Fehlerhafte Mietkündigung einfach ignorieren?

Hallo,

angenommen, ein Mieter wohnt seit über einem Jahr in einem Mietzimmer innerhalb einer WG; die Zimmer wurden durch den Vermieter einzeln an jeden Mieter vermietet. Im Laufe der Zeit sind die anderen Mieter ausgezogen, sodaß inzwischen nur noch er ein Zimmer in jener Wohnung bewohnt, für welches er die Zimmermiete bezahlt. Der Vermieter hat ihm erzählt, daß er die Wohnung künftig nur noch als Ganzes vermieten möchte. Inzwischen hat er dem Mieter ein Kündigungsschreiben eigenhändig in dessen Briefkasten gesteckt, in welchem er ihm mit einer Frist von 3 Monaten kündigt. In selbigem Kündigungsschreiben fehlt jegliche Begründung für die Kündigung. Ein Hinweis auf ein Widerspruchsrecht ist ebensowenig vorhanden.

Meine Fragen dazu:

  1. Kann der Mieter das Kündigungsschreiben einfach komplett ignorieren ohne deshalb rechtliche Nachteile für sich befürchten zu müssen - und dies so lange, bis der Vermieter sich bequemt, ihm per Einschreiben ein Kündigungsschreiben zuzustellen, welches die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere Begründung und Widerspruchsrechtsklausel, enthält?

  2. Der Vermieter möchte im Grunde nur andere Mieter in die Wohnung „setzen“, die die gesamte Wohnung mieten. Kann man deshalb seine Begehr als „Eigenbedarfsanmeldung“ interpretieren und greift deshalb in diesem Falle eine andere gesetzliche Kündigungsfrist (von 6 Monaten oder mehr), auch wenn im Mietvertrag als Kündigungsfrist 3 Monate vereinbart sind?

  3. In jenem Kündigungsschreiben schlägt der Vermieter dem Mieter vor, in ein ebenfalls von ihm angebotenes Ein-Zimmer-Appartement umzuziehen. Falls dieses wesentlich mehr kostet als das Zimmer, welches der Mieter gegenwärtig bewohnt, wäre dann nicht sogar der Tatbestand der Nötigung erfüllt?

Beste Grüße
cou-cou

Hallo,

Auch gegen aus Mietersicht unbegründete Kündigung muß ein Mieter vorgehen, da diese bei Nichtstun rechtswirksam werden kann.

Es kommt auf den Gesamtkontext an. „Eigenbedarf“ ist durch die Rechtsprechung relativ eng definiert. Allerdings kann auch die bessere „wirtschaftliche Verwertung“ ein Kündigungsgrund sein.

Meinst Du die Frage wirklich ernst? Was ist an dem Angebot einer Ersatzwohnung Nötigung?

&tschüß
Wolfgang

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Ist dein Jura-Abschluss von der Uni YouTübingen?

Gruß,
Steve

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Das wäre aber ganz neu.

Eine unwirksame Kündigung ist unwirksam. Sie wird nicht durch Nichtstun plötzlich doch wirksam. Und im Gesetz (https://dejure.org/gesetze/BGB/573.html) steht ganz eindeutig drin:

Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben.

Nicht notwendig für die Wirksamkeit sind Einschreiben oder Widerspruchsklausel.

Wobei hier offensichtlich gar keine zulässigen Gründe vorliegen. Aber Nötigung ist natürlich was völlig anderes. Und Eigenbedarf auch.

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Hätte ich einen Jura-Abschluß, würde ich vermutlich nicht hier fragen. Eine Uni namens YouTübingen kannte ich bislang nicht. Aber du (im Gegenzug ebenfalls klein geschrieben) scheinst dich da ja besser auszukennen. :stuck_out_tongue_winking_eye:

Zu 3: „Was ist an dem Angebot einer Ersatzwohnung Nötigung?“

Die Tatsache, daß diese wesentlich mehr kostet und die Kündigung des preisgünstigeren Zimmers in diesem Zusammenhang wie eine „Druckausübung“ interpretiert werden könnte, das Angebot der wesentlich teureren Ein-Zimmer-Wohnung anzunehmen.

Hallo,

Wie sieht sein Mietvertrag aus?
Ist das ein „normaler“ Mietvertrag oder ein Untermietvertrag oder was? Was steht zum Thema „Kündigung“ dort? Das könnte wichtig sein.

Gruss
Jörg Zabel

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Weiterhin wäre interessant, ob das Zimmer möbliert war.

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Noch ein paar Hinweise, vor allem Korrekturen von mir:

Ohne die nach § 573 Abs. 3 BGB erforderliche Begründung ist die Kündigung eines Wohnraummietvertrages unwirksam (Palandt, 77. A. 2018, § 573 Rn. 48). Insofern hat @Albarracin Unrecht. Das Nichtstun sollte sich aber nicht auf eine etwaige Räumungsklage erstrecken. Wer eine Klage ignoriert, kann den Prozess verlieren, selbst wenn er im Recht ist. Und dann wird die Zwangsräumung möglich. Außerdem kann ein Nachreichen der Begründung im Prozess als neue Kündigung gewertet werden (Palandt a.a.O. Rn. 53), was man als Nichtjurist leicht übersehen kann.

Entgegen der Behauptung von @Albarracin wird Eigenbedarf von der Rechtsprechung ganz und gar nicht eng definiert. Aber Eigenbedarf bedeutet, dass der Vermieter den Wohnraum für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seine Haushaltes benötigt (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Für die Neuvermietung an x-beliebige Mieter ist das also tatsächlich kein Kündigungsgrund.

Albarracins Hinweis auf die Verwertungskündigung ist auch falsch. Nicht die „bessere wirtschaftliche Verwertung“ ist ein Kündigungsgrund. Vielmehr muss der Vermieter „durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert“ werden und „dadurch erhebliche Nachteile erleiden“ (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Das ist ein großer Unterschied! In der Praxis spielt die Verwertungskündigung darum nur eine sehr geringe Rolle. Die „Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen“, schließt das Gesetz an dieser Stelle übrigens schon im Wortlaut ausdrücklich aus.

Eine Kündigung zum Zweck der Mieterhöhung ist auch ausgeschlossen (§ 573 Abs. 1 S. 2 BGB).

Die Annahme einer Nötigung ist abwegig, zumal mit der Begründung, dass eine teurere Wohnung angeboten wird. Durch dieses Angebot entsteht nicht mehr „Druck“ (der übrigens gar nicht zum gesetzlichen Straftatbestand gehört, siehe dazu § 240 StGB) als ohne das Angebot einer Alternativwohnung. Ohnehin macht es sich erfahrungsgemäß nicht gut, die Stimmung mit so etwas unnötig weiter zu vergiften. Strafbar ist das Vortäuschen von Eigenbedarf und zwar nach der Rechtsprechung als versuchter oder vollendeter Betrug.

@Joerg_Zabel schreibt, was im Mietvertrag zur Kündigung steht, sei vielleicht relevant. Das glaube ich eher nicht. Es ist ja sehr unwahrscheinlich, dass die Kündigung da für den Vermieter über das Gesetz hinaus erschwert wird. Und alle möglichen Gründe für eine (ordentliche) Kündigung stehen in § 573 Abs. 2 BGB. Das gilt auch, wenn im Mietvertrag zu Lasten des Mieters davon abgewichen wird. So steht es in § 573 Abs. 4 BGB. Aus dieser Vorschrift ergibt sich übrigens auch, dass ein Abweichen von § 573 Abs. 3 BGB zu Lasten des Mieters nicht möglich ist. Die Begründung der Kündigung ist also auch Wirksamkeitsvoraussetzung, wenn Vermieter und Mieter etwas anderes vereinbart haben.

Schließlich noch ein vorbeugender Hinweis zu @anon43214967: § 573 BGB gilt in bestimmten Fällen nicht (§ 549 BGB). Das ist so unter anderem bei „Wohnraum, der Teil der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung ist und den der Vermieter überwiegend mit Einrichtungsgegenständen auszustatten hat, sofern der Wohnraum dem Mieter nicht zum dauernden Gebrauch mit seiner Familie oder mit Personen überlassen ist, mit denen er einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führt“ (§ 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Wohl darum glauben viele Leute, möblierte Wohnungen könnten immer gekündigt werden. Das ist aber nach dem Wortlaut des Gesetzes eindeutig nicht so.

Fazit: Du sitzt sehr wahrscheinlich am längeren Hebel, weil die Kündigung sehr wahrscheinlich aus formellen und materiellen Gründen unwirksam ist. Der formelle Grund kann korrigiert werden, der materielle liegt aber wahrscheinlich nicht vor. Das wäre dann ein dauerhafter Kündigungsausschluss für den Vermieter, bis er vielleicht eines Tages einen Grund zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung hat oder die Wohnung jemandem verkauft, der einen solchen Grund hat. Fast immer geht es um Eigenbedarf und Pflichtverletzungen durch den Mieter.

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