frägst, frägt

Hallo zusammen,

in den letzten 2 Jahren höre ich immer inflationärer „frägt“, „frägst“.

Wenn es jemand aus dem privaten Umfeld ist, sage ich immer „aha,ich frage, du frägst, ich sage, du sägst“. Dann lachen die Leute meist.

Aber in der Arbeit kann ich sowas natürlich nicht bringen. Mir dreht es dabei jedes Mal die Zehennägel hoch.

Wie ist Eure Erfahrung/Einschätzung? Greift das „frägst“ wirklich so um sich oder bilde ich mir das nur ein?

Viele Grüße

Alexander

Hallo, Alexander,

in den letzten 2 Jahren höre ich immer inflationärer „frägt“,
„frägst“.

Greift das „frägst“ wirklich so um sich

das kann ich nicht sagen; in meiner Umgebung ist es mir nicht aufgefallen.

Die Formen „frägst“ und „frug“ waren allerdings auch schon früher gebräuchlich, siehe

http://books.google.com/ngrams/graph?content=fr%C3%A…

http://books.google.com/ngrams/graph?content=frug&ye…

(Wenn Du jeweils unten die Jahreszahlen anklickst, werden entsprechende Quellen angezeigt.)

Mir dreht es dabei jedes Mal die Zehennägel hoch.

Ähnlich erging es schon Grimm und anderen:

… war die sprache verleitet fragen nach analogie von tragen, dragen, schlagen, slaan zu behandeln und ihm das höchst unorganische praet. frug … zu ertheilen
[…]
gleichen anlasz hat in der zweiten und dritten person des praes.
frägst und frägt, jägst, jägt, nach trägst, trägt, schlägst, schlägt_, wobei kaum der alte_ e laut von fregen nachwirkt. ohne zweifel sind fragen fragte, jagen jagte und im praes. fragst fragt, jagst jagt sprachrichtiger.
[…]
es half nicht, dasz beide, Gottsched und Adelung, sich gegen frägt und frug erklärten …

Gruß
Kreszenz

Hallo Alexander!

in den letzten 2 Jahren höre ich immer inflationärer „frägt“,
„frägst“.

Bei mir ist es eher umgekehrt: Früher wurde das oft spaßeshalber gesagt, meist in Anspielung auf diverse Komiker, die das in ihre Sketche einbauten… aus meiner Perspektive ist die Verwendung stark deflationär, ich hab’s eigentlich ewig nicht mehr irgendwen sagen hören. Aber das kann regional unterschiedlich sein.

Und über den Ursprung davon (hab Kreszenz’ Posting noch nicht gelesen): entweder der Fehler entsteht durch Analogiebildung auf ein anderes Verb (evtl. braten oder halten), oder aber es ist eine regionale Form irgendwo. Vielleicht ist dieser in deiner Region üblicher als hier im Sachsenland.
Übrigens gibt’s bei „fragen“ auch noch eine andere nichtstandardmäßige Form, die man ab und zu hört (meiner Meinung nach auch seltener werdend), nämlich „ich frug“. Das kommt meiner Meinung nach häufiger hier in Sachsen vor als anderswo. Für viele klingt „frug“ einfach etwas archaisch (und daher nicht direkt falsch), und ich sag’s auch sehr gerne. :smile:

Liebe Grüße,

  • André

Hallo,

woher kommst du? Ich habe das bisher für einen regionalen Einschlag gehalten. Hier im Schwabenländle sagt man das gerne… (und ja, iiiih!)

Grüße

Hallo Liamara,

tiefstes Oberbayern.

Früher hat das hier niemand gesagt, aber seit ca. 2 Jahren ist das absolut inflationär geworden.

Oh Graus!

Viele Grüße

Alexander

Hallo,

Hier im Schwabenländle sagt man das
gerne… (und ja, iiiih!)

hier im Schwabenländle sagt das keiner.

Und jetzt? :wink:

Gruß G

Servus Gudrun,

es kommt halt drauf an, wo. So gibt es z.B. mittlerweile genug Hohenloher, die sich als Schwaben bezeichnen, bloß weil sie in Württemberg leben.

Wie auch immer: den Stromberg entlang, im Heilbronner Raum und im Schwäbischen Wald hört ist das schon verbreitet, zumal wenn der gemäßigte Stiftler-Dialekt gesprochen wird, den es nicht bloß in seiner Ausprägung als Stuttgarter Honoratiorenschwäbisch gibt.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

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Sprachgrenzen in Ba-Wü
Servus Blumepeder,

es kommt halt drauf an, wo.

genau das wollte ich mit meiner lapidaren Reaktion ausdrücken. :wink:

So gibt es z.B. mittlerweile genug
Hohenloher, die sich als Schwaben bezeichnen, bloß weil sie in
Württemberg leben.

Lauter Rei’gschmeckte ohne Patriotismus? :wink:

Ans Hohenlohische habe ich als erstes gedacht. Soweit ich weiß, zählt der dortige Dialekt aber zum Fränkischen (nicht zum Schwäbischen).
Als zweites fielen mir zwei aus Franken stammende frühere Kollegen ein, die sagten dauernd „frägt“. Keine Ahnung, ob das in ganz Franken üblich ist.

Wie auch immer: den Stromberg entlang, im Heilbronner Raum und
im Schwäbischen Wald hört ist das schon verbreitet, zumal wenn
der gemäßigte Stiftler-Dialekt gesprochen wird, den es nicht
bloß in seiner Ausprägung als Stuttgarter
Honoratiorenschwäbisch gibt.

Das sagt uns, daß in Sachen Dialekt die Sprachgrenzen wichtiger als die Ländergrenzen sind.

Gruß G

Servus,

Ans Hohenlohische habe ich als erstes gedacht.

ja, ich auch - aber es kam mir dann doch irgendwie nicht passend vor.

Heute Nachmittag habe ich jetzt die Bestätigung von einem aus Künzelsau gebürtigen Bsüchle bekommen: In dem Viereck Öhringen - Boxberg - Weikersheim - Kirchberg/Jagst ist „Du frägst“ und „er/sie frägt“ nicht bloß gemäßigte, sondern die ganz reguläre Mundart. Sigrun ist sich nicht sicher, wie das nordöstlich im „katholischen“ Fränkisch weiter geht, sie glaubt aber, aus Richtung Rothenburg o.T. auch „Du froochsch“ zu kennen.

Ja, das Hohenlohische gehört zu den ostfränkischen Mundarten; es gibt Ähnlichkeiten mit dem Schwäbischen, aber die Vokale sind klar zu unterscheiden („Wo e Has’ e Hôs’ is, un e Hos’ is e Haus’, un e Haus is e Has…“). Westlich davon, den Stromberg entlang und vor allem südlich Pforzheim im Enztal gibt es ziemlich aparte Mischungen aus Schwäbisch und Fränkisch - die Enztäler Mundart wird je nach Standpunkt des Autors sowohl „Enztalschwäbisch“ als auch „Enztalfränkisch“ genannt.

Das sagt uns, daß in Sachen Dialekt die Sprachgrenzen
wichtiger als die Ländergrenzen sind.

In der Tat. Wobei die politischen Grenzen die Sprachgrenzen ein wenig beeinflussen, wenn sie lang genug bleiben: So kann man im Südschwäbischen die Mundarten der ehedem freien Reichsstädte Ulm, Biberach, Ravensburg von denen des jeweiligen Umlandes unterscheiden; besonders deutlich in Ravensburg, wo in alemannischsprachiger Umgebung in der Stadt selber eine Mischung mit schwäbischem Übergewicht gesprochen wird.

In der gleichen Gegend kann man die von Napoleon entworfenen Grenzen Bayerns entlang der Iller und vor allem in Lindau an der Mundart erkennen: Das Schwäbische und das Alemannische dort sind heute deutlich bairisch beeinflusst, die Vektoren dafür waren Verwaltungs- und Polizeibeamte, Lehrer, Postler und Eisenbahner, die systematisch aus wittelsbacher Stammland in die Grenzgebiete gesetzt wurden.

Und mir kommt es vor, als sei im „Neuwürttembergischen“ südlich der Donau die Grenze vom Schwäbischen zum Alemannischen in ziemlich zügiger Bewegung Richtung Süden; auch das wahrscheinlich auch durch die Einwanderung von Beamten, Eisenbahnern etc. aus Altwürttemberg beeinflusst, vielleicht auch durch Radio und Fernsehen. Soviel ich weiß, sind die letzten detaillierten Kartierungen dieser Grenze (die eigentlich ein Streifen ist) in den 1930er Jahren gemacht worden. Es wäre spannend, die Kartierung heute mit den gleichen Wörtern zu wiederholen: Ich glaube, es ergäbe sich etwa für „gwäsa - gwäa - gsei - gsî“ heute ein ganz anderes Bild.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

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Servus,

vielen Dank für Deine Ausführungen.

Ich habe sie interessiert zur Kenntnis genommen, kann aber wegen Unkenntnis der meisten von Dir beschriebenen Gegenden nichts dazu sagen.

Sigrun ist sich nicht sicher, wie das nordöstlich im
„katholischen“ Fränkisch weiter geht,

Das erinnert mich daran, daß mal - Jahre zurück - diskutiert wurde, daß aus der Aussprache von Leberwurst auf die Religionszugehörigkeit geschlossen werden kann. :wink:

Gruß G

Moin,

in den letzten 2 Jahren höre ich immer inflationärer „frägt“,
„frägst“.

im aachener Raum ist das eine übliche Form.

Gandalf