EU wieder am Schrumpfen? Wünschenswert?

Ist es denkbar, daß es wegen des Streites um die EU auch nach der Erweiterung einen Schrumpfungsprozess geben kann?

Und wäre das nicht auch begrüßenswert, nachdem die erhofften Vorteile ja bis heute noch nicht eingetroffen sind?

Ich frage aus konkretem Anlaß. Beispiel: Heute steht in der Netzeitung, daß Siemens Teile seiner 30.000 Arbeitsplätze im Bereich Forschung & Entwicklung „zügig“ nach Osteuropa verlagern will. Außerdem eine nicht näher genannte Zahl von Arbeitsstellen in Personalwesen und Buchhaltung.

Ohne die EU-Erweiterung bedürfte es nur eines kleinen Gesetzes, und schon wären die Einsparungen der Firma durch die Produktion in Osteuropa durch Einfuhrzölle wieder hin und sie würde hierbleiben, oder sie müssten ihre Produkte dort zu verkaufen versuchen, wo sie hergestellt werden.

Aber auch mit der großen EU ist der Effekt natürlich auch ohne Zölle der gleiche: Sie können ihre Produkte hier auch nicht mehr verkaufen, weil sie Arbeitslose zurücklassen, die kein Geld mehr haben. Aber in dieser Situation verliert jeder, 1. die Arbeitslosen ehemaligen Siemensmitarbeiter, 2.der Staat durch Steuerausfälle und auch 3. Siemens, weil sie ihre Produkte im Endeffekt an die unterbezahlten Arbeiter in Osteuropa zum halben Preis vertickern müssen, wodurch der ganze schöne Gewinn wieder hin ist.

Aber das ist nicht ganz richtig, denn einen Gewinner gibt es, das sind die neuen Siemens-Mitarbeiter in Osteuropa, jedenfalls solange, bis sich die Firma in der Pleite befindet.

Wenn ich mich mal 10 Jahre in die Zukunft beame und auf sowas zurückblicke, sehe ich eigentlich nur Verlierer. (Nur kurzfristig gehts den neuen Mitarbeitern im Osten gut, und die Aktionäre gewinnen auch nur kurzfristig ein bißchen Spielgeld für neue Einsätze.)

Und wenn ich mir das langfristig überlege, kann sich unser Lebensstandard durch solche Vorgänge doch eigentlich nur an das osteuropäische Niveau angleichen. Warum sind wir darauf so scharf?

Kann mir jemand erklären, was der Sinn des Ganzen ist. Was verstehe ich da falsch?

Danke
Dan

Hi!

Ist es denkbar, daß es wegen des Streites um die EU auch nach
der Erweiterung einen Schrumpfungsprozess geben kann?

Ja, das ist denkbar.
Die Diskussion um ein „Europa der 2 Geschwindigkeiten“ oder „Kerneuropa“ bereitet hierfür den Weg.

Und wäre das nicht auch begrüßenswert, nachdem die erhofften
Vorteile ja bis heute noch nicht eingetroffen sind?

Natürlich wäre es das aus deutscher Sicht.
Die Osterweiterung wäre das teuerste Projekt der letzten Jahrzehnte gleich nach dem 2. Weltkrieg. Da kommt selbst die Wiedervereinigung nicht ansatzweise mit…

Ich frage aus konkretem Anlaß. Beispiel: Heute steht in der
Netzeitung, daß Siemens Teile seiner 30.000 Arbeitsplätze im
Bereich Forschung & Entwicklung „zügig“ nach Osteuropa
verlagern will. Außerdem eine nicht näher genannte Zahl von
Arbeitsstellen in Personalwesen und Buchhaltung.

Ohne die EU-Erweiterung bedürfte es nur eines kleinen
Gesetzes, und schon wären die Einsparungen der Firma durch die
Produktion in Osteuropa durch Einfuhrzölle wieder hin und sie
würde hierbleiben, oder sie müssten ihre Produkte dort zu
verkaufen versuchen, wo sie hergestellt werden.

Das würde nicht funktionieren, denn erstens gibt es die WTO und das/die GATT-Abkommen und zweitens reagieren Konzerne auf derartige Vorstöße der (ohnehin abhängigen) Regierungen mit zumindest der Drohung, in Zukunft über eine schweizer Holding zu agieren, s. Infineon…

Die Flucht der uNternehmen kann man in D (wenn überhaupt) nur noch mit sinnvoller Wirtschafts- und Sozialpolitik beikommen.

Aber auch mit der großen EU ist der Effekt natürlich auch ohne
Zölle der gleiche: Sie können ihre Produkte hier auch nicht
mehr verkaufen, weil sie Arbeitslose zurücklassen, die kein
Geld mehr haben.

Es gibt neue Märkte. China wird gerade wach, die USA erholen sich.
Ausser in der Autoindustrie setzt kaum einer mehr auf großes Wachstum in Deutschland und Europ.
Die Zukunft für die nächsten 20 Jahre liegt in Asien.

Aber in dieser Situation verliert jeder, 1.
die Arbeitslosen ehemaligen Siemensmitarbeiter, 2.der Staat
durch Steuerausfälle

Richtig.

und auch 3. Siemens, weil sie ihre
Produkte im Endeffekt an die unterbezahlten Arbeiter in
Osteuropa zum halben Preis vertickern müssen, wodurch der
ganze schöne Gewinn wieder hin ist.

Falsch, s. neue Märkte in Asien.
Man produzioert dort für die Hälfte und kann somit die etwas niedrigeren Preise dort verkraften.
Wobei das oft gar nicht der Fall ist, in Korea z.B. ist das Kostenniveau wie hier.

Aber das ist nicht ganz richtig, denn einen Gewinner gibt es,
das sind die neuen Siemens-Mitarbeiter in Osteuropa,
jedenfalls solange, bis sich die Firma in der Pleite befindet.

Sofern noch Engagements in Osteuropa betrieben werden, hast Du hier recht. Man würde zunächst profitieren.

Wenn ich mich mal 10 Jahre in die Zukunft beame und auf sowas
zurückblicke, sehe ich eigentlich nur Verlierer. (Nur
kurzfristig gehts den neuen Mitarbeitern im Osten gut, und die
Aktionäre gewinnen auch nur kurzfristig ein bißchen Spielgeld
für neue Einsätze.)

Die Asianten werden gewinnen, denn die ergehen sich nicht in sinnlosen Diskussionen über ein ohnehin totes Renten- und handlungsunfähiges Sozialsystem, sondern schaffen Wachstum.

Und wenn ich mir das langfristig überlege, kann sich unser
Lebensstandard durch solche Vorgänge doch eigentlich nur an
das osteuropäische Niveau angleichen. Warum sind wir darauf so
scharf?

…weil wir Ledute in der Regierung haben, die nichts verstanden haben.

Kann mir jemand erklären, was der Sinn des Ganzen ist. Was
verstehe ich da falsch?

s.o.

Grüße,

Mathias