Fight club

Hallo Stefan,

vielleicht auch ein paar Gedanken meinerseits zum Thema:

Fight Club

Der Film ist für mich - gar keine Frage - eine sehr starke cineastische Leistung. Allerdings halte ich ihn vielfach für fehlinterpretiert und überbewertet. Den Aspekt der Gewalt würde ich nur so im Kontext des Films verstehen können: sie ist Ausdruck einer gewissen Langeweile und des Bedürfnisses, sich selber „am Leben“ zu spüren. Dieses Bedürfnis wird durch unsere Gesellschaft längst nicht mehr für alle Menschen befriedigt. Jedoch ist die Gewalt im Film kein Patentmittel, sondern eine Notlösung. Die „Clubs“ selber sind auch nur Mittel, um die „Operation Chaos“ am Ende des Films letztlich realisieren zu können.

(Achtung: Spoiler!) Den Punkt, dass Tyler Dyrdon sich letztlich dadurch durchsetzt, indem er sich auf Parkplätzen selber verprügelt, würde ich als Persiflage auf eben jene männliche Gewaltverherrlichung verstehen: wer sich so trefflich die Fresse selber blutig haut, der ist ein rechtes Alpha-Tier. Die Allmachtsphantasie, der Tyler Dyrdon im Film unterliegt, ist allerdings ein Irrweg, wie das Ende des Films beweist. Er ist nicht nur schwer krank, er schlägt auch vor, noch einmal ganz von vorne anzufangen. Was der Film die ganze Zeit propagandiert, wird am Ende also widerrufen - es ist eine Phantasie und ein Spiel mit dem Zuschauer. Es ist dasselbe Thema wie das der unendlichen Geschichte: man möchte schöner, größer, stärker und mächtiger sein als man ist - und dies ist vielfach Ursache für geistige Erkrankung. Meiner Meinung nach trefflich durch den Film gezeigt - und daher als Lösungsweg ungeeignet.

Gewalt & Gesellschaft

Meiner Meinung nach ist die persönliche Gewalt heute schon lange kein probates Mittel mehr, um seine gesellschaftliche Macht unter Beweis zu stellen. (Männliche) Potenz wird repräsentiert (in den Köpfen vieler Männer, aber auch so mancher Frau) durch Vermögen, Statussymbole, Lebensqualität & -art, Bildung, Machtpositionen etc.

Wie Du selber richtig sagst ist Gewalt häufiger in der Unterschicht zu finden - und die Repräsentation und Anziehungskraft mag hier ungleich stärker sein. Man kehrt zu einer basalerenm Ebene zurück, weil einem der Zugang zu anderen Systemen (s.o.) verschlossen bleibt.

Auch hier Gewalt als Ausdruck der Verzweiflung: keine selbst geschaffene Langeweile vielleicht, sondern eher eine aufoktruierte - erzeugt durch Plattenbausiedlungen mit eingeschränktem Wohnraum, Armut und Verzweiflung. Und machen wir uns nichts vor: diese Positionen müssen - bei der momentanen Form unserer Gesellschaft - durch irgendwen besetzt werden.

Extremerfahrungen

Extremerfahrungen auf das Erleben von Gewalt zu reduzieren ist eine typische männliche Sichtweise. Um emotional stark negativ belastende Erlebnisse im Leben zu sammeln, muss man sich aber nicht zwangsläufig der Gewalt aussetzen. Es gibt - gerade in unserer Gesellschaft - unendlich viele Mittel & Wege, wie sich Menschen den „besonderen Kick“ verschaffen können. Zu Neudeutsch spricht man auch vom sog. „Sensation seeking“.

Dabei darf man aber - weder bei der Gealt noch bei anderem - vergessen, dass es sich hierbei um sehr starke, negative Erfahrungen handelt. Und die Funktionsweise unserers Gehirns ist tatsächlich so ausgelegt: es wird als Bedrohung empfunden & abgespeichert. Die Abspeicherung aber kann auch mit bewussten Erfahrungen kombiniert sein, und als ein sehr starker Gegenprozess kann das Glück, „überlebt“ zu haben die Belastung weniger bedrohlich erscheinen lassen. Letztlich bedeutet dies (eventuell) eine Reduktion der eigenen Angst vor dem Tod, einer Stärkung des eigenen Allmächtigkeitsempfinden und - für mich untrennbar mit den beiden vorangegangenen verknüpft - eine Reduktion der eigenen Lebensangst.

Lieben Gruß
Patrick

Hallo Patrick,

Danke für Deine „Gedanken zum Thema“! Ich fand diese spannend…

Der Film ist für mich - gar keine Frage - eine sehr starke
cineastische Leistung. Allerdings halte ich ihn vielfach für
fehlinterpretiert und überbewertet. Den Aspekt der Gewalt
würde ich nur so im Kontext des Films verstehen können: sie
ist Ausdruck einer gewissen Langeweile und des Bedürfnisses,
sich selber „am Leben“ zu spüren.

Ja, offensichtlich fehlinterpretiert…beim zappen ist mir vor einiger Zeit eine gleichnamige Veranstaltung untergekommen, wo mann sich tatsächlich - aus welcher pseudo-sportlichen Motivation auch immer - übelst verkloppt hat.Es gab ganz früher mal UFC - Ultimate Fight Challange…„gab“, weil das gibts auch heute noch, wohl zwischenzeitlich auch zu etwas Fight-Club ähnlichen mutiert, neuzeitliche Gladiatorenspiele. UFC zu Anfangs war mehr etwas, wo sie ‚Grössen‘ der unterschiedlichen Kampfstile gegeneinander antraten, Rickson Gracie (Ju-Jutsu) zB. Da mann aber meist bei sowas auch ‚nur‘ zusieht (s. der wohlbeleibte Besitzer des Nachtclubs im Film) bleibt ja selbst das von Dir genannte ‚am Leben‘ spüren genauso auf der Strecke wie bei allem anderen, was zwar Grenzen zeigt, aber ohne deren Erlebnis…Dazu würde ich Bungee-Springen zählen.

(Achtung: Spoiler!) Den Punkt, dass Tyler Dyrdon sich
letztlich dadurch durchsetzt, indem er sich auf Parkplätzen
selber verprügelt, würde ich als Persiflage auf eben jene
männliche Gewaltverherrlichung verstehen: wer sich so
trefflich die Fresse selber blutig haut, der ist ein rechtes
Alpha-Tier.

…bzw. wem es nichts ausmacht, für nix Prellungen, ausgeschlagene Zähne etc. zu riskieren. Dass er es letztlich - zumindest die Kämpfe zwischen Tylor und seinem alter Ego selber tut - zeigt ja, was hinter so einem Verhalten stecken kann, eine zutiefst gespaltene Persönlichkeit. Also: Alpha-Tiere sind gespaltene Persönlichkeiten?!

man möchte schöner,
größer, stärker und mächtiger sein als man ist - und dies ist
vielfach Ursache für geistige Erkrankung.

ja, über J.P. Sartre habe ich mal das Zitat gehört, dass man an ihm sieht, was passiert wenn Grösse und Großenwahn in einem Menschen zusammentreffen.

Meiner Meinung nach ist die persönliche Gewalt heute schon
lange kein probates Mittel mehr, um seine gesellschaftliche
Macht unter Beweis zu stellen.

Es gibt aber immer noch gewalttätige Demos, Hooligans etc. So weit bekannt, scheint hier ja eher die Mittel- bis Oberschicht zuzuschlagen…ich weiss nicht, was Du mit probatem Mittel meinst…sinnvoll ists eh’ nie…

Ich gehe davon aus, dass - wie Du auch beschreibst, die Gewalt der Unterschicht aus einer anderen psych. Quelle kommt.

Extremerfahrungen auf das Erleben von Gewalt zu reduzieren ist
eine typische männliche Sichtweise. Um emotional stark negativ
belastende Erlebnisse im Leben zu sammeln, muss man sich aber
nicht zwangsläufig der Gewalt aussetzen. Es gibt - gerade in
unserer Gesellschaft - unendlich viele Mittel & Wege, wie sich
Menschen den „besonderen Kick“ verschaffen können. Zu
Neudeutsch spricht man auch vom sog. „Sensation seeking“.

Was aber meist nicht negative Erfahrung voraussetzt, o.g. Bungee-Springen, z.B. Die meisten solcher Erlebnisse sind m.E. eher gewaltfrei, zumindest von anderer Gewalt, als die „Faust gegen Faust“ Gewalt aus FC.

starker Gegenprozess kann das Glück, „überlebt“ zu haben die
Belastung weniger bedrohlich erscheinen lassen. Letztlich
bedeutet dies (eventuell) eine Reduktion der eigenen Angst vor
dem Tod, einer Stärkung des eigenen Allmächtigkeitsempfinden
und - für mich untrennbar mit den beiden vorangegangenen
verknüpft - eine Reduktion der eigenen Lebensangst.

Ich weiss nicht, wie sehr sich das Glücksgefühl sich auf ein „überlebt zu haben“ reduzieren lässt. Es „geplant und immer am eigenen Limit entlang (s. Flow…) erfolgreich gemacht zu haben“ trifft es m.E. eher, und das deckt dann den Alpencross, Marathonlauf…aber auch sowas wie base-jumping mit ab. Du siehst, ich mache da einen Unterschied, zB. zwischen dem Bungee-Springen und base-jumping.

Und irgendwie lässt sich alles menschl. Handeln auf die Reduktion der eigenen Lebensangst, der Angst vor der eigenen Vergänglichkeit reduzieren. Ob das in allen Fällen ein Erkenntnisgewinn ist wage ich zu bezweifeln. Heisst aber auch: ja, das hast Du recht und gerade in diesem Fall - FC - ist der Hinweis sicher angebracht…

so long,

stefan