Fangschaltung? Handyortung durch Polizei?

Eine ältere Bekannte ist von Trickbetrügern fast sehr übel reingelegt worden. Zum Glück hatte sie die nötigen 10.000 Euro nicht parat, so dass der Betrüger ankündigte, am nächsten Tag noch einmal anzurufen.
Der Polizei wurde das alles erzählt (nachdem der Frau der Schwindel klar wurde), diese unternahm aber offenbar erst einmal nichts.

Nun meine Frage: In Krimis sieht man ja regelmäßig den Versuch, eine Fangschaltung herzustellen bzw. das Handy zu orten.

Könnte denn in der Realität die Polizei in meinem geschilderten Fall nicht den Anruf am nächsten Tag nutzen, um den Verbrechern auf die Spur zu kommen?
Oder können Kriminelle durch geeignete Maßnahmen dies aussichtlos machen?

Karl

Fangschaltung war früher mal als es noch keine Elektronik in den Vermittlungen gab. Heute kann alles protokolliert werden. Wieviel und wie lange hängt nur von den geltenden Gesetzen ab.
Allerdings wird es nicht viel bringen wenn die Übeltäter aus dem Ausland agieren.
Zumal man auch nur die kleinen Fische fangen würde.

Man kann heute sofort feststellen, welche Nummer da anruft… Es braucht keine 20 Sekunden wie im Film, so daß der Betrüger einfach nach 19 Sekunden auflegen muß, um unentdeckt zu bleiben.
Und die Rufnummernunterdrückung wirkt da auch nicht.

Es lässt sich vom Betreiber dann recht schnell herausfinden, wessen Vertrag hinter einer Nummer steckt, und bei Handys auch, über welchen Funkmast das lief.

Aber… Wenn der Anruf aus Kirgistan kommt, dann führt das nicht unbedingt weiter. Auch Prepaid-Karten sind sehr anonym, auch wenn man da heutzutage ein paar aktionistische Maßnahmen zu eingeführt hat.

Ich will die Argumente nochmal vertiefen:

Bereits mit dem digitalen Umbau der Telefonieinfrastruktur ab Mitte der 1980er wurde die sendende Rufnummer immer beim Rufaufbau mitgesendet. Man weiß seitdem also immer, noch bevor man abhebt, von welcher Nummer angerufen wird.

Diese Unterdrückung funktioniert erst ab der letzten Vermittlungsstelle. Bei Notrufe funktioniert sie generell nie.

Wenn es eine entsprechende Überwachungsanordnung gibt (und genügend Sendemasten erreichbar sind), gibt es sogar Möglichkeiten, das Handy zum Umschalten zwischen Sendemasten zu zwingen und somit eine recht genaue Trinangulation vorzunehmen.

Bisher konnte ich keine genaue Beschreibung finden, wie das Rufnummern-Spoofing funktioniert. Daher kann ich nicht sagen, in wie weit man damit die oben genannten Maßnahmen ad absurdum führen kann.

Ich bin mir nicht sicher, inwieweit es hier einen richterlichen Beschluss bzw. ein „Freigabe“ durch die Staatsanwaltschaft bedarf.

Grüße
Pierre

Wenn das jemanden interessiert, das Stichwort ist „SS7 Spoofing“. Wenn man nach „Site:media.ccc.de ss7“ sucht, findet man auch einige ausführliche Vorträge dazu.

Kurzum: Auf die angezeigte Rufnummer ist überhaupt kein Verlass.

Gruß,
Steve

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Das hört sich ja so an, als ob der Polizei - eventuell per gerichtlicher Erlaubnis - so einiges möglich gewesen wäre. Wie schlau die Betrüger waren, weiß man ja nicht. Schade, dass das - Überlastung? - nicht versucht wurde.

Naja, der Knackpunkt ist, daß man das Gespräch bis zur SIM-Karte des Anrufers zurück verfolgen kann. Aber das wissen die Ganoven auch.

Man besorgt sich daher eine Prepaid-SIM. Zwar ist vorgeschrieben, daß auch da heute ne Registrierung erforderlich ist, aber… manche Anbieter bieten die Registrierung per Videochat an. Da zieht man sich ne Perücke an, druckt sich nen Perso mit falschem Namen und Perückenfoto selbst auf einfachem Papier aus, und hält den dann in die Webcam. Wie sollen die den Fake-Perso erkennen?

Für die Handy-Ortung braucht es Beschlüsse, aber selbst wenn - du weißt also, daß der Anruf vom Bahnhof in Braunschweig kam. Die Info hat nen gewissen Wert, hilft aber doch kaum, den Anrufer zu schnappen.

Man muss bei dieser Verifikation den Ausweis so halten, das die Hologramme, etc sichtbar werden. So trivial ist das also nicht.

Man kann aber auch schlicht Internet-Telefonie verwenden.

Gruß,
Steve

Technisch sind da durchaus Dinge machbar, allerdings zeigt die Erfahrung, dass solche Tätergruppen mit schöner Regelmäßigkeit aus Callcentern in der Türkei agieren. Und da bringt dann die einzelne Rufnummernverfolgung nicht viel. Spannender ist es da, die Laufburschen vor Ort bei einer fingierten Geldübernahme hoch zu nehmen, um über die dann an weitere Hintermänner zu kommen, die dann im besten Fall aufgedeckt und festgenommen werden. So etwas ist schon häufiger von Erfolg gekrönt gewesen. Allerdings sprießen neue Banden schneller nach, als man den Sumpf austrocknen könnte. Dafür ist die Masche zu einfach immer wieder neu umsetzbar, wenn man einmal passende Strukturen dafür konzipiert hat.

Zunächst einmal benötigst du Zugang zum „Telefonnetz“. Alle Telefonnetzbetreiber sind untereinander verbunden - in dieses Netzwerk innerhalb der Anbieter gelangst du nicht direkt.

Angenommen, Mustercom wäre ein Netzbetreiber. Dann musst du dich ins Mustercom-Netz einloggen. Wenn Mustercom in Deutschland ansässig ist, dürfen sie dir nur einen Telefonzugang gewähren, wenn sie dich identifiziert haben.

Du bekommst dann eine eindeutige, weil einmalige Registrierungsnummer, die sich Mustercom vorher von der Bundesnetzagentur geholt hat (die BNA verwaltet den nationalen Rufnummernvorrat). Wir nennen diese Nummer auch „Telefonnummer“.

Durch Vergabe dieser weltweit einmaligen Nummer wird allen nationalen Netzbetreibern mitgeteilt, in welchem Netz diese Nummer zu finden ist. Angenommen, dir wurde die 0231-1320 zugeteilt. Dann müssen alle Netzbetreiber wissen, dass sie diese Nummer im Mustercom-Netz finden, das wird in Routing-Datenbanken eingetragen und führt dazu, dass Anrufe zu dieser Nummer, die z.B. von Billig-Tel aus an dich gehen sollen, auch wirklich von Billig-Tel zum Mustercom-Netz geleitet werden.

Als Inhaber dieser Nummer kannst du bei Mustercom das Leistungsmerkmal „clip no screening“ beantragen - bei manchen Verträgen ist es schon kostenlos integriert.

Was bedeutet das? Eigentlich gleicht der Netzbetreiber bei abgehenden Anrufen die Nummer, die du beim Rufaufbau als deine Nummer angibst, mit der dir tatsächlich zustehenden Nummer ab. „Hallo, hier ruft 0231-111111 an, ich möchte gerne 0123-456789 anrufen“ wird nicht akzeptiert, denn 111111 gehört dir nicht und wird durch 1320 ersetzt. Ohne Screeening, also MIT aktiviertem „clip no screening“, erfolgt dieser Abgleich NICHT.

Es werden dann beim Rufaufbau von Knoten zu Knoten immer zwei Nummer weitergegeben:
0231-1320 - calling number, network provided (Vom Netzbetreiber zur Verfügung gestellte Nummer des Anrufers)
0231-111111 - calling number, user provided (Vom Anrufer zur Verfügung gestellte Nummer)

Was ist nicht weiß ist, ob ein „Rufnummer unterdrücken“ auch separat nur für die „echte“ Nummer möglich ist.

Endgeräte zeigen beim Angerufenen auf jeden Fall die gefälschte, vom Anrufer bereitgestellte Nummer an. Einige zeigen auch die echte Nummer an, einige schreiben ein Sternchen vor der gefälschten Nummer, um diese zu kennzeichnen.

Missbrauch ist nicht zulässig. Man darf nur solche Nummern anzeigen lassen, zu deren Nutzung man auch berechtigt ist. Gedacht ist dieses Leistungsmerkmal zum Beispiel für Callcenter, Heimarbeitsplätze und Ähnliches.

Bei einer Fangschaltung steht der Behörde also die Information zur Verfügung, dass 0231-1320 die wahre Nummer ist und 0231-111111 nur angezeigt wurde.

Alles in Butter?

Nö.

Ich bin Vertriebspartner der XXXX, ein Netzbetreiber. Ich kann auf jeden beliebigen Namen Telefonverträge registrieren, ich bin der, der die Legitimation durchführen muss.
Wäre ich kriminell, könnte ich eine Nummer / einen Vertrag für „Pierre Mustermann, Unter den Linden 123, Berlin“ abschließen. Dann könnte man unter der dir zugeweiesenen Nummer Unfug treiben. Das wäre ziemlich leichtfertig von mir, denn neben Beihilfe zu Straftaten würde mich auch eine empfindliche Vertragsstrafe von XXXX treffen.

Was ist aber, wenn du in einem Land mit etwas lockereren Gesetzen einen Telefonvertrag schließt?
Dann registrierst du dich ohne Legitimation und die Rückverfolgung der echten Nummer führt zu einer falschen Identität.

Was ist, wenn du einen passenden Mitarbeiter eines Telefonanbieters kennst?
Dann könntest du mit einer gar nicht zugeordneten Nummer anrufen.

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