Fleischpflanzerl

Hallo Dialekt-Experten,

bei der im Rezepte-Brett inzwischen weitgehend erledigten Diskussion über Buletten, Frikadellen & Co. fiel mir auf, daß ich überhaupt keine Ahnung habe, woher der Begriff ‚Fleischpflanzerl‘ kommt. Ich meine: Fleisch ist klar, aber wohin um Himmels Willen mit dem ‚Pflanzerl‘.

Google gibt nicht viel her (vielleicht waren schlicht die Suchbegriffe Pflanzerl + Etymologie bzw. P. + Wortherkunft nicht genehm)…

Pflanzerl hört sich für mich jedenfalls nach einer Verkleinerung/Verniedlichung an und wenn ich die bayerischen Fleischklopse mit den in Berlin üblichen Mosterndingern vergleiche, dann kommt es auch hin. :wink:

Kann mich jemand erleuchten?

Merci & beste Grüße

Renee

Hallo, Renee,

die Pflanzerl

sollen verballhornte „Pfannzelten“ sein.
In Bayern heißen Lebkuchen z. B. Lebzelten. Es gibt auch Fruchtzelten.
„Zelten“ sind also flache gebackende oder gebratene, essbare Stücke aus Teig oder Fleisch.

Dazu Grimm:

_ ZELTEN , älter zelte, selten zelt, m., flacher, dünner kuchen; in der Schweiz, dem bair.-österr. sprachgebiet und dem südosten Württembergs (grenzangabe bei H. FISCHER 6. 1118) zu hause und in einen nördlicher gelegenen randstreifen Württembergs sowie früher sogar bis in die Wetterau (WEIGAND im oberhess. intell.-bl. 1845, 179) übertragen; wie fladen durch die flache, dünne form gekennzeichnet und nach dieser benannt, da aus der germ. wurzel * teld- ‚breit ausspannen‘, derselben, aus der 1zelt, n., stammt, abgeleitet; grammatisch ein substantiviertes adjectiv: ahd. zelto (tortella leip vel zelto gloss. 2, 941; liba celten 2, 47845), mhd zelte, woraus, namentlich an der tonschwachen stelle von zss., zelt (z. b. leckuoch al. letzelt DIEFENBACH gl. 326b, phanzelt al. ch‰clinch 415c; liba opferzelt, libetum lebzelt, placenta pfanzelt clm. 5685 s. 79: der ander zelt gesta Rom. 95 K.; cilinda … dünn protzelt DIEFENBACH n. gl. 89b; zelt HULSIUS [1618] 282a, KRAMER teutsch-it. 2, 1443a) und weiter der fehlerhafte plur. zelte, den ADELUNG 2 4, 1682 aufnimmt und RÜCKERT bei MEURER 11 gebraucht; unsicherheit verrät auch WIELAND: zelter oder brodte Lucian 1, 385; fem.: eine zelten WIDMANN Faust 408; zelte, f., HUNZIKER 308.

  1. ein gebäck zur menschlichen nahrung, a) als brot oder kuchen:

so bringt ain win und zelten
d. teufels netz 5473 B.;

die wend denn zelten bachen
9391;

man sol in zelten koufen,
so schwigend s wie die kind
bibl. ält. schriftw. d. Schweiz I 4, 26;

aus brotteig, und zunächst ein kleines laibchen, das aus dem teigrest im ofen gebacken wird, so zeltel LEXER kärnt. 264; ferner: pastillus parvi panis forma prötle oder zeltlin PINICIANUS D 3b; DIEFENBACH n. gl. 89b; als dick (er) brot becht, so sol er dem hirten ain zelten brots geben (schwäb. 1435) H. FISCHER 6, 1118; modern ebda; s. auch SCHMELLER-FR. 2, 1119; a boizain zautle (weizenbrot) HAUFFEN sprachins. Gottschee 252; geringe familien boten ‚vorbrot‘ oder ‚zelten‘ (weiszes hefenbrot) M. MEYR erz. a. d. Ries 3, 5; aus gerstenmehl: NICLAS V. WYLE transl. 267 K.; in besserer ausführung: zelto, dat. zelten, art kuchen SCHMELLER cimbr. wb. 244a; zelta flacher kuchen, brotfladen TOBLER appenz. 454a; zelte, f., ein kleineres, luftiges backwerk mit und ohne füllung HUNZIKER 308; solche füllung besteht aus gedörrtem obst, nüssen, feigen u. dgl. und ist sehr beliebt:

ziwêben, mándl, feign tean s in die zelten drein
volksschausp. in Bayern u. österr. 301 Hartm.;

von dieser art ist der in den Alpen herkömmlich gebackene weihnachtzelten, s. SCHMELLER-FR. 2, 1119, SCHÖPF tirol. 827, LEXER kärnt. 264; nach der zuthat werden unterschieden:

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apfel-, birn-, hutzel-, zwetschgenzelten u. a.: SCHMELLER-FR., H. FISCHER; vexierfüllungen: gesta Roman. 95 K.; den brauch des anschneidens des weihnachtzeltens schildert SCHMELLER-FR. 2, 1119, auch von PICHLER gesch. aus Tirol 2, 40 erwähnt; heischegänge der kinder am tage der unschuldigen kindlein (28. dez.): H. FISCHER 6, 1118; andere gebräuche: SCHMELLER-FR. 2, 1119. diese deuten auf magische grundlage, u. a. auf die opfergabe an dämonen: allgäuisch birnzelten, augsburgisch klausenzelten, s. HÖFLER zs. ver. f. volkskde 12, 84 und M. HEYNE hausalt. 3, 195; vgl. die einsetzung für antike opferbrote: als … die zelten (oâlàcutai 3, 445) geopffert waren SCHAIDENREISZER Od. 13a; ein wenig kuchlein oder zelten opfern FRÖLICH Stob. 234. magischem zweck diente auch der honig als ihre würze: lebzelten d. i. z. mit leb dickem honig (WESTENRIEDER 686, vgl. lebhonig der grobe, gezeidelte oder jungfernhonig ADELUNG 2 2, 1961; angelehnt an lat. libum, vgl. libum libenzelten vel lepkuoch voc. opt. 10, 127). andere würze bereits ahd.: liba, libamina pfeforceltun gloss. 2, 6356; mit kümmel bestreut:

an dem abend lattwerren, kimizelten essen
das er des hungers wol tuot vergessen
d. teufels netz 1026;

b) als confect, wie solches zuerst in den nonnenklöstern hergestellt und vom volk gern übernommen wurde: airzältlin (Augsburg) chron. d. st. 25, 18; man pecht ein zeltlin mit ain ayertotter und ainer halben muscatnusz auf einer herten hertstatt BIRLINGER augsb. wb. 438a; tortellus ein zeltlin gemma gemm. C 4a; trochiscus, pastillus, rotula zltelein FRISCHLIN (1586) 122b; morsellen, kƒchlein, zltlein teutsch. sprachverderb. 35; vgl.: trochisci saccharati zuckerzelten, morsellen STIELER 917; eclegma linctus dicitur, fit linguendi gratia (zum lecken), non edendi neque devorandi zeltlin PINICIANUS (1516) G 1c; confect … uberzogen samen oder gewƒrtz. zeltel, tfel ROTH dict. (1572) D 4b; mache darausz zeltlin oder gleich einem martzapan J. BEHM artzneib. 64; der zuckerbacher … bedienet sich der blech, die scheifelein oder zeltlein darauf zu gieszen A. A S. CLARA etw. f. alle 2, 786; zeltlein … kƒchlein, schuflein KRAMER teutsch.-it. 2, 1443b; nimm … 4 zeltel chokolade B. HIKMANN wien. kochbuch (1808) 50; zelteln als bonbons: KARMARSCH-H. techn. wb. 3 2, 240; zeltchen, auch zuckerln genannt ebda; unflätiges angebot: auf dem roszmist, da hast du schon rauchzeltle genug, so dich nichts kosten M. ABELE V. LILIENBERG künstl. unordnung 4; zeltchen runde plätzchen von zucker und einem ätherischen öle, am bekanntesten die pfefferminzküchelchen KRÜNITZ 241, 161; zeltl viereckige, längliche oder rundliche pastillen, z. b. chokolad-, prominzen (pfeffermünz-)zeltln HÜGEL Wien. dial. 194a; c) als heilmittel, insofern die z. als cultgebäck zu heilzwecken tauglich erscheinen muszten: so man gleich schlaffen will gehen, so leg den rosenzelten … auff den kopff GÄBELKOVER arzneib. 1, 64; SEUTER hippiatria 35; zum liebeszauber: WIDMANN Faust 408 K; gewöhnlich ist diese bedeutung der arznei der diminutivform vorbehalten: mach daraus ein electuarium (latwerge) und gib sein alletag dem menschen ein zeltellein zu essen nüchtern ORTOLF V. BAYRLAND arzneib. 30b; dasz dabei eine gröszenminderung bis zur gestalt der pastillen und pillen erreicht wurde, lehrt: nim haselwurtzpletter … lauter geluterten honig … mach darnach kleine z…ltelin eyner haselnusz grosz draus SEBIZ feldb. 158; vermisch darzu (zur seife) … sandel, gestoszene rosen …, seeblumen …, campher …, formiere kƒglein oder zeltlin WIRSUNG arzneib. (1588) 34c; GÄBELKOVER arzneib. 1, 17; SEUTER hippiatria 35; 165; PARACELSUS op. (1616) 1, 690c H.; zeltlein fƒr den b‚sen lufft V. HOHBERG georg. 1, 247; 1, 235; so vielfach obd. als mittel in haus- und officiellen apotheken; s. auch Noel Chomel 1, 718; ADELUNG 2 4, 1682; besondere bezeichnung von hausmitteln als anis-, brust-, husten-, purgier-, wurmzelteln SCHMELLER-FR. 2, 1119, ferner H. FISCHER 6, 1119, HÜGEL 194a, sodann kirchlich geweihter Agatha-, Erhard-, Tolentin-, Blasius-, Sebastianzeltlein HÖFLER zs. ver. volksk. 12, 85, SCHMELLER-FR.; man hat … in der apothecken gewisse zeltel, die da manus Christi … genennet werden A. A S. CLARA mercks Wien 46; mahn-Christzeltlein französ. Simpliciss. (1683)

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1, 48; zeltchen: J. LIEBIG hdb. d. chemie 138; auch von der hostie: du t‚rin, glaubst du, das disz zeldtlin protes gott ist? offenb. d. Birgitte (1502) 4, 61; vgl. H. FISCHER 6, 1119;

  1. ein breiter, flacher, fladenartiger gegenstand, a) eine miszrathene mehlspeise: UNGER-KH. 647b; ebenso SCHMELLER-FR. 2, 1118; ebda 1119 impzelten stück der honigwabe; b) futterkuchen: ölzelten (aus leinsamen) LORITZA id. vienn. 146b; linsatzelte LEXER kärnt. 264; MARTINY wb. d. milchwirtsch. 140; c) mit verzicht auf den begriff der bestimmung fürs essen, a) zusammengeklebte und -gepresste weiche massen: dasz … ausz meinem hemmet, zerhawnen fleisch und underloffnem blut ein zelten worden GUARINONIUS grewel d. verwüst. 246; die volksthümliche bair. rda. etwas, jem. zu einem zelten derdrucken, schlagen SCHMELLER-FR. 2, 1118 tritt schon bei OSWALD V. WOLKENSTEIN entgegen:

wie hastu nu erzaust
die kind zu ainem zelten?
107, 57 Sch.;

dasz … sie (die bauernbuben) mich unfehlbar zu einem zelten zerquetschet und zertretten htten französ. Simpliciss. (1683) 6, 247; zusammengeklebtes kleines stück heu, stroh, laub: H. FISCHER; welchen (eselskot) sie mit erden im wasser zerrƒhren, zu zelten formiren und d‚rren und anstatt des holtzes zum feuren brauchen tƒrckischer vagant (1683) 134; lohzelten aus benutzter gerberlohe in kuchenform: SCHMELLER-FR. 2, 1119; b) gepresste erde und gegossene erze:

grôze zelten von silber wîz
Haupts zs. 5, 288;

zog herfƒr einen groszen zelten golds (grandem auri massam) geschwenck Bebelii r 2; ROTH dict. K 4b; s. zeltenschlag und vgl.: gypszeltlein, durch den trichter gemacht, die den schein von dragéen haben GÖTHE 32, 247 W.; entsprechend beim dim.: gewöhnlich kommt er (carminlack) in gestalt spitziger zeltchen … zum handel SCHEDEL warenlex. 1, 230; OKEN allg. natg. 1, 214. –
ZELTENBROT, n., laibchen aus dem teigrest beim brotbacken: LEXER 3, 1056; H. FISCHER 6, 1119._

Gruß Fritz

Hallo Fritz,

die Statistik stimmt nicht ganz: Zwar war ich guten Willens und öffnete dein Posting, aber…ich habe es nicht gelesen!

Also: Gelesen x mal minus 1 x

Herzliche Grüße
Karin

PS: Liest du eigentlich deine Emails?

Aaaaaachso… Vielen Dank, Fritz! (mG & owT)
.

Das Fleischpfanzerl!(kein Tippfehler)
Hallo Fritz und alle anderen Diskussionsteilnehmer.
Hier noch eine Ergänzung.
Ich wollte bei der Diskussion in den letzten Tagen über die ‚Frikadelle‘ keine Lawine lostreten und einige ‚Berufsbayern‘ provozieren. Vor einigen Jahren gab es hier im Münchner Raum in der Presse eine Diskussion, ausgelöst von Etymologen über den Begriff ‚Fleischpflanzerl‘ mit ‚pfl‘. Man benutzte die gleiche Argumentation wie sie jetzt bei Fritz zu lesen ist, berief sich auf Adelung und Schmeller und sagte daß es richtig ‚Pfanzerl‘ von ‚Pfannzelten‘, also ‚in der Pfanne gebacken‘ heißen müßte. Man vermutete sofort einen preußischen Unfug, aber einige Leute aus dem Oberland erinnerten sich, daß die Großeltern das so genannt hätten. Darauf haben dann einige traditionsbewußte, bairische Köche und Wirte, nicht nur der Oberklasse, die ‚Fleischpfanzerl‘ in die Speisenkarte übernommen. Das findet man noch bis heute. Der allgemeine Sprachgebrauch ist aber meistens beim Pflanzerl geblieben. Interessant ist auch, daß der Begriff Pflanzerl in einigen Gegenden für etwas Großes, Voluminöses verwendet wird. Zum Beispiel eine große schwarze Regenwolke, eine große Beule am Kopf o.ä.
Das nur zur Ergänzung.
Mir freundlichen Grüßen
Alexander Berresheim

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Pflanzl!
Hallo Fritz und alle,

ehemals Volontär bei der bairischsten (sic!) aller Zeitungen, wurde ich darauf
gebimst, dass es Pflanzl heißen muss und nicht Pflanzerl. Das liegt dann immerhin
etwas näher am Pfannzelten …
Gruß
Bolo