Als Nicht-Experte für Finanzfragen versuche ich dennoch eine Antwort - auch ein Komponist und Instrumentenbauer ist ja jein „Eingleiser“.
Ich kenne vor allem die Schweizer Verhältnisse, aber ob SNB oder EZB, beide sind Avatare, die sich die Knochen brechen, wenn sie sich bewegen. Und ein bißchen kenne ich die Basics, schließlich wurden die Beschlüsse des internationalen Bankenabkommens Basel III ja am Hauptsitz der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ in meiner Stadt gefaßt.
Das Grundproblem ist und bleibt der Kapitalismus. (Der Kapitalismus hat keine Fehler, er IST der Fehler).
Du hast Recht, die EZB und auch die SNB kann beliebig Geld drucken; wenn sie das in hohem Maß tun würde, würde das Inflation bedeuten, denn das gedruckte Geld ist zwar nur eine symbolische Darstellung von Wert; es muß von realem Wert „gedeckt“ sein, nur so behält es seinen Wert. Dieser Wert wird solide von dir und mir erarbeitet. Das erwirtschaftete Ergebnis von allen, die eine richtige Arbeit tun - in Produktion oder Dienstleistung (Handel ist ein Grenzfall) nennt man „Wertschöpfung“, und die sollte rechnerisch der Geldmenge ungefähr entsprechen. So bleiben Preise und Löhne stabil.
Nun haben aber Banken Möglichkeiten, die wir nicht haben: Bei einem eigenen, wertschöpfungsgedeckten Kapital von x können sie bei ihrem jeweiligen Nationalbankinstitut bis zu der 25-fachen Geldmenge zu billigen Zinsen beziehen.
Und dieses Geld können sie nun verleihen, damit leben sie.
Ein - zugegebenermaßen vereinfachtes - Beispiel: Nehmen wir an, du erbst 25’000 €. Nun gründest du eine Bank und hast dadurch die Möglichkeit, bis zu 1 Mio € bei der EZB zu beziehen (Deine „Kapialdeckung“, also dein Vermögen von 25’000 bleibt dabei deines). Nun verleihst du die Million gegen höhere Zinsen, als du selber der EZB zahlen mußt, an andere - gegen „Sicherheit“, z.B. als „Hypotheken“ an Häuslebauer. Gehen die pleite, gehört dir das Haus. Das Eigenkapital, das der Häuslebauer bringen mußte (in der Schweiz in der Regel im minimum 20%) bleibt dabei für immer verloren.
Deshalb haben Banken null Interesse daran, daß Kredite zurückbezahlt werden. Ein Teil der Erträge fließt in die Eigenkapitaldeckung, die dadurch fetter und fetter wird; nun kann die Bank noch mehr billiges Geld für teure Kredite leihen. Banken verdienen mit den Krediten Geld (sie sagen ja auch so zynisch, das „Geld muß arbeiten“. Bis sie dann soviel Deckungskapital hat wie die „Großbanken“ DB oder USB oder CS, die so viele Kredite ausgeben, daß nur eine bedeutende Staatskrise sie zu Fall bringen könnte. Davon wären aber alle anderen Kredite betroffen, was eine Wirtschaftskrise auslösen würde. Diese großen Banken nennt man deshalb TBTF-Banken (To Big To Fail).
Leaman Brothers hat man in ihrem Schlamassel sitzen lassen - Sie hatten sich die Knochen auf dem Immobilienkrediten gebrochen, ganze Quartiere, die sich geleert haben, als die Großindustrie wegzog (Beispiel: Flint Michigan, hervorragend dokumentiert vom berühmten Dokumentarfilmer Michel Moore im Film „Roger and Me“).
Ja, rechnerisch könnte die Bank dir eine Million schenken - aber das wird sie den Teufel tun, das wäre, als ob dir ein selbständiger Taxifahrer sein Taxi schenkt. Diese Million ist der Rohstoff der Bank - und den schenkt sie nicht, den investiert sie und verdient damit weiteres Geld.
So muß der Kreislauf, der sich dauernd selbst ernährt, dieses scheinbare perpetuum mobile, dauernd gefüttert werden. Dazu ist das vielgelobte „Wachstum“ vonnöten - daß das nicht ewig so weitergehen kann, sieht jedes Kind ein. Irgendwann kommt der Big Crash; lange wird es nicht mehr dauern. Es kann gar nicht anders sein, es ist systembedingt. Und es ist bereits angelegt - die meisten produzierenden Branchen können nicht mehr verkaufen, als sie jetzt produzieren (ausgenommen vielleicht die Mobiltelefon-Industrie).
Es gibt „Marktlücken“, davon lebe ich - von Hand gearbeitete E-Gitarren mit selbst konstruierten und handgewickelten Pickups, ausschließlich aus einheimischen Naturmaterialien gebaut (außer dem Schelllack, den gibt’s nur in Indien), mit Knochenleim geleimt. Kein Plastik, kein Polyesterlack, kein Tropenholz. Mithin so eine Art Bio-Gitarre. (Das soll übrigens keine Werbung sein, die mache ich bewußt nicht. Ich habe genug zu tun. Ich sage es nur als Beispiel für eine Marktlücke.) Ich arbeite also wie die Instrumentenbauer des 17. oder 18. Jahrhunderts; Maschinen brauche ich keine. Einzig die Elektrik ist ein Kind des 20. Jahrhunderts. Oft arbeite ich nicht für Geld, sondern für Gegenleistungen. Ich glaube, daß das die Zunkunft ist. Ich greife nur etwas vor. Viele Leute haben die Zusammenhänge begriffen, es werden immer mehr. Sie organisieren Communities wie meine Frau (ich bin selber nicht dabei, habe den Mut noch nicht), betreiben Tauschwirtschaft, entdecken die kleingliedrige Landwirtschaft wieder, pfeifen auf Geld - fast, denn in der Schweiz gibt es ein Krankenkassen-Obligatorium, das jeden ziemlich viel kostet. Immer mehr Menschen durchschauen die makabre Logik des Kapitalismus. Wenn du lieber darüber lachen möchtest, schau dir auf youTube die genialen Cabaret-Nuppern zum Thema Wirtschaft von Volker Pispers an!
Herzlich grüßt Kalaf