Fixsterne = weit entfernte Sonnen

Hallo zusammen!

In einer anderen Diskussion stieß ich auf folgende Frage:

Seit wann und von wem wissen wir eigentlich, dass Sterne nur weit entfernte Sonnen sind, bzw. dass die Sonne ein ziemlich gewöhnlicher Stern ist? Und gleich noch dazu: Seit wann kennt man die Entfernungen zu den nächsten Sternen?

Ich habe bereits gehört, dass bereits Demokrit vermutet haben soll, dass Sterne weit entfernte Sonnen sind, aber beweisen konnte er es ja bestimmt noch nicht. Ich glaube zu wissen, dass Kepler (oder Kopernikus) berechnet hat, dass Sterne sehr viel weiter entfernt sein müssen, als Saturn (der damals am weitesten entfernte bekannte Planet).

Nett wäre auch, wenn jemand etwas über die Entfernungsbestimmung sagen könnte. Ich weiß, wie es bei nahen Sternen geht (über die Paralaxe) bzw. wie man es bei weit entfernten Glaxien macht (über absolute und relative Helligkeit der Cepheiden). Allerdings weiß ich nicht, wie man mittelgroße Entfernungen misst (z. B. Durchmesser der Galaxis). Da dürfte der Paralaxwinkel doch kaum mehr messbar sein, oder irre ich mich?

Bin gespannt auf Eure Antworten.

Michael

Hallo!
Alle Deine Fragen kann ich leider nicht beantworten. Mal soviel: Die
ersten Parallaxen-Bestimmungen gab es kurz nach 1830. Heute glaubt
man, damit zuverlässige Werte bis ungefähr 1000 Lichtjahre zu
bekommen. Die bestimmten Arten veränderlicher Sterne in fernen
Galaxien werden vor allem verwendet, um die Rotverschiebung zu
eichen. Die normale Methode zur Entfernungsmessung für andere
Galaxien ist diese Rotverschiebung. Der Bereich zwischen den zwei
Verfahren, also etwa von tausend bis eine Million Lichtjahre, ist in
der Tat etwas problematisch. Da gibt es die Möglichkeit, einfach
optisch abzuschätzen, welche Sterne nahe beieinander liegen. Dann
gibt es die genannten Cepheiden. Dann gibt es die säkulare Parallaxe,
da sich ja unsere Sonne in den etwa 180 Jahren exakter Beobachtungen
schon eine beträchtliche Strecke bewegt hat. Und dann gibt es das
Hertzsprung-Russel-Diagramm. Das gibt ja Verhältnisse zwischen
Spektralklassen und absoluten Helligkeiten. Und wenn man letztere
hat, und die scheinbaren Helligkeiten ja sowieso, dann kann man die
Entfernung berechnen. Das gibt natürlich in vielen Fällen keine
eindeutigen Ergebnisse.

Moin Michael,

Seit wann und von wem wissen wir eigentlich, dass Sterne nur
weit entfernte Sonnen sind, bzw. dass die Sonne ein ziemlich
gewöhnlicher Stern ist? Und gleich noch dazu: Seit wann kennt
man die Entfernungen zu den nächsten Sternen?

Seit wann man Parallaxen messen kann wurde schon geschrieben, 1837 von Bessel. Zuvor gab es de facto KEINE Möglichkeit, Entfernungen im Universum über unser SoSy hinaus zu messen, höchstens abzuschätzen wie weit sie mindestens entfernt sein müssen (eben wegen der sehr geringen Parallaxe).

Die besten derzeitigen Parallaxenmessungen wurden vom Hipparcos-Satelliten durchgeführt, der bis ca. 100pc (300LY) mit einer Genauigkeit von ca. 10% durchgeführt; das Winkelauflösungsvermögen betrug ca. 1 Millibogensekunde.

Will man weiter hinaus, so gibt es ein paar Methoden:

  • Es gibt zum einen die von Dir schon genannten Cepheiden, oder auch andere variable Sterne wie RR Lyrae (konst. absolute Helligkeit im Maximum) oder δ Scuti etc.

  • Sekularparallaxe: Bewegung der Sterne über längere Zeiträume, wenn man als Basislänge diejenige annimmt, die die Sonne in diesem Zeitraum im lokalem Ruhestandard zurückgelegt hat. Der lokale Ruhestandard oder auch local standard of rest (LSR) ist dasjenige Bezugssystem, in dem der Schwerpunkt der nächsten ~400 Sterne, inklusive Sonne, ruht.

  • Sternstromparallaxe: Diese Methode funktioniert nur für Sternhaufen, d.h. für Sterngruppen, in denen die Sterne alle eine gemeinsame Bewegungsrichtung im Raum besitzen. Wegen der Projektion der gemeinsamen Bewegungsrichtung auf unsere scheinbare Himmelssphäre scheinen die Sterne einen Kovergenzpunkt zu besitzen. Weiterhin kann man die Radialgeschwindigkeit der Sterne von uns weg bzw. auf uns zu messen. Beide Messungen zusammen liefern uns mit ein paar geometrischen Überlegungen die Entfernung zu dem Sternhaufen: d = vradial * tanθ/4,74μ wobei μ die Eigenbewegung in Bogensekunden pro Jahr ist und θ der Winkel zwischen Konvergenzpunkt und Stern(haufen) beschreibt. Es versteht sich, daß man bei dieser Methode über alle Sterne des Haufens geeignet mitteln muß. Diese Methode ist extrem wichtig in der kosmischen Entfernungsbestimmung, da an ihr auch viele andere Methoden geeicht werden und diese wiederum bspw. mittels der Hyaden an der Parallaxenmethode geeicht wird, teilweise auch die Methoden über veränderliche Sterne.

Ich habe bereits gehört, dass bereits Demokrit vermutet haben
soll, dass Sterne weit entfernte Sonnen sind, aber beweisen
konnte er es ja bestimmt noch nicht. Ich glaube zu wissen,
dass Kepler (oder Kopernikus) berechnet hat, dass Sterne sehr
viel weiter entfernt sein müssen, als Saturn (der damals am
weitesten entfernte bekannte Planet).

Nett wäre auch, wenn jemand etwas über die
Entfernungsbestimmung sagen könnte. Ich weiß, wie es bei nahen
Sternen geht (über die Paralaxe) bzw. wie man es bei weit
entfernten Glaxien macht (über absolute und relative
Helligkeit der Cepheiden).

Bei nahen Galaxienen kann man Cepheiden und andere Veränderliche noch nutzen - man muß sie ja immer noch auflösen können. Wenn man die intergalaktische Entfernungsleiter weiter gehen will, so kommt nach den variablen Sternen

  • Supernovae Typ Ia, die eine konstante, maximale absolute Helligkeit und charakteristische Lichtkurve besitzen. Sie entstehen, wenn durch Massenüberfluß von einem Begleiter ein Weißer Zwerg die kritische Chandrasekhar-Masse von ca. 1,4 Sonnenmassen überschreitet. Der Weiße Zwerg wird dabei vollständig ohne Rest zerstört.

  • Hubble-Gesetz zur Entfernungsbestimmung über die Rotverschiebung

  • Tully-Fisher über die den empirischen Zusammenhang zwischen Rotationsgeschwindigkeit einer Spiralgalaxie und deren (absoluter) Helligkeit ausnutzt: L ~ v_max^4

  • Faber-Jackson, ebenso empirisch, stellt einen Zusammenhang zwischen Leuchtkraft einer Galxie und der Geschwindigkeits_dispersion_ her; diese Methode funktioniert für elliptische Galaxiene und ist im Prinzip Tully-Fisher nur in „grün“.

  • Gravitationslinsen erlauben eine Entfernungsmessung über eine Messung des Lichtlaufunterschieds (bspw. an Helligkeitsschwnakungen) verschiedener Bilder eines Hintergrundobjekts: Δt ~ d_L * d_S / (d_S - d_L), wobei d_L die Entfernung zur linsenden Galaxie und d_S die Entfernung zum Hintergrundobjekt ist. Letztere Entfernung muß man irgendwie anders bestimmen oder annehmen, dass d_S >> d_L.

Allerdings weiß ich nicht, wie man
mittelgroße Entfernungen misst (z. B. Durchmesser der
Galaxis). Da dürfte der Paralaxwinkel doch kaum mehr messbar
sein?

Richtig. Siehe oben.

Zusammenfassend: die Entfernungsbestimmungsmethoden bauen aufeinander auf:

Parallaxe
Sternstromparallaxe, Sekularparallaxe
Cepheiden
Supernovae
Rotverschiebung

Die oben genannten und hier nicht zitierten Methoden werden nur genutzt, wenn gar nichts anderes geht, da ungenauer als die hier genannten. Fehler liegen typsicherweise bei größenordnungsmäßig 10%.

Viele Grüße,
Ingo

Hallo Ingo!

Danke für die umfassende und interessante Antwort. Ich habe noch ein kleines Verständnisproblem mit der „Sternstromparallaxe“.

  • Sternstromparallaxe: Diese Methode funktioniert nur für
    Sternhaufen, d.h. für Sterngruppen, in denen die Sterne alle
    eine gemeinsame Bewegungsrichtung im Raum besitzen. Wegen der
    Projektion der gemeinsamen Bewegungsrichtung auf unsere
    scheinbare Himmelssphäre scheinen die Sterne einen
    Kovergenzpunkt zu besitzen.

Vermutlich „Ko n vergenzpunkt“. Richtig? Was ist damit gemeint? Ein Punkt, dem alle entgegenstreben, wie der Fluchtpunkt in der Malerei?

Weiterhin kann man die
Radialgeschwindigkeit der Sterne von uns weg bzw. auf uns zu
messen.

Dopplerverschiebung, nehme ich an…

Beide Messungen zusammen liefern uns mit ein paar
geometrischen Überlegungen die Entfernung zu dem Sternhaufen:
d = vradial * tanθ/4,74μ wobei μ die
Eigenbewegung in Bogensekunden pro Jahr ist und θ der
Winkel zwischen Konvergenzpunkt und Stern(haufen) beschreibt.

Wenn mit „Konvergenzpunkt“ der „Fluchtpunkt“ gemeint ist, dann wäre θ die Bewegungsrichtung des Sternhaufens. Die Formel für d kann ich auf die Schnelle nicht nachvollziehen. Kannst Du mir ein bisschen nachhelfen oder eine Internetseite zu der Methode empfehlen?

Michael

Moin,

„Sternstromparallaxe“.

Ist auch nicht auf den ersten (und unbedingt zweiten) Blick intuitiv. Man muß es sich am besten aufzeichnen.

  • Sternstromparallaxe: Diese Methode funktioniert nur für
    Sternhaufen, d.h. für Sterngruppen, in denen die Sterne alle
    eine gemeinsame Bewegungsrichtung im Raum besitzen. Wegen der
    Projektion der gemeinsamen Bewegungsrichtung auf unsere
    scheinbare Himmelssphäre scheinen die Sterne einen
    Kovergenzpunkt zu besitzen.

Vermutlich „Ko n vergenzpunkt“. Richtig? Was ist damit
gemeint? Ein Punkt, dem alle entgegenstreben, wie der
Fluchtpunkt in der Malerei?

Korrekt. Es muß Ko n vergenzpunkt heißen. Eigentlich wollte ich noch 'nen Link zu 'nem Skript posten, vergaß es dann aber: http://rzv048.rz.tu-bs.de/lehre/skripten/SkriptAstro… auf Seite 5 hat eine Zeichnung, leider aber auch recht wenig Erklärung.

Weiterhin kann man die
Radialgeschwindigkeit der Sterne von uns weg bzw. auf uns zu
messen.

Dopplerverschiebung, nehme ich an…

Auch richtig.

Beide Messungen zusammen liefern uns mit ein paar
geometrischen Überlegungen die Entfernung zu dem Sternhaufen:
d = vradial * tanθ/4,74μ wobei μ die
Eigenbewegung in Bogensekunden pro Jahr ist und θ der
Winkel zwischen Konvergenzpunkt und Stern(haufen) beschreibt.

Wenn mit „Konvergenzpunkt“ der „Fluchtpunkt“ gemeint ist, dann
wäre θ die Bewegungsrichtung des Sternhaufens. Die
Formel für d kann ich auf die Schnelle nicht nachvollziehen.

Annahmen:

  • Alle Sterne sind etwa gleich weit weg
  • Alle Sterne bewegen sich gleich schnell in EINE Richtung.

Die Geschwindigkeit v des Sterns setzt sich vektoriell aus der Radialgeschwindigkeit vr und der Tangentialgeschwindigkeit vt zusammen. Der Schnittpunkt der Tangentialgeschwindigkeitsvektoren ist der Konvergenzpunkt. Der Winkel zwischen diesem Konvergenzpunkt und einem Stern ist θ (für jeden Stern also anders, sprich man muß über alle Sterne geeignet mitteln). Gleichzeitig ist der Winkel θ natürlich auch der Winkel zwischen wahrer Bewegungsrichtung und radialer Bewegungsrichtung.
Meßtechnisch zugänglich sind vr und die Eigenbewegung μ ([μ] = "/Jahr).
Es gilt vt = d * μ (* passende Vorfaktoren wg. Einheiten), d: Entfernung zum Stern.
Jetzt schauen wir uns das Geschwindigkeitsparallelogramm an und sehen, daß
vr*tanθ = vt = d μ * Vorfaktoren

Die Vorfaktoren sind gleich 4,74, wenn man in den Größen einsetzt, in denen man gewöhnlich die Werte mißt:
–> d = vrtan&theta / (4,74 μ), wenn [&mu] = "/Jahr, [d] = pc, [vr] = km/s

Beste Grüße,
Ingo

Danke!
Hallo Ingo!

herzlichen Dank, jetzt sehe ich klarer. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Die Skizze hatte ich selbst schon gezeichnet. Mein Verständnis scheiterte an den beiden trivialsten Punkten: Am Zusammenhang von µ und vt (der liefert letztendlich das d) und an 4,74 (was ja nur durch die Einheiten bedingt ist).

Vielleicht schreibe ich mich ja mal für ein Astronomie-Studium ein, wenn ich in Pension gehe (in über 30 Jahren).

Michael