Fluchtgeschwindigkeit senkrecht in den "Himmel"

Liebe/-r Experte/-in,

Meine Frage ist wahrscheinlich gar nicht so schwierig, ich hab im Moment einfach ein Brett vorm Kopf.

Es geht um die Fluchtgeschwindigkeit auf der Erde. Diese ist ja bekanntlich vmin = wurzel(GM/R).

Bei der Herleitung dieser Formel stellt man ja die Gewichtskraft mit der Zentripetalkraft gleich.
Hier bei ist die Geschwindigkeit aber senkrecht zur Zentripetalkraft, das heisst, wenn ich mit meinem Auto mit der obigen Geschwindigkeit vmin losfahre, beginne ich zu fliegen und lande im All.

Was nun aber, wenn ich einen Gegenstand in die Luft werfe? Ist in diese Richtung die Fluchtgeschwindigkeit die gleiche wie in waagrechter Richtung?

Intuitiv wurde ich sagen, dass sie etwas kleiner sein kann.
Oder müsste dazu die Antriebsbeschleunigung einfach grösser als g = 9.82 m/s^2 sein? Oder a®=GM/r^2, mir r als Abstand zum Erdmittelpunkt?

Wäre dankbar für einen kleinen rechnerischen Input!

Mit gutem Gruss
Thierry

Die Frage ist, mit welcher Geschwindigkeit eine Gewehrkugel bei Vernachlässigung des Luftwiderstands vertikal nach oben geschossen werden müsste, so dass sie „im Unendlichen“ zur Ruhe kommt. Bezogen auf einen solchen unendlich weit entfernten Punkt wäre dann ihre Gesamtenergie als Summe aus potentieller und kinetischer Energie gleich Null.

Die potentielle Energie im radialen Gravitationsfeld ist E_pot® = - G*M*m/r, wobei G die Gravitationskonstante, M die Erdmasse, m die Masse des Probekörpers und r den Abstand vom Erdmittelpunkt bedeutet. Das negative Vorzeichen resultiert aus der Anziehung, das heißt, man muss Arbeit verrichten, wenn man den Körper hebt und damit den Radius vergrößert.

Die Normfallbeschleunigung („Ortsfaktor“) g ist gegeben durch g = G*M/R² mit dem Erdradius R, damit beträgt die potentielle Energie an der Erdoberflöche E_pot® = - g*m*R.

Stellt man sich nun vor, dass ein Körper aus dem Unendlichen (E_pot = E_kin = 0) bis auf die Erdoberfläche fällt, so muss dort seine kinetische Energie betragsmäßig gleich der potentiellen Energie sein: m/2*v²=g*m*R v = sqrt(2*g*R). Mit g=9,81m/s² und R=6370km erhalte ich eine Geschwindigkeit von 11,2 km/s, das ist die sog. zweite kosmische Geschwindigkeit. Mit dieser Geschwindigkeit könnte ein von der Erdoberfläche vertikal abgeschossenes Projektil das Gravitationsfeld der Erde gerade überwinden.

Der Ansatz über das Gleichsetzen von Gewichts- und Zentripetalkraft führt auf eine erdnahe Kreisbahn, bei der das Gravitationsfeld jedoch nicht überwunden wird. Die dazu nötige Geschwindigkeit von „nur“ 7,9 km/s heißt erste kosmische Geschwindigkeit.

Hallo Physitux

Ach diese verflixte potentielle Energie, die kommt mir nie in den Sinn!

Danke für deine Antwort, so ist mir alles klar.

Viele Grüsse
Thierry

Hallo Thierry,

Die Richtung spielt bei der Bestimmung der Fluchtgeschwindigkeit keine Rolle. Streng genommen setzt man nämlich nicht die Kräfte gleich sondern die Energien. D.h. kinetische Energie (1/2 m v^2) muss gleich oder größer der potentiellen Energie (G m M/r) sein. Nur dann kann man das Gravitationsfeld verlassen. Energien sind keine vektoriellen Größen, d.h. sie haben keine Richtung. Daher spielt die Abwurfrichtung keine Rolle.

Ich hoffe das hilft. Nun viel Spaß beim werfen!
Bruno

Hallo Thierry,

für eine senkrechte Flucht von der Erde brauchst du eine Geschwindigkeit von
v_senkrecht = Wurzel(2*G*M/R)
G: Gravitationskonstante
M: Masse der Erde
R: Radius der Erde.

Das errechnet sich über das Integral über die Gewichtskraft F=G*M*m/r^2 über den Weg von R bis unendlich.
Diese benötigte Fluchtenergie muss man dann nur noch gleich 1/2*m*v_senkrecht^2 setzen und nach v_senkrecht auflösen.

unendlich
/
|G*M*m/r^2 *dr = 1/2*m*v_senkrecht^2
/
0

=> v_senkrecht= Wurzel(2*G*M/R)


Anders verhält es sich, wenn du mit dem Auto waagerecht auf der Erde fährst. Wenn wir mal die Erdrotation, die Atmosphäre und die Reibung vernachlässigen hast du gerade bei v_waagerecht eine Fliehkraft erreicht, die der Gravitationskraft entspricht:

m*g=m*v_waagerecht^2/R

für g=9.81 kann man auch schreiben:
g=G*M/R^2

aufgelöst nach v_waagerecht gibt das:

v_waagerecht = Wurzel(G*M/R)

Dies ist gerade um einen Faktor 1.4 kleiner als v_senkrecht.
Du wärst damit schwerelos, würdest aber sicher nicht bis ins Unendliche fliegen sondern auf einer Rotationsbahn um die Erde bleiben. Ganz einfach aus dem folgenden Grund:
Bis ins unendliche brauchst du immer die selbe Energie, egal auf welchem Weg. Andernfalls könntest du auf dem Hin- und Rückweg ja Energie gewinnen.
Du würdest vermutlich auf eine recht komplizierte (elliptische?) Bahn um die Erde gelangen. Aber weiter kommst du damit nicht. Insbesondere, da du ja nicht noch weiter beschleunigen kannst :wink:

Ich hoffe ich konnte dir helfen!?
Gruß
Martin

Hallo, Thierry!

Bevor ich das Rad neu erfinde, lies einfach:

http://de.wikipedia.org/wiki/Kosmische_Geschwindigke…

Was Du suchst, ist gerade der Unterschied zwischen der Ersten und Zweiten Kosmischen Geschwindigkeit (wobei sowohl Wikipedia als auch ich die Zweite als Fluchgeschwindigkeit bezeichnen).

Wenn Du mehr Hilfe brauchst, meld Dich einfach!

Sönke

Hi Thierry,

prinzipiell betrachtet man hier die Gravitationskraft und die Zentripetalkraft. Beide Kräfte verlaufen auf einer Linie durch den Erdmittelpunkt und sind somit Radialsymmetrisch. Jedoch haben sie einen entgegengesetzen Richtungssinn.

Dabei sorgt die Zentripetalkraft, dass ein Körper sich auf einer Kreisbahn bewegt, wodurch die Beschleunigung/Kraft senkrecht zur Geschwindigkeit steht.

Wenn du jetzt auf der Erdoberfläche eine gewisse Geschwinigkeit hast, dann solltest du abheben. Aber die Geschwindigkeit liegt bei etwa 2% der Lichtgeschwinigkeit. Das ist schon verdammt schnell! Also Autos sind verglichen dazu deutlich langsamer.

So drücken sich Flugzeugen mittels ihrer Flügel quasi vom Boden ab. Die Beschleunigung der Flugzeuge dient also nur, um eine Kraft zu konstruieren, die der Gewichtskraft entgegenwirkt.

Ist nun die Kraft / Beschleunigung (Newtonsches Axion : Kraft = Masse * Beschleunigung) vom Erdmittelpunkt so gerichtet, dass sie der Erdanziehungskraft entgegen wirkt.

Ist das jetzt einigermaßen nachvollziehbar? wenn nicht, bitte immer weiter fragen :wink:

Wenn eine Rakete senkrecht in das All gesendet wird muß diese auch nur die Erdanziehungskraft überwinden. Diese Rakete erreicht aber doch einen immer größeren Abstand zum Erdmittelpunkt, so dass diese letztendlich auch tangential fliegt

Ich sollte vielleicht noch hinzu fügen dass die Rechnung nur für den Idealfall gilt, d.h. bei null Luftwiderstand. Es ist also wirklich nur die Energie die man haben muss um die entsprechende höhe zu erreichen.
In der Realität muss man dann noch den Luftwiderstand dazu nehmen und dann ist es in der Tat so dass ein Gegenstand der senkrecht nach oben abgeworfen wird eine kürzere Strecke durch die Atmosphere zurücklegen muss als einer der in einem Winkel abgeworfen wird. Somit ist die benötigte Geschwindigkeit geringer.
Viele Grüße