Formulierungen in Fragebogen

Hallo liebe Deutschexperten!

Ich habe für meine ehrenamtliche Tätigkeit einen Fragebogen auszufüllen, der Teil eines Schutzkonzeptes zur Prävention von (sexuellen) Übergriffen ist.

Bei den Formulierungen habe ich mir folgende Frage nicht beantworten können:
Typische Fragestellungen sind „Welche Personengruppen können bei uns einer Übergriffigkeit ausgesetzt sein?“
Welchen Unterschied in der Bedeutung macht hier die Formulierung „können“ gegenüber der Formulierung „könnten“?

Ich bin der Meinung, „können“ ist allgemeiner und insofern würde ich die o.g. Frage grundsätzlich mit „jede“ beantworten - Übergriffe sind nach meinem Dafürhalten überall möglich.

Bei der Formulierung „könnten“ bezieht es sich eher auf das, was bei uns auch als Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, und dann würde ich zurückhaltender antworten, weil ich diese Wahrscheinlichkeit bei uns sehr gering einschätze.

Ich kann diesen Unterschied nur nicht richtig erklären, also in Worte fassen.

Kann mir das jemand konkreter erklären?

Danke und Gruß

Diva

Gewünscht sind hier sicherlich Angaben zu besonders vulnerablen Gruppen, wie Minderjährigen, Menschen mit Behinderungen, Menschen in einem besonderen Anhängigkeitsverhältnis, …

Hi DDD

ich bin natürlich kein Deutschexperte :slight_smile: nur mein Gefühl bei der Fragestellung…

können gibt der Möglichkeit, dass die Annahme eintrifft, einen größeren Raum - die Wahrscheinlichkeit ist höher, man geht davon aus, dass es möglich ist und wohl auch eintreten wird

Der Konjunktiv *könnten besagt, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist und eher nicht angenommen wird, das so etwas überhaupt vorkommt, dass man sich aber trotzdem mit dem Thema befasst.

In beiden Varianten lautet die Antwort „alle“. Meiner persönlichen Erfahrung nach ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Opfer von sexuellen Übergriffen wird, wesentlich höher, als wir uns gemeinhin vorstellen wollen …

Deswegen würde ich definitiv „können“ verwenden

Gruß h.

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Hallo,

hast Du die Möglichkeit zu ausformulierten Antworten? Dann würde ich z.B. schreiben: „Prinzipiell alle, insbesondere jugendliche Ratsuchende im Zweiergespräch“ oder was auch immer für Deinen Bereich passt.
Und den Unterschied können/ könnten nicht auf die Goldwaage legen. Es geht doch wahrscheinlich bei dem Fragebogen darum, sich überhaupt mit der Thematik zu beschäftigen und sich sensibilisieren zu lassen für die Möglichkeiten. Und nicht um die eine richtige Antwort.
Risikofaktoren sind Machtgefälle, Regelmäßigkeit, Aufbau eines Vertrauensverhältnisses…

Viele Grüße,
Jule

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Hat mich auch interessiert, also habe ich mich ein wenig durchs Netz gewühlt und bin bei Wikipedia auf den Konjunktiv gestoßen, wo im Zusammenhang mit dem Konjunktiv II das Wort Konditionalsatz fällt.

Und das macht für mich als rationalen, Deutsch-Muttersprachler den „gefühlten“ Unterschied aus. „Welche Gruppen können betroffen sein?“ ist eine einfache Frage nach der Möglichkeit. Und auch für mich lautet die richtige Antwort: alle. Oder etwas spitzfindiger formuliert: in einer Personenmenge X lässt sich jederzeit anhand beliebiger Merkmale eine Teilmenge Y abtrennen, die dann durch die Restmenge aus X minus Y eine Übergriffigkeit erfährt.

Beim Konjunktiv II „liest“ man, selbst wenn er nicht da steht, einen konjunktivierenden Nebensatz mit. Wobei bei der konkreten Frage ich noch immer bei meinen Antworten bleiben würde. Etwas einschränken würde ich meine Antwort wenn die Frage lauten würde: „Bei welchen Personengruppen bei uns scheint Ihnen eine Übergriffigkeit wahrscheinlicher und sollte daher besondere Aufmerksamkeit erfahren.“ Das brächte dann als Aufgabe eine Wertung von Wahrscheinlichkeiten mit sich.

Grüße
Pierre

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Servus, Diva,

das „könnten“ ist ein Konjunktiv ein, der dem „alle“ Grenzen setzt. Blöderweise fehlen aber die Grenzen, sprich, die Bedingungen.

Beispiel: „Ich gang gern auf die Kampenwand, wann ich mit meiner Wampen kannt.“

Wir suchen also ein wenn oder falls. Der Unterschied, nach dem gefragt wird, heißt demnach schlicht: Da fehlt was.

Gruß
Ralf

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Hi Wiz!

Danach hatte ich aber nicht gefragt.
Ich arbeite für die Telefonseelsorge, wo wir zu den Ratsuchenden keinen persönlichen Kontakt haben. Kontakte gibt es nur innerhalb der Belegschaft.

Gruß, Diva

Hi drambeldier!

So ganz hab ich deinen Beitrag nicht verstanden. Aber Pierre hat schon ganz gut geantwortet. Vermutlich habt ihr beide den gleichen Ansatz.

Danke dir
Diva

Ich sehe es wie @Hexerl und @Jule: Beim „könnten“ schwingt für mich mit, dass so etwas eigentlich gar nicht vorkommt - aber ich würde den Unterschied nicht auf die Goldwaage legen.

Und die Antwort ist natürlich „jede“ - und falls da eine andere Antwort erwünscht ist, wäre das für mich ein Grund, hier Rabatz zu machen.

Ich habe selbswt schon an Schutzkonzepten mitgearbeitet und mich in der Prävention engagiert, und eine derartige Frage lässt das Schlimmste befürchten …

Gruß,
Max

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Hallo Diva

ich weiß nur, dass drei Modalverben eine subjektive Bedeutung haben könnten

müssen-------müssten (vielleicht 90% Prozent)
dürften (Ausnahmsweise nur in der Konjunktivform)
können--------könnten (vielleicht 30 % Prozent)

In der subjektiven Bedeutung des Verbes (Können) kann man beide Formen (Konjunktiv und Indikativ) nehmen.

„Welche Personengruppen können bei uns einer Übergriffigkeit ausgesetzt sein?“

Wenn man nun dem Modalverb wirklich eine subjektive Bedeutung zuweist, dann könnte man den Satz so umformulieren:

"Was hälst du oder was denkst du oder wie schätzt du die Wahrscheilichkeit im niederen Prozentbereich, dass eine Personengruppe einer Übergriffigkeit ausgesetzt ist.

Grüße

Jule ist wieder da! Das freut mich sehr :joy:

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„Können“ fragt für mich in dem Kontext nach den Gruppen, die betroffen sein können.

„Könnten“ fragt für mich in dem Kontext nach den Gruppen, die einem darüber hinaus einfallen würden, wenn man noch einen Moment länger und jenseits der eingetretenen gedanklichen Pfade darüber nachdächte.

Ich finde das Verb „können“ hier sehr angebracht, weil jede Person Opfer einer Übergriffigkeit werden kann; egal ob die Person einer Personengruppe angehört oder nicht.

Keine Gruppenzugehörigkeit schützt auch nicht vor Übergriffen.

Hallo Diva,

Ob „können“ oder"könnten": Der Satz ist in jedem Fall semantischer Unsinn.
Erstens ist man nicht Übergriffigkeit ausgesetzt, sondern man ist Übergriffen ausgesetzt. Und selbst das ist im Grunde verquast ausgedrückt: Vielmehr ist man der Gefahr von Übergriffen ausgesetzt.

Und weiter: Menschen sind einer Gefahr ausgesetzt oder sind nicht einer Gefahr ausgesetzt (in bestimmten Situationen, oder auch bestimmte Personengruppen). Es ist aber unsinnig zu sagen, sie können einer Gefahr ausgesetzt sein.

„sie können“ wäre passend z.B., wenn man fragen wollte: Ganz generell, theoretisch kann es sein (= „ist es möglich“), daß bestimmte Menschengruppen einen Übergriff erfahren? Also „können“ hier in der Funktion, rein logisch eine Mäglichkeit oder Unmöglicheit zu eruieren. Hat aber nicht die Funktion des grammatischen „Potentialis“. Und es ist jedenfalls auch nicht in dem Fragebogen gemeint.

„sie könnten“ wäre passend, wenn man fragen wollte: „könnte es sein, daß bestimmte Menschengruppen mit größerer Wahrcheinlichkeit der Gefahr eines Übergriffs ausgesetzt sind, als andere Menschengruppen?“ Also im Sinne einer soiologischen oder kriminalpsychologischen Fragestellung. Auch das ist in dem Fragebogen nicht gemeint.

Nur, wenn bestimmte Situationen gemeint sind, z.B. (vermeintlich) nächtlich auf einem unbeleuchteten Waldweg, könnte spezifisch der grammatische Potentialis, also der Konjunktiv II, die Aussage präzisieren: Es könnte (dann und dort) ein Übergruff stattfinden. Oder vielmehr: Die Wahrscheinlichkeit, daß es stattfindet, ist dann und dort nicht null.

In Bezug auf die im UP angedeutete Fragestellung kann es aber nur heißen: „Welche Personengruppen sind (sc. mit größerer Wahrscheinlichkeit als andere) der Gefahr eines Übergriffs ausgesetzt“. Das Modalverb „können“ hat hier semantisch nichts zu suchen,.weder (im rein logischen Sinne) im Indikatriv, noch erst recht nicht (im situativen Sinne) im Potentialis = .Konj. II.

Gruß
Metapher

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addendum

Mein Beitrag bezieht sich natürlich nur auf die semantische bzw. grammatische Perspektive der Formulierungsvorgabe des Fragebogens. Auf den Verdacht, daß in der Formulierung eine soziologisch gefährliche Vorunterstellung vorliegen könnte/dürfte, also unbedingt

sind ja schon mehrere im Thread eingegangen.

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Hi Jule!

Danke für deine Antwort.
Es ging mir hier einfach grundsätzlich mal darum, den Bedeutungsunterschied zwischen „können“ und „könnten“ zu eruieren, den ich nur gefühlt habe, aber nicht mit Worten benennen konnte.

Klar ist mir die Zielsetzung des Fragebogens bewusst und ich finde es an der Zeit, das mal zu thematisieren; insgesamt habe ich den Fragebogen als sehr unspezifisch empfunden und frage mich, welche Erkenntnisse man aus ungenauen Fragestellungen ableiten will.
Wie auch immer: Vielen Dank!

Gruß, Diva

Hallo Metapher!

Danke für diese Ausführungen!

Sie treffen mein Gefühl ziemlich genau! Dass die Fragestellungen eben so unspezifisch sind, dass man stets mit „alle“ und „jederzeit“ antworten kann.

Hier muss man wohl mehr die Absicht loben als die Ausführung.

Vielen Dank!!

Gruß, Diva

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Servus,

auf Hochdeutsch: Ich ginge gern auf die Kampenwand, wenn ich mit meinem Trumm Bauch nur könnte.

Gruß
Ralf

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