Etymologie bzw. Erklärung zu 'es gibt'?

Hallo Leute,
In einem anderen Forum kam die Frage, warum man im Deutschen eigentlich „es gibt“ sagt. In anderen Sprachen, die dafür ein Verb benutzen, ist das Verb meistens eine Form von „sein“, „haben“ oder „finden“, manchmal ein eigenständiges Verb. Diese Verben machen auch alle irgendwie Sinn, aber „geben“ ist hier wirklich komisch…

Komischerweise und leider schweigt sich mein etymologisches Wörterbuch, der Pfeifer, darüber aus. Steht vielleicht im Kluge was darüber? Oder hat jemand 'ne Ahnung, wo das herkommt bzw. wie es dazu gekommen ist, dass es Dinge und Leute gibt (das „es“ ist mir natürlich klar)?

Vielen Dank!

  • André

Hallo, André,

warum man im Deutschen
eigentlich „es gibt“ sagt.

Komischerweise und leider schweigt sich mein etymologisches
Wörterbuch, der Pfeifer, darüber aus.

Grimm hat sich mit dem „seltsame[n] nhd. es gibt“ befasst, gibt aber auch keine wirkliche Erklärung zur Etymologie:

http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?bookref=4,1665,36 - unter 16) und 17)

und in der Deutschen Grammatik, S 230: http://archive.org/stream/deutschegrammati04grim#pag…

Gruß
Kreszenz

Hallo!

In einem anderen Forum kam die Frage, warum man im Deutschen
eigentlich „es gibt“ sagt. In anderen Sprachen, die dafür ein
Verb benutzen, ist das Verb meistens eine Form von „sein“,
„haben“ oder „finden“, manchmal ein eigenständiges Verb. Diese
Verben machen auch alle irgendwie Sinn, aber „geben“ ist hier
wirklich komisch…

Ob es was brächte, darüber zu räsonnieren, was dieses etwas gebende Es eigentlich ist? Wenn unserem anonymen Es, wie ich in einer Vorlesung über Vergleichende Sprachwissenschaft erfahren habe, ein Numen zugrundeliegen könnte (Neutrum als Oberbegriff von männlich und weiblich*, hier also von Gott und Göttin), dann ergäbe das ja eine Erklärung.
Vielleicht gibt es ja irgendwelche indoeuropäische Sprachen, in denen sich von diesem „Es gibt“ noch ein Rest findet.

* Ich bin mir bewusst, dass ich hier Begriffe der Grammatik, also leider außerhalb jeder politischen Korrektheit, verwende. Ich einer Zeit, in der man z. B. von HundeDAMEN liest, erscheint mir dieser Hinweis angebracht.:smile:

Gruß!
H.

hi,

duden verzeichnet 17 grundbedeutungen von geben, woxikon 45. bei beiden gibt es (sic!) „existieren, vorhanden sein“ im grundmodell.
(http://www.duden.de/rechtschreibung/geben, http://synonyme.woxikon.de/synonyme/geben.php)

wenn etwas vorhanden ist, hat es offenbar wer gegeben - ein gott? die natur? die umstände?. nachdem wir nicht wissen, wer: es. es gibt … jetzt ist da was.

also ganz so sinnfremd find ichs nicht.

m.

Hallo André,

Steht vielleicht im Kluge was darüber?

Der Kluge (zumindest noch in meiner 17. Auflage von 1957 - möglicherweise ist er inzwischen nicht mehr gar so germanenbegeistert wie damals; mir scheint manches darin noch ein Gschmäckle von Blut und Boden zu haben) bietet zu „geben“ eine indogermanische Wurzel *ghabh-, zu der netterweise auch lat. habere gehören soll. So dass sich dort dt. „hier gibt es“, schwäbisch „da hat es“ und frz. „il y a“ wieder treffen.

Angeführt werden in dem Artikel auch got. gabei „Reichtum“, mhd. goebe „annehmbar“, altirisch gaibim „nehme“, litauisch gabanà „Armvoll“, altindisch gábhastih „Vorderarm, Hand“.

Der gemeinsame Sinn deutet wohl in Richtung von etwas ganz generell Greifbarem, somit gegenständlich Vorhandenem; der konkrete Vorgang „geben“ (vom einen zum anderen) scheint vergleichsweise neu dabei zu sein.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Hallo,

…, zu der netterweise auch
lat. habere gehören soll. So dass sich dort dt. „hier gibt
es“, schwäbisch „da hat es“ und frz. „il y a“ wieder treffen.

Ja, im Pfeifer steht auch diese Verbindung. Aber ich kann dir nicht ganz folgen, verwechselst du vielleicht grad lat. habere mit dt. haben? Die sind ja nicht verwandt… kommt das französische avoir denn von lat. habere?

Und naja, der Rest erklärt nur die Etymologie des Wortes geben aber nicht, warum nun gerade in diesen Existenzialsätzen (heißen die so?) geben als Verb benutzt wird.

Oft kann man Konstruktionen ja weit zurückverfolgen und sieht, woraus sie sich entwickelt haben.

Grüße,

  • André

Hallo André,

jetzt bin ich aber baff - eine Verwandtschaft von „haben“ und „habere“ schien mir so banal auf der Hand zu liegen, dass ich mich nie darum gekümmert habe…

Jedenfalls gehört frz. „avoir“ zu einer *gh- Wurzel, steht also dt. geben und lat. capere nahe:

http://monsu.desiderio.free.fr/curiosites/avoir.html

so dass „es gibt“ und „il y a“ zusammengehören, aber nicht „es hat“.

Das schwäbische „es hot“ könnte dennoch eventuell einen Beitrag zur Aufklärung leisten: Mein eigenes Schwäbisch ist aus zu vielen verschiedenen Regionen zusammengesetzt, so dass ich nicht sicher bin, aber mir scheint, es gäbe zumindest gegendweise parallel „es hot“ und „es geit“, vielleicht auch mit einem mehr oder weniger filigranen semantischen Unterschied. Mit dieser Arabeske will ich gleich mal ins Dialektbrett gehen.

Wie auch immer: Die heute noch vorhandenen oder noch nicht so lange verstrichenen Wörter zu der vermuteten Wurzel *gh- lassen das „geben“ im Sinn von „überreichen“ fast wie eine besondere Entwicklung zu Grundbegriffen erscheinen, die sich eher rund um „greifen“ und dazu auch „gegenständlich vorhanden sein“ abspielen - so dass „es gibt einen anderen Ausgang“ eher der „Normalfall“ wäre, und „ich kann Dir den Schlüssel dazu geben“ etwas Ungewöhnliches.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder