Nicht wirklich. Menschenrechte basieren auf dem unbeweisbaren Axiom, dass alle Menschen gleiche Grundrechte haben. Dieses Axiom ist philosophisch, nicht moralisch. Keine Person darf aus dieser Sicht beanspruchen, aufgrund einer vermeintlichen ´höheren Geburt´ oder eines höheren sozialen
Status oder eines vermeintlich ´höheren´ religiösen Status (z.B. König ´von
Gottes Gnaden´, Papst, Bischöfe) oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer ´höheren´ Rasse die von der Verfassung garantierten Rechte anderer Personen zu beschneiden. Das hat gar nichts mit Moral zu tun, aber viel mit philosophischer Ethik.
In Bezug auf Menschenrecht tritt Moral als Faktor erst in Erscheinung,
wenn es um die Gestaltung der Formen des menschlichen Miteinander auf der
Grundlage der Menschenrechte geht. Z.B. ist Vergewaltigung aus menschenrechtlicher
Sicht nicht unmoralisch, weil sie unmoralisch ist, sondern weil sie gegen das
menschenrechtliche Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung verstößt. Daraus
folgt, dass manche sexuellen Verhaltensweisen wie z.B. Fremdgehen nicht
unmoralisch sind, da sie gegen kein Grundrecht verstoßen. Aus dem gleichen
Grund ist auch Homosexualität nicht unmoralisch, sondern ihre juristische
Verfolgung.
(1)
Es gibt kein ´moralisches Recht´. Ein
solches könnte nur Sinn machen im komplementären Verhältnis zur moralischen
Pflicht. Hat eine Person X das moralische Recht, von einer Person Y zu
verlangen, keine sadistischen Handlungen gegen X auszuüben? Es könnte so
aussehen, da Person Y unbestritten die moralische Pflicht hat, sadistische
Handlungen gegen X zu unterlassen. Bedeutet das automatisch, dass X auf diese
Unterlassung ein Recht hat und dass gerade dieses Recht des X die moralische
Pflicht bei Y begründet? Nein. Denn daraus würde folgen, dass eine moralische
Pflicht nur gegenüber Subjekten besteht, die ein moralisches Recht beanspruchen
können. Zweifellos besteht für Menschen auch eine moralische Pflicht gegenüber
Tieren, sadistische Handlungen zu unterlassen. Begründet das die Annahme, Tiere
hätten moralische Rechte? Wohl kaum. Also gibt es moralische Pflichten ohne
moralrechtliches Pendant, was die Annahme von moralischen Rechten überhaupt
überflüssig macht. Als Begründung für eine moralische Pflicht reicht hier das
Mitgefühl mit anderen Lebewesen, das erfordert, ihnen nicht unnötig Schmerzen
zu bereiten. Mehr noch: Hätten Tiere wirklich ´moralische Rechte´, wo bleiben
diese dann in den Schlachthöfen? Man kann doch nicht sagen: In diesem Punkt
haben sie Rechte und in jenem nicht. Das wäre unlogisch.
(2)
Rechte sind nie „subjektiv“, sondern bezogen
auf eine Gruppe und deren Mitglieder objektiv definiert, entweder als
geschriebenes oder als ungeschriebenes Recht. Wären Rechte subjektiv, könnte
jeder sein privates Recht erfinden, was ein Rückfall in das Faustrecht wäre,
also das Recht des Stärkeren, welches kein ´moralisches´ Recht ist. Moral dient
– ihrem Anspruch nach - der Gemeinschaft, das Recht des Stärkeren aber nicht.
Ein ziemlicher Insalata mista, den du da
präsentierst. Menschenrechte sind nicht „moralisch subjektiv“, sondern die
Basis bzw. die Grundkoordinaten einer moralischen Ordnung.
Das Moralthema ist in Bezug auf die
Flüchtlingskrise sehr komplex. Diese Krise hat Aspekte, die nur schwer oder
vielleicht auch unmöglich unter einen Hut zu bringen sind. Zunächst einmal ist
klarzustellen, dass nur ein Teil der ´Flüchtlinge´ wirklich vor etwas geflohen
ist. Zudem erinnere ich an die Sex-Exzesse in Köln. Die betroffenen (und vor
allem die vergewaltigten) Frauen hätten wahrscheinlich Mühe, nachzuvollziehen,
dass es eine moralische Pflicht war, ihre Peiniger ins Land zu lassen. Ebenso kann
es keine moralische Pflicht sein, Tausende oder Zehntausende von Personen in
ein Land aufzunehmen, dessen demokratischen und ethischen Werten diese Personen von vornherein feindlich gegenüberstehen, was man ´Verfassungsfeindlichkeit´ nennt. Man kann sich auch nicht darauf hinausreden, dass man vorher nicht wissen konnte, dass sich die Dinge so entwickeln. Natürlich konnte man das vorher wissen, es gab warnende Stimmen zuhauf.
Hier ist ein Gedankenspiel:
Angenommen, man hätte (per Kristallkugel oder wie auch immer) vor der großen Immigrationswelle 2015/16 schon gewusst, welche Gewalttaten von immigrierten Flüchtlingen verübt würden. Würdest du dann
sagen: „Die verübten Gewalttaten und daraus entstandenen Leiden der Opfer sind
zu unbedeutend, um eine Rechtfertigung für die Abweisung aller Flüchtlinge darzustellen“?
Wenn ja: Das könntest du doch nur aus der
Warte eines von jenen Gewalttaten Nichtbetroffenen sagen. Aus der Warte eines
Betroffenen würdest du das – aufrichtigerweise – nicht sagen, da bin ich mir
sicher.
Aber du bist anscheinend nicht betroffen. Deine unkritisch positive Haltung zum Flüchtlingsphänomen verdankt sich also nur dem Zufall, dass du zu den Nichtbetroffenen gehörst, nach dem Motto „Hauptsache, mir geht’s gut“.