Hallo Roland,
denke ich nicht, weil die ethische Frage hier keine Rolle
spielt, da ethisch nicht verwerflich.
das mag Deine persönliche Meinung sein, und sie ist sicher ehrenwert. Zur Erweiterung des Horizonts möchte ich nichtsdestotrotz zur Lektüre empfehlen:
Hans Jonas
Technik, Medizin und Ethik
Zur Praxis des Prinzips Verantwortung
Insel Verlag 1987
- und zwar speziell das 10. Kapitel, „Gehirntod und menschliche Organbank: Zur pragmatischen Umdefinierung des Todes“. Kurzer Auszug:
„Beim Vorliegen eines klar definierten negativen Gehirnzustands darf der Arzt dem Patienten erlauben, seinen eigenen Tod gemäß jeder Definition zu sterben, der von selbst das Spektrum aller nur möglichen Definitionen durchlaufen wird. Aber ein beunruhigend entgegengesetzter Zweck verbindet sich mit diesem in der Suche nach einer neuen Definition des Todes - d.h. in dem Ziel, den Zeitpunkt der Toterklärung vorzuverlegen: die Erlaubnis nicht nur, die Lungenmaschine abzustellen, sondern nach Wahl auch umgekehrt sie (und andere „Lebenshilfen“) weiter anzuwenden und so den Körper in einem Zustand zu erhalten, der nach älterer Definition „Leben“ gewesen wäre (nach der neuen aber nur dessen Vortäuschung ist) - damit man an seine Organe und Gewebe unter den Idealbedingungen herankann, die früher den Tatbestand der „Vivisektion“ gebildet hätten.
[…]
Die Grenzlinie zwischen Leben und Tod ist nicht mit Sicherheit bekannt, und eine Definition kann Wissen nicht ersetzen. Der Verdacht ist nicht grundlos, dass der künstlich unterstützte Zustand des komatösen Patienten immer noch ein Restzustand von Leben ist (wie er bis vor kurzem auch medizinisch allgemein angesehen wurde). D. h., es besteht Grund zum Zweifel daran, dass selbst ohne Gehirnfunktion der atmende Patient vollständig tot ist. In dieser Lage unaufhebbaren Nichtwissens und vernünftigen Zweifels besteht die einzig richtige Maxime für das Handeln darin, nach der Seite vermutlichen Lebens hinüberzulehnen.“
Ein Problemfeld eigener Art ist die sog. Lebendspende - hier spielen die oben genannten Erwägungen bezüglich der medizinischen Definition des Todeseintritts (die in den 70er Jahren geändert wurde, um Organentnahmen unmittelbar nach Eintritt des Coma dépasse zu legalisieren) keine Rolle. Hier ist jedoch ein anderer Aspekt von besonderer Bedeutung: das medizinisch Machbare hat neue Bedürfnisse geweckt und damit auch einen potentiellen Markt geschaffen - einen sehr lukrativen Markt, da ein großes Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage besteht.
Die fortschreitende Kommerzialisierung der Transplantationsmedizin und die Entwicklung eines weltweiten legalen und illegalen Organhandels (speziell der besonders gewinnträchtige mit Nieren von Lebendspendern) macht es notwendig, die von verschiedenen Interessengruppen immer wieder geforderte Änderung des Transplantationsgesetzes mit dem Ziel, die anonyme Lebendspende zu legalisieren, gerade auch in Hinsicht auf ethische Implikationen zu diskutieren, da sie geeignet ist, einer Kommerzialisierung der Transplantationsmedizin Vorschub zu leisten und dem illegalen Organhandel neue Märkte zu erschließen. Das ist eben nicht nur ein rechtliches, sondern vor allem ein medizinethisches Problem.
Freundliche Grüße,
Ralf