Folgefehler

Hallo,
Folgefehler-Diskussionen sind an vielen Schulen an der Tagesordnung.

Wie würdet ihr in folgendem konstruierten Fall entscheiden?

In einer weiterführenden Schule im technischen Bereich soll ein Portalkran dimensioniert werden, der einen mit flüssigem Eisen gefüllten Behälter von A nach B transportieren soll.

Der Schüler rechnet das Volumen des Behälters im m³ richtig aus, setzt die Dichte des Eisens mit 7,8 g/cm³ ein und vergisst aber, dass da cm³ und m² stehen. Folglich ist die Masse um den Faktor 1000 zu klein berechnet. Das ist natürlich falsch!

Im Folgenden muss er das Stahlseil berechnen, welches den Behälter zu tragen hat. Natürlich kommt dabei nur noch ein Seil mit 1 - 2 mm Durchmesser heraus.

Die Berechnung wird mit dem ursprünglichen Fehler fortgeführt und die I- und IPB-Träger sind dann nur noch 2 cm hoch usw. usw. Die Kugellager haben 10 bis 12 mm Durchmesser.

Frage: Würdet ihr in dem Fall, wo die Ergebnisse „jenseits allem technischen Verständnis liegen“, Folgefehler geben? Der Schüler meint natürlich, er habe nur „einen einzigen“ Fehler gemacht, demnach stehe ihm eine „1“ zu. Die Lehrer sehen das z. T. anders. Manche argumentieren: „In der Praxis würde das Menschenleben kosten, folglich keine Punkte“, andere sagen: „Der Rechenweg ist ja richtig, also nur einen Punkt Abzug, folglich gäbe es eine 1“. Wider andere sagen: „Ich würde ihm die hälfte der Punkte geben“

Bin gespannt, wie ihr argumentiert.

Danke
Slides

Moin,

Bildung ist Ländersache, also Bundesland ist eine wichtige Info, „weiterführende Schule“ ist für mich zu schwammig, diese Begriffe werden überall anders genutzt, konkretisier das mal.

Denken wir mal an die extravaganten Dachkonstruktionen, die in den letzten Jahren so eingestürzt sind, hm, ich wäre ungerne darunter gewesen, mich hätte es auch nicht getröstet, wenn der Statiker sich nur einmal vertan hat.

Wenn die Ergebnisse nicht auf ihre Plausibiltät geprüft werden, sollten 0 Punkte herauskommen.

Dieser Standpunkt ist aber auch gefährlich, wirklich gefährlich sind ja die „fast richtigen“ Ergebnisse, denen man die Fehlerhaftigkeit nicht ansieht.

Im Bsp. hätte sehr wahrscheinlich eine Fa., die jetzt den Kran bauen soll, gestutzt und nachgefragt.

Da dieser Fehler leicht abzustellen ist, könnte ich mich noch zu einem „ausreichend“ durchringen.

Eine „eins“ kommt überhaupt nicht infrage!

Eine schöne Weihnachtszeit.

Gruß Volker

Hallo Volker,
zunächst mal vielen Dank!
Ich denke nicht, dass die grundsätzliche Beantwortung meiner Frage davon abhängt, in welchem Bundesland der Unterricht stattfindet. Ich möchte weder in Hamburg noch in Hannover oder München von einer Herabfallenden Last begraben werden.
Weiterführende Schule bedeutet Meisterschule, Technikerschule o.ä., also eine Schule, in der sich sogenannte Fachkräfte (Gesellen), die schon mal in technischen Berufen gearbeitet haben, weiterbilden.
Von diesen erwarte ICH (persönliche Meinung), dass sie die Grundkenntnisse der Technik kennen sollten und wissen müssten, dass man größere Mengen Stahl nicht an „eine Uhrkette“ hängen kann.
Grüße
Slides

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Hallo Slides,

[…]:München von einer Herabfallenden Last begraben werden.

Ich auch nicht.

[…]:frowning:Gesellen), die schon mal in technischen Berufen gearbeitet

haben, weiterbilden.

In den letzten 10 Jahren habe ich in verschiedenen Bundesländer gearbeit, im „Westen“ aber auch im „Osten“.

Im Jahre 2008 hatte ich in Jena die Gelegenheit, ein Zusatzstudium zu absolvieren und habe - als Wessie (SH) - die Vorteile des DDR-Schulsystems kennen gelernt. Ich beziehe mich hier auf das naturwissenschafltiche und praktische Wissen, dass es politische und paramilitärische Komponenten gab, ist mir sehr wohl bewußt, ändert aber nichts am Wissen in NaWi.

Ebenso werden Begriffe oft unterschiedlich verwendet und frage deshalb jetzt immer nach, wenn ich nicht ganz sicher bin.

[…]:dass man größere Mengen Stahl nicht an „eine Uhrkette“ hängen

kann.

Nach den Zusatzinfos würde ich mich für eine „6“ entscheiden!

Zumindest bei größeren Bildungseinrichtungen gibt es doch Fachkonferenzen, dort kann man doch eine einheitliche Regelung finden. Ok, das widerspricht wieder der pädagogischen Freiheit.

Gruß Volker

Hallo,

Der Schüler rechnet das Volumen des Behälters im m³ richtig
aus, setzt die Dichte des Eisens mit 7,8 g/cm³ ein und
vergisst aber, dass da cm³ und m² stehen. Folglich ist die
Masse um den Faktor 1000 zu klein berechnet. Das ist natürlich
falsch!

Da kommt ein Strich an den Rand mit einer Bemerkung, z.B. ab hier unbrauchbar.

Dieser Fehler ist so gravierend, dass er bemerkt werden muss. Man ist hier ja 3 Größenordnungen daneben. Wir sind ja nicht in einer Bank. Deswegen kein Punkt.

Falls am Ende eine Bemerkung stehen würde, dass die erhaltenen Ergebnisse abwegig sind und irgendwo ein nicht zu findender Fehler stecken muss, dann wäre die volle Punktzahl minus einem Punkt da.

Gruß
MklMs

Der Schüler rechnet das Volumen des Behälters im m³ richtig
aus, setzt die Dichte des Eisens mit 7,8 g/cm³ ein und
vergisst aber, dass da cm³ und m² stehen. Folglich ist die
Masse um den Faktor 1000 zu klein berechnet. Das ist natürlich
falsch!

1 m³ sind aber 100³ cm³, also eine Million cm³, nicht eintausend…

Frage: Würdet ihr in dem Fall, wo die Ergebnisse „jenseits
allem technischen Verständnis liegen“, Folgefehler geben?

Wenn er in der Arbeit erkannt hat, dass das Unsinn ist, würde ich ihm einen Folgefehler anerkennen.
Ansonsten würde ich keine Punkte geben. Wenn er protestiert, kannst du ihm ja sagen, dass flüssiges Eisen mit einer Dichte von 7,8g/m³ eine geringere Dichte als Luft (oder vermutlich sogar eine geringere als alles außer Vakuum…) hat und er sicherlich den Deckel auf dem Behälter vergessen hat :wink: [oder ihn nicht umgedreht hat]
Die Dichte als g/cm³ anzugeben, ist ja recht üblich; da dürfte man wissen, welche Einheit das hat und damit auch wissen, dass man umrechnen muss.

mfg,
Ché Netzer

Hallo,

Wenn er in der Arbeit erkannt hat, dass das Unsinn ist, würde
ich ihm einen Folgefehler anerkennen.

Diese Bermerkung ist allerdings richtig, wenn in der Arbeit notiert wird, dass „irgendwo“ ein Fehler unterlaufen ist und die Zeit nicht mehr ausreichte diesen zu finden, ist es eine andere Situation als wenn das Ergebnis „einfach“ abgeliefert wird.

Gruß Volker

Hallo,

da du ja aufgeklärt hast, dass es sich dabei um Schüler handelt, die aus ihrer beruflichen Praxis ein gewisses technisches Grundverständnis mitbringen sollten, würde ich in diesem Fall ebenfalls im besten Fall die Note 4 geben. Die Relation zwischen Masse und Volumen kann man von einem ausgebildeten Gesellen meiner Ansicht nach erwarten, so dass bereits bei Berechnung der Traglast hätte auffallen müssen, dass die Werte absolut nicht plausibel sind.

Den richtigen Rechenweg würde ich mit der Hälfte der Punkte, also der 4 honorieren. Je nach Anspruch kann es allerdings auch keine Punkte geben, denn der Kran würde in dieser Form nicht funktionieren. In meinem Studium (in Bayern) wurde das ebenso gehandhabt: Gerät funktioniert nicht, da ein wichtiges Detail falsch ist oder fehlt: keine Punkte.

Viele Grüße

Hallo!

„In der Praxis würde das
Menschenleben kosten, folglich keine Punkte“…

Stimmt. Aber man kann unter ganz anderen Bedingungen gültige Argumente nicht auf eine Prüfungs- und Klausursituation übertragen. In der Praxis plant und dimensioniert niemand eine Krananlage binnen 45 oder 90 Minuten. In der Praxis wird in aller Seelenruhe überlegt und nachgerechnet, nochmal überprüft, mit Kollegen diskutiert usw.

"Der Rechenweg ist ja richtig…

Stimmt auch.

Die Bewertung ist deshalb davon abhängig, was geprüft werden soll. Wenn jemand bei der Berechnung eines Volumens von dm³ statt von m³ ausgeht und ich will erkennen, ob der Schüler Einheiten richtig umrechnen kann, dann ist das ein anzukreidender Fehler etwa in der Berufsschule.

Nehmen wir an, in einer Technikerschule geht es gar nicht mehr um elementare Algebra und beim Verwechseln von Litern und Hektolitern kann man getrost von einem Flüchtigkeitsfehler ausgehen, komplexe Zusammenhänge werden aber zutreffend erkannt und berechnet, würde ich nur einen geringfügigen Punktabzug vermerken.

Wer als Lehrer den Rechenweg sehen will, aber letztlich doch nur auf die Ergebniszeile guckt, sollte statt dessen lieber Tests zum Ankreuzen veranstalten. Die Lehrkraft sollte sich also vorher Gedanken machen, welche Fertigkeiten geprüft werden sollen. Ohne diese Gedanken kann man zu keiner Bewertung kommen und nicht erkennen, wo Fähigkeiten bereits ausgebildet sind und wo es Defizite gibt.

Nach meiner natürlich nicht repräsentativen persönlichen Erfahrung haben auffällig viele ausgebildete Pädagogen ein Problem mit Zielsetzungen. Bei Lehrkräften ohne jegliche pädagogische Ausbildung, etwa Hochschuldozenten, erlebte ich viel häufiger Leute, die sich Gedanken machen und Defizite und Fähigkeiten zutreffend erkennen.

Gruß
Wolfgang

Hallo,

Da kommt ein Strich an den Rand mit einer Bemerkung, z.B. ab
hier unbrauchbar.

Dieser Fehler ist so gravierend, dass er bemerkt werden muss.
Man ist hier ja 3 Größenordnungen daneben. Wir sind ja nicht
in einer Bank. Deswegen kein Punkt.

Falls am Ende eine Bemerkung stehen würde, dass die erhaltenen
Ergebnisse abwegig sind und irgendwo ein nicht zu findender
Fehler stecken muss, dann wäre die volle Punktzahl minus einem
Punkt da.

So würde ich auch argumentieren.

Grüße,
Tinchen

Moin,

In einer weiterführenden Schule im technischen Bereich

Natürlich kommt dabei nur noch ein
Seil mit 1 - 2 mm Durchmesser heraus.

hm, spätestens jetzt sollte es beim Lernenden klingeln.
Eine kurze Fehlersuche sollte erfolgreich sein und wenn nicht, ist das schon ein recht dicker Mops.

Gandalf

DANKE
Ich möchte mich bei allen, die Ihre Meinung zu diesem Thema geäußert haben, herzlich bedanken und Ihnen und ihren Familien ein „Frohes Weihnachtsfest“ wünschen.
Slides-Only

1 Like

Hallo!

Bisher wurde ausschließlich aus Lehrersicht argumentiert. Aus Schülersicht sieht die Sache aber ganz anders aus:

Stellen wir uns zwei Schüler vor:

A weiß, wie die Aufgabe zu lösen ist, setzt aber die falschen Einheiten ein und kriegt deswegen ein falsches Ergebnis raus. Es kommt ihm spanisch vor, aber bevor er nichts hinschreibt, schreibt er lieber die falsche Zahl hin.

B hat keine Ahnung, wie man so etwas berechnet und schätzt einfach mal so aus dem hohlen Bauch heraus eine Durchmesser, der ungefähr in der gesuchten Größenordnung liegt.

Wer ist dem Lernziel nun näher gekommen? Ich finde, hierbei hilft auch immer mal der Gedanke, wie wohl eine mündliche Prüfung zu dem Thema ausgesehen hätte.

Erste Prüfung:
A: „Da kommt ein Durchmesser von 2 mm heraus.“
Prüfer: „Halten Sie das Ergebnis für realistisch?“
A: „Nein, … eigentlich müsste das Seil viel dicker sein.“
Prüfer: „Sie haben eine Dichte von 7,8 g/cm³ eingesetzt …“
A: „Achso, ich Depp! Das müssen natürlich 7800 kg/m³ sein; dann kommt raus …“

Zweite Prüfung:
B: „Das müssten so ungefähr 30 mm sein.“
Prüfer: „Wie kommen Sie da drauf.“
B: „Das habe ich einfach mal geschätzt.“
Prüfer: „Können Sie das auch berechnen?“
B: „Nein.“

Ansonsten schließe ich mich der Argumentation Wolfgang Dreyers an.

Michael

Die Bewertung ist deshalb davon abhängig, was geprüft werden
soll.

Da stimmme ich dir voll zu.

komplexe Zusammenhänge werden aber zutreffend

erkannt und berechnet,

Das hat er aber eben nicht. Wer bei so verqueren Ergebnissen den Fehler nicht bemerkt, hat Zusammenhänge offensichtlich nicht verstanden oder auch nur bedacht, sondern nur mechanisch erlernte Rechenwege ausgeführt.

Die Lehrkraft sollte sich

also vorher Gedanken machen, welche Fertigkeiten geprüft
werden sollen.

Eben, eine Fertigkeit wäre z.B., neben dem exakten Rechnen auch den gesunden Menschenverstand zu aktivieren, der einem hilft, grob falsche Ergebnisse zu erkennen.

Nach meiner Einschätzung hat der Student weit größere Defizite als ein Rechenproblem offenbart, daher bestenfalls note 4.

Gruß von Bixie