Flugzeugabsturz AF447 1. Juni 2009

Flugzeugabsturz AF447 1. Juni 2009

In den Berichten ist zu lesen, das das Flugzeug in eine Unwetterfront gekommen ist.
Es soll an Geschwindigkeit verloren haben, weshalb es der PF nach oben gezogen hat.
Nun meine Frage: warum hat er es nicht etwas weiter nach unten gesteuert, um in einer geringeren Höhe und unter dem Unwetter weiterzufliegen? Auch wurde von der Vereisung der Geschwindigkeitsanzeige berichtet, weshalb es zu technischen Ausfällen kam; weiter unten wäre es doch auch wärmer gewesen und die Sensoren hätten auftauen können??

Ich bin für jede aufklärende Antwort mega dankbar!!!

Hallo,

wir reden hier über Gewitterfronten in Äquatornähe. Höhe bis zu 12km. Im Zentrum des Gewitters Auf- und Abwinde mit bis zu 30 Meter/Sekunde, nach oben hin abnehmend.

Zum Auftauen hätte die Maschine schätzungsweise auf 4000m (0° Grenze) sinken müssen. Selbst wenn die Flügel in den Turbulenzen nicht die Ohren angelegt hätten, dann hätten die Hühnerei-großen Hagelkörner hässliche Dellen hinterlassen und die Pitotrohre vermutlich ganz abgerissen.

Die Pitotrohre für den Fahrtmesser sind bei Maschinen dieser Klasse beheizbar, die Heizung hat es nur in diesem Fall nicht ganz geschafft.

Die Lufthansa lässt an ihren Airbus die Rohre verschiedener Hersteller mischen um einen konstruktionsbedingten Ausfall aller Rohre zu umgehen. Die Franzosen sind hier nationalistischer und haben nur die Rohre des französischen Herstellers verbaut…

Generell muss man schon feststellen, dass die Piloten mit der Wahl der Flugroute zwischen zwei Gewitterfronten hindurch (die sich dann vereinigt hatten) schon mal ein großes Risiko eingegangen sind.

Viele Grüße
Lumpi

Moin,

Gewitter werden generell IMMER mit einem Abstand von mindestens 25 NM umflogen. Alternativ kann man auch oben drüber fliegen - wenn man die vertikale Ausdehnung des Gewitters kennt und seeeehr vorsichtig agiert. Ausreichend Abstand ist auch hier das A und O.

Man kann also nur hoffen am Gewitter vorbei oder drüber hinweg zu kommen. Wenn nun aber eine ganze Squall line wie eine Wand vor einem steht ist guter Rat teuer weil ein Umfliegen irgendwann zu langwierig wird und um drüber zu kommen muss der Flieger hoch genug steigen können - das geht nicht immer.

Im Zweifel muss man auf besseres Wetter warten, aber NIEMALS wird man wissentlich in ein Gewitter hinein oder zu nahe dran fliegen. Dort fliegen Hagelkörner groß wie Wassermelonen drin herum, es gibt Blitze und extreme Windbewegungen. In ein Gewitter zu fliegen ist lebensgefährlich.

Im Falle der AF ist zu bedenken, dass der Flieger durch die Innertropische Konvergenzzone ITC stoßen musste. In der Nähe des Äquators gibt es eine sehr heftige Gewitterentwicklung mit sehr hoch aufragenden Gewittern.

Ich kenne die konkreten Wetterdaten des AF-Fluges nicht und kann die Idee, durch eine Lücke zwischen den CBs zu stoßen, daher nicht bewerten. Man darf eigentlich davon ausgehen, dass die AF-Piloten in der Lage sind richtige Entscheidungen zu treffen, es wäre Spekulation ihnen Fehlverhalten an dieser Stelle vorzuwerfen.
Aber es gibt immer nur die Möglichkeiten: am Gewitter vorbei, oben drüber oder zwischenlanden und warten bis der Weg frei ist…

Bisher ist noch sehr unklar warum die Piloten der AF in dem Moment, als sich das Problem manifestierte, so reagiert haben, wie sie reagiert haben. Manche der protokollierten Handlungen ergeben bisher noch keinen wirklichen Sinn. So haben sie das Flugzeug trotz lange anhaltender Stall warning mit 7000 ft nach oben gezogen, bei vermutlich funktionierendem Höhenmesser und Variometer - das konnte nicht lange gut gehen. Andererseits fragt man sich, wie ausgebildete Piloten einen so blöden Fehler machen können und ob ein so einfaches Versagen tatsächlich stattgefunden haben kann. Vielleicht gab es weitere Faktoren, die man bisher noch nicht gefunden hat, die das Verhalten erklären werden…

Gruß,

MecFleih

Hallo,

Generell muss man schon feststellen, dass die Piloten mit der
Wahl der Flugroute zwischen zwei Gewitterfronten hindurch (die
sich dann vereinigt hatten) schon mal ein großes Risiko
eingegangen sind.

Ich habe den Eindruck dass man meint, alles beherrschen zu können und die Gefahren der Natur immer mehr unterschätzt.

Gruß:
Manni

Frage
Hallo,

mal angenommen es fallen tatsächlich alle instrumente aus (und draussen dunkel). gibt es dann noch möglichkeiten festzustellen wie hoch man *ungefähr* fliegt.
ich meine in so einer situation ist es unerheblich ob man 8,9 oder 10.000 m hoch fliegt, aber erheblich ob man 3.000m hat und 10.000m glaubt.
so einen „absturz“ müsste man doch am kabinendruck erkennen?

Hallo,

mal angenommen es fallen tatsächlich alle instrumente aus

Das ist nicht sehr wahrscheinlich weil alle wesentlichen Systeme redundant (mehrfach vorhanden und unabhängig voneinander) sind. Man kann davon ausgehen, dass bei einem Fehler im Primärsystem immer das Sekundär- oder Tertiärsystem einspringt oder aktiviert werden kann. Sogar eine gegenseitige Kontrolle der Backups ist damit oft noch gegeben.

Die Gefahr droht daher von einer anderen Seite her: zum einen müssen die Menschen aus der Fülle an Daten und Meldungen die Richtigen herausfiltern und dann auch richtig damit arbeiten. Bei selektiver Wahrnehmung, Tunnelblick (nicht nur optisch sondern ggf. auch im Denken) oder unter dem Einfluss von Stress in einer solchen Situation passiert es leicht, dass allzu schnell eine falsche Annahme gefasst wird und ab da keine permanente Offenheit zur Neubewertung der Situation mehr besteht, sondern man sich nur noch auf die für sich festgestellte Problematik konzentriert. Dagegen sollen zwar bestimmte Programme der Entscheidungsfindung, das Einhalten von Checklisten oder Umgangsformen innerhalb der Crew helfen. Aber das kann halt trotzdem noch schief gehen wenn alle im Dunklen tappen oder gemeinsam einer falschen Fährte folgen.

Zum anderen spielt die Mensch-Maschine-Schnittstelle eine wichtige Rolle. Gerade bei den modernen Airbussen wurde anfangs ganz vehement, inzwischen ein klein wenig dezenter (im Prinzip aber immer noch) darauf hingewirkt, dass Piloten bei Problemen möglichst „Computerhilfe“ in Anspruch nehmen. Etwas überspitzt ausgedrückt „püsch büttong“, die französische Airbus-Variante von „push button“, ist ein geflügeltes Wort geworden. Man wollte den Piloten lange weis machen, dass man meist nur auf ein Knöpfchen drücken muss - und dann macht der Flieger fast alles alleine und dazu auch noch schneller, präziser, emotionslos und fehlerfreier als jeder menschliche Pilot. Außerdem schaffe man so Raum und freie Geisteskapazität für Fehleranalysen, Kommunikation und andere Notwendigkeiten.

Die Praxis hat in den vergangenen 20 Jahren aber oft gezeigt, dass auch ein Airbus eben nicht von dressierten Affen geflogen werden kann, denen man nur beibringt auf den Knopf zu drücken. Vielmehr muss man auch in Fly-by-wire-Airbussen jederzeit mitdenken und auf der Höhe sein in welchem Modus die Computer gerade sind und was sie tun.

Wenn sich dann Meldungen widersprechen oder wenn ein technisch fast perfektes System anders programmiert ist als ein Mensch denkt, kommt es eben doch auf die Fähigkeiten eines sehr guten Piloten an.
Im Falle der Air France gab es beispielsweise über einen längeren Zeitraum hinweg eine Stall warning. Kurz vor dem Aufschlag erlosch diese - aber nicht weil das Flugzeug tatsächlich nicht mehr im Stall war, sondern weil die Geschwindigkeit zu diesem Zeitpunkt so niedrig geworden war, dass der Computer der Meinung war, das Flugzeug könne angesichts dieses Tempos unmöglich noch fliegen, somit also auch nicht in einem Stall sein.

Auch wenn das zu dem Zeitpunkt nichts mehr geändert hätte weil es da eh schon zu spät war, so offenbart dieses Beispiel doch ein grundsätzliches Problem: wenn die Programmierung unzureichend ist kann es passieren, dass Piloten mit unsinnigen oder falschen Medlungen konfrontiert werden. GIGO (Garbage in, Garbage out) - wenn die Eingaben oder die Steuerprogramme Schwächen haben werden auch die Ergebnisse mangelhaft sein. Natürlich hat man alle bisher denkbaren - und in der Praxis aus Jahrzehnten Erfahrung gesammelten - Erkenntnisse berücksichtigt. Aber wer garantiert, dass nicht individuelle Umstände, die sich bei jedem Flug neu aus diversen Faktoren zusammensetzen, zu einer bisher nie bedachten Situation führen? Auf die die Software dann nicht adäquat reagiert…

Wesentlich wahrscheinlicher sind natürlich Human factors, 90% aller Flugunfälle sind heute auf menschliches Versagen zurückzuführen. Die Technik ist ausgereift. Nur wenn jemand die komplexe Technik falsch bedient oder falsch interpretiert ist halt auch die Frage wie man das bewertet. Dann ist das zwar ein menschlicher Fehler, aber man kann eben auch nie von menschlicher Perfektion ausgehen und muss immer annehmen, dass kein Fehler zu dumm ist um gemacht zu werden.

gibt es dann noch möglichkeiten
festzustellen wie hoch man *ungefähr* fliegt.
ich meine in so einer situation ist es unerheblich ob man 8,9
oder 10.000 m hoch fliegt, aber erheblich ob man 3.000m hat
und 10.000m glaubt.
so einen „absturz“ müsste man doch am kabinendruck erkennen?

Laut den bisherigen Erkenntnissen funktionierten bei der AF sowohl die Höhenmesser als auch die Variometer. Sollte es dabei bleiben wäre das Problem nicht gewesen, dass man sich im Cockpit nicht über die Höhe und Steig/Sinkraten im Klaren sein könnte, sondern diese Angaben waren da. Man hat aber wohl mit anderen Problemen gekämpft.

Ansonsten ist es aber unter dem von dir angesprochenen Aspekt unerheblich ob man x oder y Meter hoch ist. Die Piloten müssen ja so oder so versuchen das Flugzeug zu stabilisieren, und sie werden das nicht mehr oder weniger intensiv versuchen nur weil man auf einer anderen Höhe ist. Die Dringlichkeit ist auf 500 Metern genauso groß wie auf 5000 Metern Flughöhe. Außer einem größeren Panikfaktor hat es aber keine große Relevanz, das Flugzeug wieder in den griff zu kriegen wird man auf jeder Höhe versuchen.

Gruß,

MecFleih

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