"Eule", "Säule", "Boiler"

Weder das Deutsche Wörterbuch, der bekannte Deutsch-Papst Bastian Sieck noch die Gesellschaft für Deutsche Sprache hat mir diese Frage bislang bantwortet:

Warum werden in deutschen Wörtern „eu“ wie in „Eule“ und „äu“ wie in „Säule“ ausgesprochen wie das „oi“ im „Boiler“?

Schlimmer noch: Keller und Quelle haben auch den gleichen Anlaut. Oder Forum und Vorne.

Hallo,

das wäre dann aber Keller und Kelle.

Gruß,
Paran

Verständlich, die Frage ist ja auch verkehrt herum gestellt: Warum wird der Diphthong [ɔɪ̯] im Deutschen mal „eu“ und mal „äu“ geschrieben, und im englischen mal „oi“ (boil) und mal „oy“ (boy).

Die Antwort ergibt sich aus den diachronen Etymologien (d.h. hier die Geschichte der Schreibweisen) der jeweiligen.Wörter. Da diese aber von Wort(stamm) zu Wort(stamm) unterschiedlich sind, gibt es dafür kein verallgemeinerbares Schema. Die Schreibweisen verändern sich in Sprachen im Allgemeinen schneller bzw. häufiger als die Aussprachen. Wogegen der Lautbestand (insbesondere der von Vokalen, um die es ja hier geht) zwar regional verschiedene Wege geht, sich aber in sehr viel größeren Zeiträumen entwickelt.

Gruß
Metapher

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Tatsächlich? Ich dachte, dass sich Schreibweisen eher langsam (oder auch gar nicht) an geänderte Aussprachen anpassen.

Immerhin finde ich, dass man im Deutschen recht gut von der Schreibweise auf die Aussprache schließen kann - es gibt wie in dieser Frage unterschiedliche Schreibweisen für die gleichen Laute, aber anders herum fällt mir gerade kein Beispiel ein. Ganz anders im Englischen, man denke mal an „ough“.

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Nun, weil eben nicht alle Deutschsprachigen in den nicht ganz kleinen Teilen Deutschlands leben, wo ein deutlicher Unterschied zwischen Eule und Säule einerseits und Boiler andererseits zu hören ist.

Daraus abzuleiten, dass es diesen Unterschied nirgendwo im deutschsprachigen Raum gibt, wäre aber verkehrt.

Schöne Grüße

MM

C-Punkts Beispiel ist völlig richtig („Kella“ „Kwelle“).

Kannst du denn etwas zu der „eu“- und der „äu“- Schreibweise (diese ja in der Regel von „au“ abgeleitet) und ihrer Entstehung sagen?

Ich kann es nur skizzieren:

eu: Heutige nhd.Wörter mit dem Diphthong eu und dem Laut [ɔɪ̯] haben althochdeutsches iu als Vorfahren (ob alle und immer, weiß ich nicht):
heute < hiuta
Eule < hiula
„Reue“ < hriuwa

äu: Das geht zurück auf die sog. i-Umlautung im Althochdeutschen: Die Vokale a, o, u (mit kurzem oder auch langem Lautwert) und der Diphthong au werden in Wörtern, bei denen die Folgesilbe i oder j (oder später auch Schwa ​[ə]) enthält, aufgehellt. Diese Aufhellung - der „i-Umlaut“ - wird ahd. schriftlich durch Ligaturen mit e angezeigt: æ, œ … mhd. dann als ä, ö, ü geschrieben. Der Laut für æ ist aber identisch mit ​[ɛ] („Ente“), d.h. einem der drei Vokale, die mit dem Buchstaben „e“ wiedergegeben wurden (neben [eː], „Esel“, und Schwa ​⁠[ə], „bitte“ , Und der Laut „äu“ für das aufgehellte „au“ war identisch mit dem für „eu“, nämlich [ɔɪ̯]

Daher finden sich Formen wie
faran („fahren“) → feris (= færis) („du fährst“)
bruch → bruchir → brüche
haus → hæusir → häuser

So ist der Lautwert ​[ɛ] für den Buchstaben „ä“ identisch mit einem der vielen e-Laute und der Lautwert [ɔɪ̯] ist identisch für „eu“ und „äu“.Aber bei der Schreibweise „äu“ ist schriftlich die Herkunft aus der i-Umlautung des abgeleiteten Ursprungs-Wortes erhalten bzw. erkennbar. Das gleichlautende „eu“ dagegen stammt (meist) aus ursprünglichem „iu“, wobei irgend ein „a“-laut keinerlei Rolle spielte.

Oder, noch kürzer gesagt: Der Laut [ɔɪ̯] hat zwei verschiedene phonemische Historien, die morphologisch verschieden gekennzeichnet werden.

Gruß
Metapher

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