειπνου γενομενου …(so im ältesten Papyrus P66)
Das heißt, wenn man den Hebraismus „και“ korrekt berücksichtigt:
„Dann fand ein Mahl statt …“. Und dies ist eingebettet in die Vorgabe 13.1
προ δε της εορτης του πασχα
„Vor dem Fest des Pascha“. Das engt den Zeitraum lediglich auf die Vorwoche des Pascha ein, die ja auch bereits sakrale Valenz besitzt. πασχα ist die unmittelbare Gräzisierung des aramäischen פסחא (pascha) nicht des hebräischen פסח (pessach). Das δειπνος (in Koine δειπνον) ist ein unspezifischer Ausdruck für ein Mahl, das zwischen Mittagessen und Abendessen liegen kann, es bezeichnet keineswegs direkt das Seder. Das Seder wird, wie Mk 14.14 als Beispiel zeigt, präziser als το πασχα φαγειν („das Pascha essen“) bezeichnet.
Dein Kommentar (ich gehe davon aus, daß du das auch aus der Vegetarierseite kopiert hast)
ist natürlich kompletter Humbug. In Mk 14.13 ist von „Mann“ keine Rede:
ανθρωπος κεραμιον υδατος βασταζων
„ein Mensch, einen Wasserkrug tragend …“
In keiner einzigen Textvariante steht dort ανηρ (Mann)!
Und für
Damals gingen ausschliesslich Frauen Wasser holen. Die einzige Ausnahme bildeten die Essener
hätte ich gerne einen Beweis. Es ist nämlich so: Über die Essener weiß man überhaupt nichts Sicheres. Erst recht nicht, ob die Qumrangemeinde Essener waren. Die Qumran-Leute waren Asketen. Aber der älteste Texthinweis auf „Essener“ dürfte bei Philo liegen. Er beschreibt eine ansonsten unbekannte Gruppe εσσαιοι (Essaioi) gemeinsam mit θεραπευτες (Therapeutes = Diener) als Asketen, aber unter deren Askesen zählt er Vegetarismus nicht auf. Und mit Qumran verbindet er sie auch nicht. Eher wäre, wie auch manche Autoren es für möglich halten, der Täufer Johannes in dieser Tradition denkbar. Aber der dürfte vielmehr eine eigene Gruppe von Anhängern gehabt haben. Nach Joh.-Ev. ist nahegelegt, daß auch Jesus ursprünglich zu der Täufergemeinde dazugehörte, sich aber später trennte. Die Einmal-Taufe aus der Täufertradition haben die Christen später beibehalten. Sogar als entscheidendes Initiationsritual.
Mit der Aussage, daß im Joh.-Ev. das Mahl nicht am Sederabend, sondern am Abend davor stattfand, folgt Ratzinger in der erwähnten Gründonnerstagspredigt zwar der aktuellen Johannes-Forschung, nicht aber mit seiner theologischen Interpretation. Es ist jedoch heute unstrittig, daß der Autor des Joh.-Ev. in seinen Ortsangaben, ebenso wie in seinen Zeitangaben (und btw auch in der Gräzisierung aramäischer - statt hebräischer - Namen von Orten und Personen) sehr präzise ist, im Unterschied zu den Synoptikern.
Und die Zeitangabe im Joh.-Ev. läßt erkennen: Die Hinrichtung fand an der „παρασκευη“ statt, dem Vortag des Festes, also dem hebräischen ערב (Erev). Das ist korrekt, denn an einem ersten Pascha-Tag, wie es die Synoptiker nahelegen, werden die Römer keine Hinrichtung gewagt haben. Und nach Joh. war dieser Vortag zugleich Vortag eines Sabbat. In 19.31 gibt es den wichtigen Hinweis auf den Folgetag in einer Parenthese
ην γαρ μεγαλη η ημερα εκεινου του σαββατου
„es war nämlich groß jener Tag des Sabbat“. Der sog. „Große Sabbat“ ist nämlich einer, der mit dem ersten Pascha-Tag zusammenfällt. (Später wurde eine solche Koinzidenz durch Datumsverschiebung verhindert).
Übrigens wurde nachgerechnet (hab leider aktuell keine Quellenangabe zur Hand), daß es im 1. Jhdt. genau zwei Jahre gab, in denen Pessach mit einem Sabbat zusammenfiel: Nämlich in den Jahren 30 und in 33.
Jedenfalls mit anderen Worten: Jesus hat mit seinem Schülerkreis gar kein Sedermahl gehabt. Er war da schon tot. Die Schlußfolgerung: 1. Jesus hat bei einem Essener das Mahl veranstaltet (was gemäß o.g. Grund eh unsinnig ist), 2. die Qumran-Leute waren Essener (äußerst strittig), 3. die Essener waren Vegetarier (keine verifizierbare Nachricht über diese Hypothese), 4. nach Qumrantradition machte man das Seder am Tag vor dem Erev (die Täufertradition, aus der Jesus kam, in mit Qumran in keiner Verbindung), 5. also hat Jesus kein Fleisch bei dem Mahl gegessen - das ist wüste Spekulation.
Andererseits: Wenn das Meeting - laut Joh.-Ev. - am Tag vor dem Erev stattfand, dann gab es eh gar keinen Grund, Fleisch aufzutischen. Und die Frage, ob er generell Vegetarier war, erübrigt sich ebenfalls laut Joh., denn in Joh. 21.1-12 wird zumindest Fisch am Lagerfeuer gegrillt, zu dem Jesus explizit einlädt.
Soviel zu deiner Frage. Ich hoffe, ich konnte helfen.
Nein, das hat Benedikt XVI. damals nicht „eingestanden“. Er hat vielmehr versucht, die (scheinbaren) Widersprüche zwischen den Synoptikern und dem Johannes-Evangelium durch eine bestimmte Hypothese zu erklären.
Nach Johannes ist Jesus genau in dem Augenblick am Kreuz gestorben, in dem im Tempel die Pascha-Lämmer geopfert wurden. Sein Tod und das Lamm-Opfer im Heiligtum fielen zusammen. Das bedeutet aber, daß er am Vorabend des Pascha gestorben ist und selbst kein Pascha-Mahl gehalten haben kann – so scheint es jedenfalls. Nach den drei synoptischen Evangelien hingegen war Jesu letztes Mahl ein Pascha-Mahl, in dessen überlieferten Rahmen hinein er das Neue der Gabe seines Leibes und Blutes einsenkte.
Benedikt XVI. hat zur Erklärung dieses (scheinbaren) Widerspruchs zum einen die vorherrschende Interpretation genannt, daß das Johannes-Evangelium die Chronologie aus theologischen Gründen geändert habe (zu finden u.a. bei Joachim Gnilka, den ich bereits in diesem Thread zitiert habe),
Dieser Widerspruch erschien bis vor kurzem unlösbar: Die Mehrheit der Ausleger war der Meinung, Johannes habe uns nicht das wirkliche historische Datum des Todes Jesu mitteilen wollen, sondern ein symbolisches Datum gewählt, um so die tiefere Wahrheit deutlich zu machen: Jesus ist das neue, das wahre Lamm, das sein Blut für uns alle vergossen hat.zum anderen aber gemeint, daß es inzwischen eine überzeugende andere Erklärungsmöglichkeit gebe, die unterschiedliche Kalender und damit Berechnungen des Termins des Passah-Festes berücksichtige.
zum anderen hat er eine alternative Erklärungsmöglichkeit genannt, die er für überzeugend hielt, die aber noch nicht allgemein akzeptiert wäre:
Die Schriftfunde von Qumran haben inzwischen zu einer überzeugenden Lösungsmöglichkeit geführt, die zwar noch nicht allgemein angenommen ist, aber doch eine hohe Wahrscheinlichkeit für sich hat. Johannes hat historisch genau berichtet, so dürfen wir nun sagen. Jesus hat tatsächlich am Vorabend des Pascha-Festes zur Stunde des Lamm-Opfers sein Blut vergossen. Er hat aber wahrscheinlich mit den Jüngern Pascha nach dem Qumran-Kalender, also wenigstens einen Tag früher gefeiert – ohne Lamm gefeiert, wie Qumran, das den Tempel des Herodes ablehnte und auf den neuen Tempel wartete.
Gnilka diskutiert diese zweite Hypothese schon in seinem Jesus-Buch aus dem Jahr 1992. Demnach feierte man in Israel zur Zeit Jesu das Passah-Fest an zwei Terminen, einmal nach dem in Qumran verwendeten Sonnenkalender und einmal nach dem in Jerusalem von den Tempelpriestern verwendeten Mondkalender. Jesus habe sich der von Benedikt XVI. zitierten zweiten Hypothese zufolge nach dem Sonnenkalender gerichtet und daher das Passahmahl einen Tag früher gefeiert. Zu diesem Zeitpunkt hätte Jesus kein Passah-Lamm erhalten können, da die Lämmer im Tempel geschlachtet werden mußten und dies erst einen Tag später erfolgen konnte, weil die Tempelpriester sich nach dem Mondkalender richteten.
Gnilka verwirft genau aus diesem Grund die von Benedikt XVI. überzeugend genannte zweite Hypothese, weil das Passah-Mahl zu diesem Zeitpunkt, also ohne Lamm, nicht hätte gefeiert werden können. Er nennt die in diesem Zusammenhang diskutierten Zusatzannahmen, daß den Essenern eingeräumt worden sei, zu ihrem Termin Lämmer im Tempel zu schlachten, aus der Luft gegriffen, und verwirft auch die Überlegungen von hausgeschlachteten Lämmern und von Essener-Passahmählern ohne Lamm (für die man sich auf Iosephus, Antiquitates Iudaicae, 18, 1, 5, beruft).
Inzwischen ist darüber hinaus umstritten, ob Qumran überhaupt eine Essener-Gemeinschaft war.
Wenn es keine neuen durchschlagenden Erkenntnisse gibt, weiß ich nicht, was Benedikt XVI. dazu veranlaßt hat, in der zitierten Abendmahlpredigt vom 5. April 2007 die Hypothese zu favorisieren, daß Jesus nach dem Sonnenkalender das Passahmahl gefeiert hat. Vielleicht deshalb, weil er meinte, auf diese Weise die Synoptiker und das Johannes-Evangelium besser in Übereinstimmung bringen zu können in dem Sinne, daß sie beide die historische Wahrheit wiedergäben, weil sich der (scheinbare) Widerspruch nur durch die unterschiedlichen Kalender ergebe.
Da Benedikt XVI. diese Erklärungsmöglichkeit als „eine überzeugende Lösungsmöglichkeit [bezeichnet], die zwar noch nicht allgemein angenommen ist, aber doch eine hohe Wahrscheinlichkeit für sich hat“, kann man nicht sagen, daß er etwas eingestanden hat, sondern nur, daß es eine Erklärungsmöglichkeit ist, die er für überzeugend hält und die seiner Meinung nach einer hohe Wahrscheinlichkeit hat.
Hallo,
der Verweis auf Flavius Josephus ist hier schon angebracht, auch wenn Deine Ausführungen eher offtopic sind. Schließlich stammen die mit Abstand ausführlichsten und zuverlässigsten Nachrichten über die Essener (wenn man mal davon absieht, dass Josephus sein Material für sein Zielpublikum im Sinne einer interpretatio graeca aufbereitet) von ihm. Eine Zusammenstellung der einschlägigen Zitate in Übersetzung findet man z.B. hier: http://www.regina-berlinghof.de/essener.htm .
Um diese mal auf die Ausgangsfrage anzuwenden: es gibt keinen Beleg dafür, dass die Essener Vegetarier gewesen sind - was mit Sicherheit Josephus veranlasst hätte, diese Parallele zu den Pythagoräern herauszustellen. Und Josephus schildert ausführlich die Sitte der Essener, die Mahlzeiten in Gemeinschaftsspeiseräumen einzunehmen. Wenn der Einladende tatsächlich ein Essener gewesen wäre, dann allenfalls einer der Vorsteher der Jerusalemer essenischen Gemeinde - ein anderer wäre nicht berechtigt gewesen, eine solche Einladung auszusprechen. Und dann hätten Jesus und seine Jünger das Mahl als Gäste nicht eines Esseners, sondern als Gäste der essenischen Gemeinde gemeinsam mit dieser eingenommen. Dafür fehlen jedoch jegliche ernstzunehmenden Anhaltspunkte.
Habe doch mal wieder hier reingeguckt und bin auf Semsis interessante Frage gestoßen.
Im Alten Orient standen Tieropfer, auch von Schafen, symbolisch, also stellvertretend, für die Opferung eines Menschen. Der ursprüngliche Sinn der Prozedur, die auf prähistorische Sitten zurückgeht, ist nicht präzise bekannt, in historischer Zeit bestand er jedenfalls darin, vor den Göttern vermeintliche moralische Verfehlungen zu sühnen. Paradoxerweise könnte der ursprüngliche Sinn, folgt man Walter Burkert, aber gerade darin bestanden haben, dass der Mensch aufgrund der jagdbedingten Tiertötungen Schuldgefühle entwickelte und diese durch Tieropfer zu kompensieren versuchte in Form einer „Rückgabe“ von Tierfleisch an die damals verehrte Gottheit (vermutlich eine mit der Natur verschmolzene ´Urmutter´). So entstand ein permanenter circulus vitiosus aus Schuld und Sühne, der noch verschärft wurde, als der Mensch etwa ab 5000 BCE begann, systematisch andere Menschen zu töten.
Ein babylonischer Kulttext um 1200 BCE bringt die symbolische Identität von Lamm und Mensch klar zum Ausdruck:
(Surpu IV R 26, 6)
Das Lamm, den Ersatz fur den Menschen, Das Lamm gibt er für dessen Leben. Den Kopf des Lammes gibt er fur den Kopf des Menschen, Den Nacken des Lammes gibt er für den Nacken des Menschen, Die Brust des Lammes gibt er für die Brust des Menschen.
In der vorjüdisch-israelitischen Tradition gab es Lammopfer als Schuld- und als Dankopfer. Dass beides in Zusammenhang steht, ist unschwer zu erkennen. Im nachexilischen Judentum wird dem Schlachtopfer beim Passahfest der Sinn zugeschrieben, an die angebliche Befreiung aus der ägyptischen Gefangenschaft zu erinnern. Ich schreibe „angeblich“, weil diese Befreiung mehr oder weniger als Mythos zu verstehen ist, und zwar als (Teil eines) Gründungsmythos, der die israelitische Identität, die durch die Vernichtung von Staat und Tempel gefährdet war, festigen soll.
Das Bestreichen der Türpfosten mit Blut bedeutet laut 2 Mose ein Zeichen an Jahwe, die Bewohner zu verschonen, wenn er sich die bösen Ägypter zur Brust nimmt.
23 Denn der HERR wird umhergehen und die Ägypter schlagen. Wenn er aber das Blut sehen wird an der Oberschwelle und an den beiden Pfosten, wird er an der Tür vorübergehen und den Verderber nicht in eure Häuser kommen lassen, um euch zu schlagen.
Ähnliches wird im Buch Ez geschildert, wo ein von Jahwe gesandter Mann jene Menschen in Jerusalem mit einem Zeichen markiert, welche die Vernichtung Jerusalems überstehen sollen.
Dass Jesus in Joh 1,29 und Joh 1,36 „Lamm Gottes“ genannt wird, bedeutet, dass die symbolische Opferfunktion des Lammes aufgehoben zugunsten eines Menschenopfers, freilich nicht, wie die Tieropfer im Kontext jährlich wiederholter Rituale, sondern in einem singulären Akt.
Was das angebliche Nichtessen eines Lammes betrifft, so ist diese Interpretation durch eine Initiative Ratzingers (zu Papstzeiten) neuerdings in den Vordergrund getreten. Sie basiert allerdings nur auf der (impliziten) Datierung des letzten Mahls im Joh-Evangelium, wo es heißt, dass Jesus an einem Freitag gekreuzigt wurde, also am 14. Nissan, an welchem auch das Lamm geschlachtet wird. Die anderen Evangelisten dagegen benennen den 15. Nissan als Tag der Kreuzigung, also den Folgetag des Lammopfers. Diese verworrene Textsituation lässt keine eindeutige Festlegung zu. Ich sehe auch keinen Grund, warum ausgerechnet das Joh-Ev als zuverlässiger gelten soll als die anderen Texte. (Abgesehen mal davon, dass ich die ´Berichte´ über Jesus sowieso für fiktional halte).
ich frage mich das auch im Hinblick auf Deine wie gewohnt arg holprige Logik.
Darüber, wie die Überlieferung des letzten Abendmahls zu deuten gibt, existieren in der theologischen Literatur mehrere Ansätze, ohne daß Jesus als Vegetarier angesehen wird.
Beispielsweise ging der protestantische Theologe Ethelbert Stauffer
davon aus, daß Jesus als abtrünniger Jude kein Passahlamm essen durfte, wohl aber ein Mahl mit Mazzen und Bitterkräutern:
meint dagegen in „Jesus von Nazaret. Botschaft und Geschichte“, daß so wenig über die Einzelheiten des letzten Abendmahles bei den Synoptikern
überliefert ist, weil die Schilderung nicht das tatsächliche Mahl wiedergeben soll, sondern als Agende für das Gemeindewesen, die während des ganzen Jahres an das Mahl erinnern können sollte und nicht nur einmal zum Passahfest.
Das Johannes-Evangelium
ändere dann die Chronologie so, daß Jesus genau zu der Zeit am Kreuz sterbe, in der die Passah-Lämmer im Tempel geschlachtet werden, um so besonders herauszustellen, daß Jesus das Lamm ist, das hinwegnimmt die Sünden der Welt (Joh 1,29).
Vor diesem Hintergrund mag ich bezweifeln, daß Deine unbelegt „große Anzahl von Internet-Kommentaren“ deshalb einen gewichtigen Stellenwert hat.
Meines Wissens ist nicht belegt, dass die Essener sich vegetarisch ernährten; es wird in antiken Quellen lediglich erwähnt, dass sie Tieropfer ablehnen.
Tofu scheidet auf jeden Fall als Alternativ-Osterlamm aus, da es sich dabei um ein ostasiatisches Lebensmittel handelt, das in der Antike im Mittelmeerraum gänzlich unbekannt war. Allerdings gibt es auch heute noch in der vorderorientalischen Küche zahlreiche rein vegetarische Gerichte, die problemlos ohne Fleisch oder Fleischersatzprodukte auskommen.
Von Dir ein wichtiger Hinweis auf „faule Ritualmorde an kleinen, unschuldigen Lämmern als Ersatz für das eigene Leben“, als Opfer vorgeschlagen bzw. so praktiziert im alten Mesopotamien.
Hier eine Quelle für eine deutschsprachige Übersetzung des sumerisch-assyrischen Keilschrifttafelfragments (dessen Anfang und Ende fehlen) aus der Bibliothek Assurbanipals:
Altorientalische Texte zum Alten Testament (Bd. I) https://archive.org/stream/altorientalische0102gres#page/n119/mode/2up
[…] Zu dem Weisen sprach er: Ein Lamm ist Ersatz für einen Menschen; Das Lamm gibt er für sein Leben, Den Kopf des Lammes gibt er für den Kopf des Menschen, Den Nacken des Lammes gibt er für den Nacken des Menschen, Die Brust des Lammes gibt er für die Brust des Menschen.
[…]
Es ist keine Frage, dass die Bibel nicht mehr das ist, was sie mal war; es wurde ausgiebig und zu jeder Zeit, von jedermann (nix „Gendering“!) darin herumgeschmiert, seien es samaritanisch-hebräische, samaritanisch-aramäische, jüdisch-hebräische, jüdisch-aramäische, jüdisch-griechische, christlich-griechische etc. oder lateinische Versionen, meist stümperhaft und selbst für Laien erkennbar, und nicht nur bedeutungsschwere Vorsilben und/oder Wortendungen hinzugefügt und/oder entfernt. Nicht nur einzelne Wörter und Verse, auch längere Abschnitte/Kapitel wären von Manipulationen mit z.T. großer Tragweite betroffen, sogar ganze Bücher (bzw. Schriftrollen) wurden abgetrennt, verleugnet und/oder „zufällig gefunden“ und wieder hinzugefügt, so wie man es eben zum eigenen Vorteil brauchte.
(Spätestens) mit Jer 8,8f dürfte eine zumindest in Fachkreisen glaubwürdige Datierung für eine allumfassende Verfälschung der hebräischen Urtexte, der Vorlagen für alle späteren und dann parallel zum hebräischen Text tradierten Übersetzungen, gegeben sein (Einheitsübersetzung, 1980):
„Wie könnt ihr sagen: Weise sind wir / und das Gesetz des Herrn ist bei uns? Ja! Aber der Lügengriffel der Schreiber / hat es zur Lüge gemacht. Zuschanden werden die Weisen, / sie stehen bestürzt da und werden gefangen. Das Wort des Herrn haben sie verworfen / und ihre eigene Weisheit, was nützt sie ihnen?“
Aus der Ecke der Vegetarismus-Missionare kommt die Behauptung, dass die Bibel in Bezug auf das Passahlamm von bösen Menschen verfälscht worden sei, eine solche Grausamkeit (d.h. einem kleinen, unschuldigen Lämmlein bei lebendigem Leib die Kehle durchzuschneiden, nur um an bunte Farbe zum Anmalen des Haustürpfostens zu kommen) nicht von dem allwissenden, lieben Gott (der heutigen christlichen Ideen) stammen könne bzw. würde.
Die „Befreiung aus der ägyptischen Gefangenschaft als Mythos“ hin oder her, in dem von Fanatikern pauschal als verfälscht bezeichneten Textabschnitt (Ex 12) wären tatsächlich kleinere und größere Unstimmigkeiten erkennbar: So spricht Gott zwar durchgängig zu „Moses und Aaron“, dass diese beiden seine Worte an ganz Israel weitergeben sollten, als Redner tritt dann aber allein nur Moses (und nur gegenüber den Ältesten) auf, wäre bereits hier in den Worten Gottes ein nur einmaliges Opfer (sei es damals real getätigt oder nur, völlig harmlos, nachträglich hineinprojiziert) und spätere Feiern ohne das dann unsinnige Tieropfer, bloß mit Brot und Wein als Gedenken jeweils zum Jahrestag erkennbar → Ex 8,14ff, die von Moses (?) aber dann entstellt und ins Gegenteil verdreht wiedergegeben worden waren → Ex 8,23f
Die Schuld an dieser barbarischen Unsitte (sinn- und zwecklose Tieropfer) wird den Priestern gegeben, womit man den Nagel wohl tatsächlich auf den Kopf getroffen hätte, denn es gibt (wie vom Dekalog) zwei Versionen der Passahfeier, die erste von Gott und eine zweite (anderslautende) von Moses. Es ist also kein Wunder, dass die Essener, wie auch andere Sekten der damaligen Zeit, den Tempel bzw. Opferungen in diesem Tempel durch die Priester abgelehnt hatten.
Zurück zum Thema meiner Frage:
In den heutigen Texten, bzw. in der mir momentan vorliegenden (zweifelsfrei veralteten) Fachliteratur, finden sich für den fraglichen Abschnitt Ex 12 keine nennenswerten Abweichungen, die auf eine Veränderung des Wortlautes in diesem Sinne hindeuten würden, keine Anhaltspunkte dafür, dass die Essener auch das Passahlamm als solches mit Recht hätten ablehnen dürfen/müssen, bzw. grundlos abgelehnt hätten.
Joh 19,36 bringt zum Ausdruck, dass das bei Kreuzigungen unübliche Nichtzerschlagen der Beine des Gekreuzigten eine „Erfüllung“ von Ex 12,46 sei, wo gefordert wird, dass dem Opferlamm die Beine nicht gebrochen werden. Das wirkt im Zusammenhang mit der zu den Synoptikern widersprüchlichen johanneischen Datierung des Kreuzigungstermins (14. statt 15. Nissan) in der Summe so hochkonzentriert konstruiert, dass die Darstellung des Joh-Ev nur als theologisches Konstrukt verstanden werden kann, das um jeden Preis JC als „Lamm Gottes“ plausibel machen möchte.
Ratzingers Hypothese ist also schon von daher abzulehnen. Hinzu kommt, dass JC mit den Essenern nur schwer in Einklang zu bringen ist. Damit kippt auch die andere Stütze von Ratzingers Argumentation.
Ach so. Dann bitte beim nächsten Mal deutlich machen, daß Du eine Webseite direkt zitierst. Alles andere ist verwirrend und - plagiierend. Insbesondere da die Webseite ihren Text wohl selbst aus dem Buch „Ist die Bibel richtig übersetzt?“ des jüdischen Religionswissenschaftlers Pinchas Lapide übernommen hat.
Man könnte meinen, Du seist einer seiner eifrigsten Jünger.
Vielleicht haben die Webseitenautoren sich nicht die Mühe gemacht, die katholischen Bibelübersetzungen anzuschauen. Wer weiß … Ich kann noch die Lücke zwischen Allioli (Vulgata) und Einheitsübersetzung (1980) mit zwei Varianten füllen:
Grünewald (Rupert Storr, 1934)
Da sandte er zwei aus seinen Jüngern ab und sprach zu ihnen: »Geht in die Stadt! Dort wird euch ein Mann mit einem Wasserkrug begegnen; dem folgt.
Pattloch (Vinzenz Hamp, Meinrad Stenzel, Josef Kürzinger, 1956)
Er schickte zwei seiner Jünger weg und sagte zu ihnen: "Geht in die Stadt und es wird euch einer begegnen, der einen Wasserkrug trägt; dem folgt
Wenn man protestantische Übersetzungen mitberücksichtigt, findet man bei Luther, in der Elberfelder, in der Schlachter durchgängig Mensch, in der Menge-Bibel und in der Neuen Genfer Übersetzung aber Mann. Griechisch steht ανθρωπος - anthrópos und das ist grundsätzlich geschlechtsneutral. Es kann, wenn nicht der Mensch gemeint und bei einem bestimmten Menschen nicht wichtig ist, wer es genau ist, treffend mit „jemand“ oder „einer“ übersetzt werden. Die Einheitsübersetzung kommentiert Mk 14,13f: „Normalerweise waren es Frauen, die das Wasser trugen. Insofern handelt es sich hier um ein auffälliges Erkennungszeichen“. Man kennt es ja:
Da ließ die Frau ihren Wasserkrug stehen, eilte in den Ort und sagte zu den Leuten: (Joh, 4, 28)
Das wird dann wohl der vereinigten katholisch-evangelischen Übersetzergruppe Begründung dafür sein, daß sie hier anthrópos mit „Mann“ und nicht mit „Mensch“ übersetzt hat. Lapide sieht es genau so, nur meint er, daß jeder Mann, der einen Wasserkrug trugt, ein Essener gewesen sein muß.
‚Mann‘ wurde fälschlicherweise mit Mensch übersetzt. Wasserkrugtragende Männer konnten damals nur Essener sein.
Diese Schlußfolgerung kann man bezweifeln. Denn die bereits oben zitierte Samariterin meint zu Jesus:
Sie sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief; (Joh 4,11).
Wenn er Durst hatte, schöpfte sogar der neutestamentarische Mann das Wasser selbst - vielleicht hat er es in der Not sogar nach Hause getragen. Und wenn er ein Knecht oder Sklave gewesen ist …
Zum Schluß noch zum Wort „Passah“:
Ja, das sehe ich genauso. Im griechischen Text steht
και τη πρωτη ημερα των αζυμων οτε το πασχα εθυον λεγουσιν αυτω οι μαθηται αυτου που θελεις απελθοντες ετοιμασωμεν ινα φαγης το πασχα (Mk 14,12).
πασχα kann sowohl das Fest als auch das Mahl als auch das Lamm bezeichnen. Nun steht da:
οτε το πασχα εθυον
εθυον von θύω, θύω steht für opfern. Da beim Passah-Fest zu Jesu Zeiten Lämmer geopfert wurden, kann man übersetzen: das Passah-Lamm. So machen es die Luther-, die Elberfelder, die Schlachter und die Einheitsübersetzung.
Übrigens: Was machen die vegetarischen Bibelausleger bzgl. der Fische, die Jesus einmal fünf- und einmal viertausend Menschen verspeisen läßt? Und die er seine Jünger ins Netz gehen ließ? (Lk 5,6) Und was machen sie mit dem Fisch, den er nach seiner Auferstehung gegessen hat?
Sie staunten, konnten es aber vor Freude immer noch nicht glauben. Da sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier? Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch; er nahm es und aß es vor ihren Augen. (Lk 24,41ff).
Danke für den Assurbanipal-Link, den ich auch anderweitig gut nutzen kann. Mein Zitat der Lamm=Mensch-Stelle hatte ich aus einer anderen Quelle.
Was das eigentliche Thema eines angeblichen urchristlichen Vegetarismus betrifft, lässt sich aufgrund der Quellenlage gar nichts Eindeutiges dazu sagen. Die Authentizität aller dafür relevanten Texte ist nämlich extrem fragwürdig. Befürworter der Vegetarismusthese nehmen entweder das Joh-Ev historisch viel zu ernst (z.B. Ratzinger) oder, falls sie sich auch auf das Ebionitenevangelium stützen (nur passagenweise bekannt durch Epiphanius über 200 Jahre nach der mutmaßlichen Entstehungszeit), auf das dortige Jesus-Wort über die Abschaffung des Opferkultes. Da die Ebioniten Vegetarier waren, kann es nicht verwundern, dass sie „ihrem“ Jesus vegetarismusfreundliche Worte in den Mund legten.
Der „vegetarische Jesus“ ist meiner Ansicht nach nur ein Modetrend, der sich ein idealisierendes Jesusbild zurechtschnitzt, wie schon im Falle des Laffändpies-Dschieses, des Frauen-Jesus und des Öko-Jesus widerfuhr.
Aus der gegebenen nebelhaften Textsituation Schlüsse auf die vegetarische Gesinnung einer Gestalt ziehen zu wollen, die historisch null nachgewiesen ist, halte ich also für hyper-spekulativ, da nicht nur die Quellentexte ausschließlich spekulativ zu erschließen sind, sondern auch deren wesentlicher Bezugspunkt, die Jesus-Gestalt. Mehr als ätherische Gedankenspielereien ohne jeden Ansatz von geschichtswissenschaftlicher Erdung können dabei nicht herauskommen.
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Die Abendmahlszene kann übrigens als Teil eines ursprünglich szenisch aufgeführtes Erlöserdramas eines Mysterienkultes interpretiert werden, das sich um die Passion eines Erlösergottes dreht. Dass das Christentum entweder von Mysterienkulten stark geprägt wurde oder selbst ursprünglich ein Kult um eine typisch antike Erlösergottheit war, ist in der Religionswissenschaft eine vieldiskutierte Theorie, die gute Argumente für sich hat. Die Motive der Eucharistie, der Gottessohnschaft, des Erlösers und der Taufe waren jedenfalls traditionelle Elemente antiker Kulte schon vor dem Christentum. Die Art, wie JC in der Szene seine Jünger in das eucharistische Ritual einweiht, hat Parallelen in traditionellen Mysterienkulten, wo die Explikation des rituellen Aktes durch die jeweilige Gottheit geschieht. Der Identifizierung des Brotes mit dem „Leib Christi“ entsprechen z.B. das Ritual im Dionysos-Kult, bei dem der Gott in Form eines Stücks rohen Fleisches von den Gläubigen verzehrt wird, die dadurch an seiner Göttlichkeit teilhaben, und das Ritual im Attis-Kult, bei dem der Gott in Form von Brot verzehrt wird, ebenfalls mit dem Zweck der Partizipation am Göttlichen. Der theologische Ausdruck dafür ist - bezogen auf die christliche Idee der Eucharistie - ´Transsubstantation´. Psychologisch gesehen ist das eine Spielart des magischen Denkens: Materielles und Metaphysisches wird miteinander identifiziert oder zumindest stark assoziiert. So galten die altorientalischen Götterbildnisse des Polytheismus den Gläubigen nicht nur als Abbildung der Götter, sondern als deren Realmanifestation, d.h. die Götter waren in ihren Bildnissen unmittelbar anwesend.
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Zu deinem Hinweis auf Jer 8,8f.:
Diese Stelle intendiert eine Kritik an zeitgenössischen Priestern und ´Propheten´, die Jeremias zufolge das „Gesetz“ (des Deuteronomiums) fehlinterpretieren, sich der Aristokratie anbiedern und, im Unterschied zu ihm, das einfache Volk vernachlässigen. Hier ist die historische Plausibilität zu hinterfragen, da die Argumentation den Fund des Deuteronomiums in der Joschia-Zeit als faktisch voraussetzt. Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei dem Deuteronomium-Fund aber um eine in späterer, exilischer Zeit ersonnene Fiktion mit dem Zweck, dem „mosaischen Gesetz“, das frühestens im babylonischen Exil konzipiert wurde, eine viel ältere Tradition zu verschaffen. Nicht wenige Forscher gehen also davon aus, dass das Deuteronomium erst in exilischer oder gar nachexilischer Zeit verfasst wurde, d.h. nach Jeremias´ Lebenszeit. Dafür spricht u.a., dass archäologisch keine Hinweise darauf zu finden sind, dass die im Dtr geforderte Kultvereinheitlichung sowie Abschaffung polytheistischer Kulte schon in der Josia-Zeit (also um 600 BCE) realisiert wurde.
Da dieses Thema aber OT ist, schlage ich vor, es bei passenderer Gelegenheit zu vertiefen.
es mag ja sein, daß die Zeit- und Ortsangaben im Johannes-Evangelium recht präzise sind, das ist aber nicht gleichzusetzen mit der Frage, ob sie historisch korrekt sind, insbesondere hinsichtlich der Passionschronologie. Ohne weiteres auszuschließen, daß die Römer an einem ersten Passah-Tag Hinrichtungen durchgeführt haben, halte ich vor dem Hintergrund der Überlieferung, wie die Römer unter Pilatus mit den jüdischen Gepflogenheiten umgegangen sind, für zweifelhaft. Beispielsweise berichtet Iosephus, Antiquitates Iudaeicae, 18, 3, 1:
Als der jüdische Landpfleger [besser: der römische Präfekt von Iudaea, Anm. von mir] Pilatus sein Heer aus Caesarea nach Jerusalem in die Winterquartiere geführt hatte, ließ er, um seine Missachtung gegen die jüdische Gesetze an den Tag zu legen, das Bild des Caesars auf den Feldzeichen in die Stadt tragen, obwohl doch unser Gesetz alle Bilder verbietet.
Und so geht es in einem fort mit den Berichten des Iosephus über die Mißachtung jüdischer Regeln durch PIlatus (u.a. Verwendung von Tempelgeldern zum Bau eines Aquädukts und Niederschlagung des Aufruhrs unter den Juden durch Niedermetzeln der Bevölkerung; siehe Antiquitates Iudaeicae, 18, 3, 1-2; 18, 4, 1-2; De bello Iudaico, 2, 9, 1-4). Nachdem Pilatus auch die Samaritaner gegen sich aufgebracht und ein Massaker unter ihnen angerichtet hatte, wurde er deswegen von ihnen beim römischen Statthalter von Syrien angeklagt, der ihn seines Postens enthob und zu seiner Verteidigung zum Kaiser nach Rom sandte. Nach Philon von Alexandria fürchtete Pilatus, „man werde […] sich über seine sonstige Amtsführung beschweren. Dabei könnte man seine Bestechlichkeit, seine Gewalttätigkeit, seine Räubereien, Mißhandlungen, Beleidigungen, fortgesetzten Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren sowie seine unaufhörliche und unerträgliche Graumsamkeit vortragen“ (Legatio ad Caium, XXXVIII, 302).
Aus diesen Gründen würde ich nicht wie Du ohne Weiteres davon ausgehen, daß die Römer unter Pilatus es nicht gewagt haben, Hinrichtungen auch an jüdischen Feiertagen durchzuführen. Deshalb möchte ich fragen, ob Du eine Quelle hast, mit der Du Deine Ansicht belegen kannst.
Hätte … wäre … würde … könnte … In historischen Kontexten ist der Irrealis unangebracht. Die Überlieferung ist so, wie wir sie kennen. Pilatus wird als jemand beschrieben, der sich herzlich wenig um die jüdischen Gesetze gekümmert hat. Und Du kannst nicht wissen, wie die Berichte aussähen.
Der Rest des Posting ist mir unverständlich, zumal ich Jesus nicht als Vegetarier ansehe, sondern bereits auf die Überlieferung hingewiesen habe, daß der auferstandene Jesus Fisch gegessen haben soll.
das Thema „Vegetarismus (in) der Bibel“ wäre tatsächlich interessant: Von fanatischen Anhängern dieser Ernährungsweise, die sich nur als Trittbrettfahrer der Bibel bedienen, würde man aber wahrscheinlich keine Antwort bekommen, denn sie hatten sich eine fremde Philosophie zum Mittelpunkt ihres Lebens gemacht, kennen die Bibel nur vom Hörensagen, deren Inhalt nur aus Büchern zweit- und drittklassiger Autoren, von denen sie sich das herauspicken, was sie meinen gebrauchen zu können. Und dies war bislang nur lächerlich, obwohl (für mich) manchmal in wirklich geschickter Verpackung, dass ich nachfragen musste.
Analog dazu, auf der anderen Seite, jene „Theologie-Experten“, die schon allein aufgrund ihrer Kenntnis von Mk 7,19 bzw. dem letzten Teil dieses Verses, dem Fremdkommentar „Damit erklärte Jesus alle Speisen für rein“ der Überzeugung sind, mit der Weisheit letzter Schluss gesegnet zu sein. Von den Essgewohnheiten in Japan, mit lebenden Tieren auf dem Tisch, mögen sie vielleicht mal aus dem Rundfunk oder am Stammtisch gehört haben, mit Gen 9,4 oder Mt 5,17f könnten sie dagegen nichts anfangen. Ernsthafte Dialoge mit solchen Menschen wären, wenn sie überhaupt zustande kämen, ebenso nicht möglich.
In meiner Antwort an @Aprilfisch zu den vielen widersprüchlichen Bibeln der Katholischen Kirche hatte ich bereits auf die Zweiteilung, die Zuweisung unterschiedlicher Nahrung für Mensch und Tier aufmerksam gemacht - Zwischenfrage mit Hut und langem Bart: Was hatten wohl die armen kleinen Vögelchen damals, zu Noahs Zeit, am „Weg Gottes“ verbrechen können, dass auch sie von der Flut heimgesucht werden sollten? - die nicht zu einer Freigabe von toten Tieren als Nahrung für den Menschen passen würde, allenfalls für das Gegenteil: Hieronymus hatte nicht grundlos den Bibeltext verfälschen müssen. Welche Textstellen könnten zur Heilung dieser vermeintlich (!) kränkelnden Überlieferung herangezogen werden und welche von diesen Textstellen wären dann aber konkret nichtssagend, nur zweideutig oder, bei näherer Betrachtung, gar unbrauchbar? Unter diesem Niveau liefe bei mir nichts!
Zum Thema meiner Frage hier (Passah bei der jüdischen Essener-Sekte):
Der „Vollständigkeit“ halber die in unserer Sammlung noch fehlenden mehr oder weniger offiziellen Bibelübersetzungen der Katholischen Kirche.
Emser, die erste der drei katholischen Korrekturbibeln (nur Evangelien) und Herder, die eigentliche Vorlage der Einheitsübersetzung:
Emser (1528) http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00085747/image_216
„… er sandte seyner iunger zween / vñ sprach zu yhn || Gehet hin in die stadt / vnnd es wirt euch eyn mensch begegẽ / der tregt ein lagel mit wasser / volget ym nach / …“
Tut mir leid. Ich kann Deine Meinung der „vielen widersprüchlichen Bibeln der Katholischen Kirche“ nicht teilen. Auch die jetzige Sammlung zeigt keine sich untereinander im wesentlichen widersprechenden Bibelübersetzungen.
Als Nachtrag einen der Internet-Artikel (hier zitiert aus vegetarismus.ch), deren Inhalt mir aufgefallen war:
Das Paschamahl wurde von Jesus und seinen Jüngern mit grosser Wahrscheinlichkeit im Hause eines Vegetariers abgehalten. Dies geht aus Markus 14,13f hervor (Lutherübersetzung):
«Da schickte er zwei seiner Jünger voraus und sagte zu ihnen: Geht in die Stadt; dort wird euch ein Mann begegnen, der einen Wasserkrug trägt. Folgt ihm, [...]. Der Hausherr wird euch einen grossen Raum im Obergeschoss zeigen, der schon für das Festmahl vorbereitet ist. Dort bereitet alles für uns vor.»
Damals gingen ausschliesslich Frauen Wasser holen. Die einzige Ausnahme bildeten die Essener; der Mann mit dem Wasserkrug muss also ein Essener gewesen sein. Das letzte Abendmahl wurde somit im Hause eines Esseners abgehalten. Die Essener waren aber schon damals bekannt als strenge Vegetarier! Die Essener hätten, nach allem, was man von ihnen auch heute noch weiss, nie erlaubt, dass man ein Lamm in einem ihrer Häuser essen würde.
Das griechische Wort «to pas-cha» wurde von Luther dennoch mit «Osterlamm» wiedergegeben und von fast allen nachfolgenden Ausgaben übernommen. Die ursprüngliche und damals alleinige Bedeutung dieses Wortes war aber «Ostermahl», was hauptsächlich aus Brot und (ungegorenem) Wein bestand. Also wurde das letzte Abendmahl entgegen vielen Behauptungen rein vegetarisch, ohne getötetes Lamm und ohne Alkohol abgehalten.
Da dies mittlerweile auch der katholischen Kirche aufgefallen ist, wurde die «Heilige Schrift» angepasst und in den neuen Bibelübersetzungen das Wort Mann einfach durch das Wort Mensch ersetzt.
Der Papst Benedict XVI hat am Donnerstag vor Ostern (5. April 2007) zum ersten mal in der Geschichte der katholischen Kirche eingestanden, dass Jesus beim Ostermahl vermutlich doch kein Lamm verspeist hat.
… den Ratzinger einfach vor 'nen Karren mit Mist gespannt …
Vielen Dank für Deine ausführlichen Erklärungen zur Rede von Papst Benedikt XVI. am 5. April 2007 nebst seriöser Dokumentation.
In meinem obigen Nachtrag hatte ich eine der Quellen mehr oder weniger vollständig kopiert (mal sehen, wie lange dieser Unfug im Netz bleibt): http://www.vegetarismus.ch/info/19.htm
Die freche Verdrehung „… das Wort Mann einfach durch das Wort Mensch ersetzt …“ entstammt dem Original, nicht meiner Tastatur oder gar dem bösen Zwischenspeicher!
Der Sachverhalt „… das Wort Mensch durch das Wort Mann verbessert …“ wäre zutreffend (nachfolgend Beispiele katholischer Bibelübersetzungen):
Dietenberger (1534) http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00085341/image_954
„… er sendet seiner jüngern zween / vnnd sprach zu jnen. Gehet hin in die statt / vnnd es wirt euch ein mennsch begegnen / der tregt ein lagel mitt wasser / volget jm nach / …“
Einheitsübersetzung (1980) http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/mk14.html
„… schickte er zwei seiner Jünger voraus und sagte zu ihnen: Geht in die Stadt; dort wird euch ein Mann begegnen, der einen Wasserkrug trägt. Folgt ihm, …“
Damit wollte ich nur meine Zweifel an den Ausführungen über die jüdische Essener-Sekte zum Ausdruck bringen, anscheinend waren auch hier weitere Halbwahrheiten zur Unterstützung nötig (ähnlich wie bei der Geschichte mit den Lügen), obwohl das Thema „Vegetarismus“ im Judentum, anders als wie in der Heilsgeschichte der Katholischen Kirche, zu keiner Zeit ein Tabuthema gewesen wäre, sogar eine Berechtigung hätte.
Die Sache mit dem griechischen Wort πασχα und dessen angeblich ursprünglicher und damals ausschließlicher Bedeutung als „Ostermahl“ wäre eine Volksverdummung par excellence:
Hallo, vielen Dank für Deine Bemühungen (auch wenn’s, außer einigen Details, größtenteils nichts Neues für mich war)
Für die meisten gottgläubigen Menschen nur mit der „Bibel in heutigem Deutsch“ / „Gute-Nachricht-Bibel“ ö.ä. im Wohnzimmerregal mit Sicherheit nicht vorstellbar: Die Bibel ist bloß eine Aneinanderreihung von z.T. unheilbaren Schreibfehlern der unterschiedlichsten Art, Auslassungen, Änderungen oder Zusätzen, seien sie absichtlich oder unabsichtlich in den Text geflossen, Unverständlichem, Inkonsequenzen und Widersprüchen, besonders an den wichtigen Stellen, an denen schon früher viel herumgeschraubt worden war, um die eine oder andere Aussage zum eigenen Vorteil zu bekommen, und deren angebliche Übersetzungen nichts weiter als die Phantasien von Anhängern diverser selbstgemachter Sonderlehren bzw. Angleichungen an den aktuellen regionalen Mainstream aus kommerziellen Interessen, wie z.B. die Elberfelder-Bibel (rev.), Schlachter 2000 etc.
Die Vorstellung, dass ein Text, der über Generationen hinweg und auf mehr als nur einem Weg weitergegeben wurde, nach ca. 3000 oder 2000 Jahren immer noch so wäre, wie er am Anfang mal gewesen war, wäre pure Einfalt!
Es gibt viele Ideen, Mutmaßungen über den Inhalt der Bibel, d.h. deren ursprüngliche Aussage, nur für wenige fragliche Stellen gab es gewisse Anhaltspunkte aus parallelen Zeugen (u.a. z.B. der nach den Regeln der hebräischen Poesie wahrscheinlich fehlende erste Satzteil von Dtn 32,15 in allen masoretischen Texten, enthalten aber im Samaritanus und der Septuaginta), nicht ausgeschlossen, dennoch extrem selten und rein zufällig waren Belege zu Stellen, bei denen es lange unklar war, welche Überlieferung hier was aus welchem Grund gefälscht hatte (z.B. Dtn 32,8 auf dessen griechische Version Jesus zu seiner Rechtfertigung verwiesen hatte)
Bei den Regelungen zum Passah (Ex 12) handelt es sich, wie auch die Verse zur grundsätzlichen Nahrung für den Menschen (Gen 1,29f und 9,3), um solche Stellen, deren Aussage unklar ist, bzw. deren Aussage unklar geworden war: Aus einer Schrift, die „Unterweisung“ genannt wurde, sollte (m.E.) etwas anderes hervorgehen als solcher Unsinn, zumal hier ein Gott den Menschen vorschreiben lässt, was sie tun und denken sollen. Müssen wir unser anerzogenes Gottesbild revidieren?
Die Evangelien bieten dazu keine Hilfe, die Geschichte von „Jesus als Passahlamm“ könnte als Analogie zu einer der möglichen (hier relativ vernünftigen) Interpretationen der Passahvorschriften in Ex 12 gelesen werden, wäre aber wertlos, da Johannes nicht Jesus ist (und auch nicht Petrus, sofern der Bericht über dessen Erwählung als „Grundstein“ authentisch wäre).
Ohne weiteres auszuschließen, daß die Römer an einem ersten Passah-Tag Hinrichtungen durchgeführt haben, halte ich vor dem Hintergrund der Überlieferung, wie die Römer unter Pilatus mit den jüdischen Gepflogenheiten umgegangen sind, für zweifelhaft.
Von diesem Standpunkt aus gesehe, kann ich dem nur zustimmen. Allerdings würde die Berichte in einem solchen Zusammenhang anders aussehen und gibt es neben diesem Punkt, welcher sicherlich vermerkt worden wäre, noch viele andere Punkte in allen Berichten zusammen, welche dem widersprechen. Wir hatten die Diskussion hier schon des öfteren.
Dieses Betrifft auch die Idee, dass Jesus hier Vegetarier gewesen sein soll, denn dieses wäre die Schlussfolgerung.
Denn alle anderen Gruppen, in welchen Kreisen sich Jesus damals bewegte, mit welchen er seine Diskussion führte, sahen es als Pflicht an, vom Pessach Opfer zu essen. Es ist hier undenkbar, einer solchen Denkschule anzugehöhren und dann von der Pflicht abzusehen und einem vegetarischem Seder beizuwohnen.
Auch von der Seite seiner Kritiker macht dieses keinen Sinn, da dieses im Gegensatz zu anderen Diskussionen, nicht zur Diskussion stand. Er wäre also dafür viel massiver kritisiert oder viel wahrscheinlicher, einfach ignoriert worden.
In diesem Sinne ist die Idee für mich nichts anders als ein selbsterfundener Myhtos.