Hallo!
Wenn käufliche Dreiräder ein Differentialgetriebe haben, ist das noch lange kein Indiz für die Sinnhaftigkeit, schon gar nicht im Einzelfall.
Man muss Spurbreite und Antrieb insgesamt betrachten. Wenn ich den Fragesteller richtig verstanden habe, wollte er ein Hinterrad antreiben und das andere Hinterrad ohne starre Verbindung nur mitlaufen lassen. Der pfiffige Gedankengang dahinter ist, eine handelsübliche Nabenschaltung einsetzen zu können. Billiger, zuverlässiger, wartungsärmer und mit besserem Wirkungsgrad geht’s nimmer. So eine Konstruktion wird aber nur bei geringer Spurbreite einigermaßen geradeaus laufen, es sei denn, man trimmt das Fahrrad durch andere Maßnahmen, etwa Lage des Sitzes etwas außerhalb der Fahrradachse, auf Geradeauslauf.
Naturgemäß bringt so eine Konstruktion erhöhten Reifenverschleiß mit sich, aber ich gehe nicht davon aus, dass der erhöhte Verschleiß die Gebrauchstüchtigkeit ernsthaft einschränkt. Schwergängigkeit durch Senkung des Wirkungsgrads der Kraftübertragung durch ein Differential sind bei einem durch Muskelkraft angetriebenen Fahrzeug allemal störender. Eine handelsübliche 7-Gang-Nabenschaltung hat einen Wirkungsgrad >0,9. Das ist für eine Eigenkonstruktion bei auch nur annähernd vergleichbarer Zuverlässigkeit - vom Preis gar nicht zu reden - ein verdammt hoch gehängter Brotkorb. Wenn irgend möglich, erscheinen die Verwendung einer käuflichen Nabenschaltung, Einzelradaufhängung und Verzicht auf ein Differentialgetriebe durchaus vernünftig.
Kleine Spurbreite, also möglichst geringer Abstand zwischen den Hinterrädern, lässt die angerissenen Probleme möglicherweise gar nicht störend in Erscheinung treten. Außerdem fördert kleine Spurbreite die Gebrauchstauglichkeit im Alltag, denn oft genug eignen sich Wege nicht für breite Fahrzeuge. Andererseits wird der Fragesteller einen guten Grund haben, ein Dreirad bauen zu wollen, z. B. einen gesundheitlichen Grund. Dabei muss man einen Kompromiss zwischen Schwerpunktlage, Standsicherheit (also Spurbreite) und körperlichen Möglichkeiten des Benutzers finden.
Hinsichtlich Geradeauslauf optimal ist natürlich ein in der Mitte zwischen beiden angetriebenen Hinterrädern angreifender Antrieb und dann auch ein Differentialgetriebe. Aber nur mit dem Blick auf optimale Verhältnisse beim Geradeauslauf handelt man sich wieder andere Probleme ein. So wäre eine handelsübliche Nabenschaltung für gewöhnliche Fahrräder nicht zu gebrauchen.
Falls gesundheitliche Gründe zum Bau eines Dreirads vorliegen: Weil die handwerkliche Realisierung einer alltagstauglichen und betriebssicheren Fahrradkonstruktion nicht ganz trivial ist, würde ich mich im ersten Schritt noch nicht um Details des Antriebs kümmern, sondern zunächst die für den Nutzer erforderliche Standsicherheit und Lage des Schwerpunktes klären. Im Interesse der Sichtbarkeit im Straßenverkehr vermeidet man Verhältnisse eines Liegerades mit extrem niedrigem Schwerpunkt. Nachdem man mit Hilfe einer provisorischen Rahmenkonstruktion die für den Nutzer physisch und hinsichtlich Gleichgewichtssinn erforderlichen Sachverhalte zu Schwerpunktlage und Standsicherheit, also Spurbreite, ermittelt hat, kann man sich den konstruktiven Details nähern. Dabei hat der Gedankengang mit der handelsüblichen Nabenschaltung und deshalb einseitigem Antrieb einige Vorzüge, wenn denn die Spurbreite nicht so arg groß gewählt werden muss.
Gruß
Wolfgang