Keine Doppelmoral
Hi Punk-Evchen.
Wie passt denn Fichtes Philosophie, in der das „Ich“ als
zentraler Denkansatz seines Systems dient zur Kritik seiner
angeblich nationalen „Selbstsucht“? Ist das nicht Doppelmoral?
Nein, warum sollte es? Für Fichte ist das „Ich“ (das Subjektive) ein rein formale Kategorie, noch mehr: Subjektivität ist die absolute Basis allen Seins. Die Inhalte der Welt entspringen den Setzungen dieses quasi kosmischen Prinzips. Das ist etwas ganz anderes als die Selbstbezogenheit eines empirischen Ichs, welches zu unterscheiden ist vom absoluten Ich, welches namen- und eigenschaftslos ist. Schon Kant differenziert zwischen einem transzendentalen Ich und einem empirischen Ich. Das transzendentale funktioniert rein unbewusst, das empirische reflektiert auf seine empirischen Inhalte (Namen, Passionen, Gewohnheiten, Erinnerungen usw.). Der Psychoanalytiker Lacan, ein Kant-Fan, übertrug diese Unterscheidung auf seine Subjekt-Theorie: Das wahre Subjekt ist unbewusst („je“), das empirische, also bewusste Subjekt („moi“) ist imaginär (es konstruiert sich via Identifikation mit Namen, Körper, Passionen, Gewohnheit, Erinnerungen usw.), es objektiviert sich also.
Chan