Hallo, so langsam aber sicher bin ich echt frustriert. Als ich
mir die Fische gekauft habe, habe ich dem Händler vorher immer
gesagt wie meine Beckengröße ist und welche Tierchen darin
leben. Ich finde es sehr schwer, sich als Anfänger zu
orientieren, wenn jeder etwas anderes erzählt.
Kann ich gut nachvollziehen. Beim Händler steht natürlich aber das Verkaufsinteresse im Vordergrund. Der verkauft dir so ziemlich alles, was du willst, wenn die Diskrepanz zwischen erreichbarer Körpergröße des Tieres und deiner Beckengröße nicht zu drastisch ist. Manchen Händlern ist selbst das egal - ich habe schon beobachtet, wie ein kleiner Elfenwels (erreichbare Größe ca. 1,3 Meter) für ein 80 Liter - Becken verkauft wurde. Der Händler freut sich ja auch, wenn du immer wieder nachkaufst, um ‚deinen Bestand aufzufrischen‘, weils z.B. Neons in so einem Minibecken mit vielleicht noch hartem Wasser halt nur 1, 2 Jahre machen. Ist ja sein Geld. Und wenn dir zum dritten Mal alles gestorben ist, verkauft er dir tolle neue Wasseraufbereiter und Filtertechnik, um deine Wasserwerte zu optimieren, was natürlich bei kleinen 60 Liter - Becken und der üblicherweise darin vorzufindenden Fischsuppe nicht möglich ist.
Was soll man da machen???
Ich versuche im Moment alles an
Fachlektüre zu wälzen was mir unter die Finger kommt ( z.B. die
Infohefte von Sera und JBL)…
Gute Fachliteratur hilft dir auf jeden Fall weiter, allerdings würde ich es nicht mit diesen kleinen Kochrezept-Ratgebern aus dem Supermarkt belassen, sondern auch mal in die Bibliothek gehen und schauen, was dort so an seriöser Fachlektüre zu akquirieren ist. Z.B. den Mergus Aquarienatlas oder den Sterba, die üblichen Verdächtigen halt, die findet man in jeder Bibliothek.
Man kann auch mit Google viel nützliche Daten finden. Wenn man einen konkreten Fisch im Auge hat und den mal googelt, findet man unter Garantie in mindestens 5 Datenbanken die Rahmenbedingungen (Beckengröße, Wasserhärte, pH-Wert, Temperatur, Verträglichkeit) für dessen Hälterung und sicher auch noch viele andere Quellen, wie Forenbeiträge zu Fütterung, Krankheiten, Zuchtberichten etc.
Was wäre denn optimal für ein 60er Becken (evtl. mit Ka-Fis)?
Für ein 60 Liter - Becken ist nichts wirklich optimal, außer vielleicht die winzigen Killifische, die in der Natur in regelmäßig austrocknenden Pfützen, Reifenspuren etc. leben, nach einer Lebensspanne von ca. einem halben Jahr sterben und nach einer mehrmonatigen Ruhezeit aus den gelegten Eiern neu erbrütet werden müssen.
Von den nicht ganz so gut geeigneten Fischen, die aber robust und anspruchslos sind und die Hälterung in so kleinen Aquarien tolerieren, dürften in erster Linie lebendgebärende Zahnkarpfen in Frage kommen: Man denkt ja sofort an den Guppy als den typischen Anfängerfisch und das hat auch seine Berechtigung. Er lässt sich in einem 60 Liter - Becken nämlich durchaus dauerhaft hältern und vermehren. Abzusehen ist von sog. Hochzuchtguppys, die sehr empfindlich sind. Aber normale Wald- und Wiesenguppys wären eine Option, auch wenn ihnen größere Becken natürlich besser schmecken würden, da sie recht bewegungsfreudig sind. Auch die diversen Zuchtformen des Spiegelkärpflings (im Volksmund Platy) wären eine Option. Nicht zu empfehlen sind Schwertträger (zu groß und aggressiv) und Spitzmaulkärpflinge/ Mollys (brauchen spezielle Wasserbedingungen, sonst ziemlich krankheitsanfällig).
Fische, an die kaum einer bei kleinen Becken denken würde, die aber sehr interessant und meiner Ansicht nach für 60 Liter halbwegs geeignet sind, sind kleine, robuste Buntbarscharten aus dem tropischen Afrika. Mein Favorit für kleine Becken ist der afrikanische Schmetterlingsbuntbarsch Anomalochromis thomasi. Von diesem kann man zwei Pärchen in einem artgerecht eingerichteten 60 Liter - Becken lange halten.
Buntbarsche sind sehr interessant, und sie machen vielleicht auch Lust auf mehr Aquaristik und größere, leichter zu pflegende Becken. Zumindest war es bei mir so, denn diese Tiere leben paarweise in festen Partnerschaften, bilden Reviere, verteidigen diese und betreiben Brutpflege. Viele Arten verteidigen und betreuen ihren Nachwuchs, bis dieser fast erwachsen ist.
Als bodenorientierte Beifische eignen sich zu den Lebendgebährenden evtl. kleiner bleibende und robuste Panzerwelsarten. Viel mehr als zwei Fischarten würde ich in ein 60 Liter - Becken nicht einsetzen. In einem so kleinen Buntbarschbecken kann es selbst da zu Problemen kommen, zumindest während der Brutpflege.
Bei den asiatischen Labyrinthfischen (wozu die Kampffische zählen) kenne ich mich nicht so gut aus. Friedlicher und besser für die Haltung in kleinen Becken geeignet sind evtl. diverse Guramis oder Makropoden. Allerdings wären zumindest für letztere 60 Liter eigentlich schon wieder zu wenig.
Grundvoraussetzung vor dem Zierfischkauf ist es jedoch immer die eigenen Wasserwerte zu kennen und geeignete Fische danach auszuwählen. Außerdem lassen sich in einem 60 Liter - Aquarium meist nur eine oder höchstens zwei Arten erfolgreich pflegen, für mehr ist so ein Becken einfach zu klein - erstens weil die meisten Fische mehr oder minder sozial sind und nicht allein oder zu zweit gehalten werden wollen, zum anderen, weil es auf so engem Raum ohne die Möglichkeit, sich auszuweichen, sonst zu starkem Stress und Aggresionen kommt.
Die Bewältigung des Stresses, der durch die Hälterung in zu kleinen Becken entsteht (unnatürliches Verhalten, Aggressionen, Krankheiten) macht einen großen Teil des Pflegeaufwandes aus, den solche Minibecken verursachen und der in ausreichend großen Aquarien einfach überhaupt nicht entsteht.
Per se nicht für die Hälterung in einem 60 Liter - Becken geeignet, sind so ziemlich alle Salmler und Bärblinge/ Barben. Die brauchen meist warmes, weiches Wasser mit sehr konstanter Chemie und viel Strömung und Schwimmraum. In kleinen Becken schwanken die Wasserwerte zu stark, da kein ausreichendes Wasservolumen da ist, um die Schwankungen zu puffern und auszugleichen. So steigen nach jeder Fütterung durch die Ausscheidungen der Tiere und Futterreste die Eiweisabbauprodukte Ammonium und Nitrit stark an und fallen dann durch bakteriellen Abbau wieder, während gleichzeitig der Sauerstoffgehalt fällt. Am Tag verbrauchen die Pflanzen Kohlendioxyd zur Photosynthese und als Hydrogencarbonat gebundener Kalk wird frei, in der Nacht steigt der CO2-Pegel durch die Atmung der Fische wieder an und Kalk wird gelöst. So schwanken ständig Wasserhärte und insbesondere der pH-Wert. Tiere, die aus großen Gewässern mit stabilen Wasserwerten stammen (z.B. die Otocinclen und Neonsalmler) machen das nicht sehr lange mit. Fische, sie aus Gewässern mit ständig wechselnden Bedingungen, wie Überflutungsteichen, Tümpeln, reisfeldern oder gar Abwassergräben stammen, sind hier im Vorteil. Dazu zählen z.B. einige Zahnkarpfen, Labyrinthfische, Welse und Buntbarscharten. Aber eben längst nicht alle, man muss die richtigen herauspicken.
LG, Jesse