Hallo!
bezüglich einer möglichen Übernahme einer zum Verkauf
stehenden „Tinten-Tankstelle“ frage ich euch um Rat.
Müssten Auto-Tankstellen die Vielfalt an Befüllstoffen, Reinigungs- und Prüfequipment vorhalten, wie es für die Vielfalt der am Markt befindlichen Tintenpatronen erforderlich ist, wären alle Tankstellen augenblicklich pleite.
Dutzende Druckerfabrikate und über die Jahre für jedes Fabrikat eine schier unüberschaubare Vielfalt an Tintenpatronen, ermöglichen die rentable Wiederbefüllung und Prüfung nur einer kleinen Auswahl der gerade gängigsten Typen, aber viele Kunden müsste man unverrichteter Dinge wieder nach Hause schicken. Selbst mit Beschränkung auf wenige Typen wärst du den ganzen Tag mit Reklamationen und Anleitungen zum Überlisten von Patronenkennungen in Druckern beschäftigt. Viele Drucker akzeptieren nämlich eine einmal als leer erkannte Patrone nicht mehr oder nur nach Befolgung von Insider-Tipps, mit denen der durchschnittliche Nutzer überfordert ist.
Verfallende Preise und knochenharter Wettbewerb durch zahllose Online-Anbieter komplettieren das Elend. Sowas kann man für wenige Patronentypen als Hobby treiben, aber ein tragfähiges Geschäft wird daraus schon lange nicht mehr.
Ende der 80er gab es die ersten Tintenstrahldrucker von HP. Drucker und Verbrauchsmaterial kosteten kleine Vermögen (für einen HP500 musste ich damals 2400 DM bezahlen) und das Internet gab es noch nicht, deshalb auch keinen Online-Handel. Damals lohnte sich Wiederbefüllung, zumal wiederbefüllte Patronen mangels Kennungen keine Probleme machten. Schwarze Tinte per Injektionsspritze eingefüllt, ein bißchen Reinigung mit Alkohol und gut war’s. Aber längst kann man mit der Geschäftsidee auf keinen grünen Zweig mehr kommen.
Der Geschäftsverlauf bei „Tinten-Tankstellen“ ist so ähnlich wie bei Fax-Rollen und Schmutzfangmatten in den 80ern. Etliche Leute machten sich mit der Geschäftsidee selbständig, erst für damals horrende Preise Schmutzfangmatten zu verkaufen und sie alle paar Wochen zu reinigen. Ein ähnliches Spiel bei Fax-Thermopapier, wo natürlich wöchentlich feste Liefermengen angestrebt wurden. Das lief ein paar Jahre und ist längst mausetot.
Das Ladengeschäft befindet sich in gut sichtbarer 1-B-Lage in
einer Kreisstadt mit ca. 50.000 Einwohnern, Parkmöglichkeiten
an der Straße vorhanden.
Völlig wurscht, wo sich der Laden befindet, weil die Geschäftsidee tot ist.
Angeboten wird die Befüllung gebrauchter Drucker- und
Tonerpatronen sowie der Verkauf von nicht nachfüllbaren
Patronen.
Welche 3 Typen von den Aberhunderten willst du auf Lager legen?
Unabhängig davon besteht noch die Möglichkeit Zeitschriften,
Grußkarten und ähnliches usw. anzubieten.
Grußkarten sind nun wirklich nicht der Bringer. Das ist so gut wie unverkäufliches Geraffel, wo alle paar Tage mal ein Euro Umsatz gemacht wird und der Rest verstaubt. Auf so manchem Grußkarten-Ständer findet man noch Exemplare mit DM-Auszeichnung auf den Cellophantüten.
Was ist eure Meinung: wie hoch kann die monatliche Anzahl der
Kunden angenommen werden? Kann sich hier eine dauerhafte
Vollexistenz ergeben?
Das ist überhaupt kein tragfähiges Geschäft, wird vorhersehbar nicht einmal Ladenmiete und Energiekosten einspielen, egal wie niedrig sie sind. Der aktuelle Betreiber sucht einen leichtgläubigen Menschen, der ihm den Ballast vom Hals schafft und womöglich für das Gelumpe im Laden noch etwas bezahlt. Das ganze Inventar bei Ebay mit 1-Euro-Auktionen zu verschleudern, wird die seit langer Zeit lohnendste Aktion solchen Ladens sein.
Oder ist dieser Markt generell auf einem absteigenden Ast,
sodass hier besser nicht investiert werden sollte?
Die Akteure wären froh, befänden sie sich noch auf dem absteigenden Ast. Das Marktsegment ist längst am Boden zertrampelt.
Falls du mir nicht glaubst, du ganz hart im Nehmen bist und dir vor nichts graust, sieh dir die Jahresabschlüsse der letzten paar Jahre des Geschäfts an. Man braucht wenig Phantasie für die Vorhersage, dass der Inhaber die Jahresabschlüsse nicht herzeigen will und vielleicht auch gar nicht herzeigen kann, weil er kein Kaufmann ist und die Abschlüsse deshalb vom Steuerberater erstellen lassen muss, dessen Rechnungen aber schon lange nicht mehr beglichen wurden, das Finanzamt reagiert mittlerweile unfreundlich und der Inhaber will nur noch raus aus der Nummer. Deshalb sucht er einen Interessenten, der ebenfalls kein Kaufmann ist, mit dem ganzen Papierkram nichts am Hut hat, in den Mietvertrag einsteigt und sogar noch ein bisschen dazu zahlt.
Gruß
Wolfgang