Frage zu den verlangten Privatisierungen

Hallo

Griechenland soll ja mehrere Milliarden durch Privatisierungen erwirtschaften, niemand glaubt aber daran, dass die angepeilte Summe auch nur annähernd erreicht werden kann.

Müssen die Griechen ihr Staatseigentum dann auch für viel niedrigere Preise verkaufen als vorher kalkuliert?
Also, ich denke ja, wenn sie einfach die Preise verlangen, die vorher kalkuliert worden sind, würden sie ihr gesamtes Staatseigentum behalten können, weil niemand diese Preise bezahlen will. Müssten sie dann im Preis soweit runtergehen, bis es jemand kauft? Müssen sie dann ggf. ihr Staatseigentum unter Umständen sogar verschenken ( wie z. B. die Bahn an Österreich)?

Wenn ja: Warum? Gibt es da Interessenten bei der Troika, die griechische Grundversorger, Häfen oder Inseln billig aufkaufen wollen?

Viele Grüße

Hallo,

Deine Fragen sind wohl etwas voreilig. Diese treuhänderische Organisation ist bislang nur ein Vorschlag. Es soll, es könnte, bla bla. Beschlossen und vertraglich festgezurrt ist noch nichts.

Es gab bereits früher die Privatisierungsbemühungen, die aber von GR (jeweilige Regierungen in Athen) selbst behindert wurden. So konnten von 2009 bis dato nur lumpige 3 Mrd. erzielt werden. Laufende Verhandlungen stoppte Syriza nach der letzten Wahl. Eine treuhänderische Übertragung würde bedeuten, dass ein Gesetz beschlossen werden muss, um die fraglichen Aktiva aus dem Staatsbesitz heraus (zumindest theroretisch) unantastbar auf den Treuhänder zu übertragen. Der Treuhänder entscheidet dann, ob ein Verkauf von X zum Preis Y angemessen ist oder nicht.

Wir sollten aber warten, was denn nun tatsächlich (noch kommend) vertraglich geregelt wird.

Gruß
vdmaster

Guten Abend,
wenn man sich die Geschichte des IMF ansieht (der ja in der Troika sitzt) erkennt man ein Muster: Ein verschuldetes Land bekommt nur Kredite wenn es bestimmte Massnahmen ergreift - diese verschlimmern in fast allen Faellen die Wirtschaftskrise noch weiter. Das fuehrt zu einer noch groesseren Abhaengigkeit von IMF-Geldern. Diese Macht nutzt der IMF um Forderungen durchzusetzen, wie z.B. Privatisierungen. In den meisten Faellen kauft dann ein US-Investor guenstig Staatsunternehmen bzw. Rechte an Rohstofffoerderungen usw. Somit wird das Land ausgenommen und kommt erst wieder auf die Beine wenn jemand wie z.B. Chavez sich das Volkseigentum zurueckholt.
Gruss
Desperado

Der Mann ist Neo-Keynesianer und damit der geborene Gegner jeder Art von Sparpolitik.

Und was spricht gegen diese Einstellung? Die Geschichte zeigt dass es keine sinnvolle Alternative zum Keynesianismus gibt.

Seine Kritik an der einseitigen Fixierung auf die IWF-Forderung, einen ausgeglichenen Haushalt an erste Stelle zu setzen, geht zu kurz.

Er hat in dem Buch viele Beispiele verschiedener Staaten genannt. Natuerlich ist (fast) jedes Problem ein Zusammenspiel vieler Ursachen aber dass die Sparpolitik eine Hauptursache fuer die Verschlechterung der Wirtschaft eines Landes ist duerfte nach all den Erfahrungen in der Vergangenheit als Fakt anzusehen sein.

Bzw. muss ergänzt werden, um die ausbleibende Eigenanstrengung der Staaten, die die IWF-Programme ins Leere laufen lässt.

Klar spielen, in Griechenland und anderswo, noch viele andere Probleme mit ein. Andererseits funktionieren viele Staaten nicht optimal (schau Dir nur mal Deutschland an), aber das interessiert niemanden so lange das System halbwegs funktioniert. Erst wenn ein Staat in der Krise ist werden ueberall Krisenherde entdeckt die aber schon seit Jahrzehnten vor sich hin lodern.

Die Wirtschaft wurde privatisiert, bevor auch nur annähernd die Rahmenbedingungen einer Marktwirtschaft geschaffen waren. Stiglitz nennt hier vor allem Rechtssicherheit, ein funktionierendes Steuersystem, Vertrauen der Bürger in demokratische Institutionen, funktionierende Kontrollinstanzen für Banken und Unternehmen. Die hastige Privatisierung der Staatsbetriebe in Russland und die liberalisierten Kapitalmärkte ermöglichten es dagegen den neuen „Besitzern“ der ehemaligen Kollektive diese zu zerschlagen, die einzelnen Bestandteile zu verkaufen und die Erträge ins Ausland zu schaffen. Ökonomische Anreize für eine produktive Nutzung der alten Staatsbetriebe existierten nicht, die Abwicklung dagegen versprach sofortige Milliardengewinne.

Das ist ein Beispiel falscher IWF-Politik, da gibt es noch massenweise andere, alle unter unterschiedlichen Bedingungen aber ueberall ging es verkehrt - und oft hat jemand daran verdient der evtl. dem IWF nahe steht.

Einmal abgesehen davon, dass substanzielles Vertrauen der Bevölkerung erst entstehen kann, wenn die anderen Forderungen erfüllt werden. Von GR wird doch seit Beginn der Finanzkrise gebetsmühlenartig gefordert, Steuerverwaltung, Justiz und Aufsichtsorgane zu reformieren. Aber genau das hat keine griechische Regierung ernsthaft in Gang gebracht. Nicht umsonst waren die griechischen Gesetzesänderungen der letzten Wochen eine Grundvoraussetzung dafür, dass überhaupt ernsthafte Gespräche über GR 3 geführt werden können. Diesmal wollen die Gläubiger (angeblich) den Hahn ganz schnell wieder zudrehen, wenn den Gesetzen nicht auch die Umsetzung auf dem Fuße folgt.

Der Punkt ist: GR könnte seinen Schuldendienst problemlos bedienen, falls es die Steueraussenstände auch eintriebe. Und hätte noch einen Überschuss.
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Theoretisch. Praktisch gesehen wird ein grosser Teil der nicht gezahlten Steuern fuer Konsum, Investitionen usw. in Griechenland verwendet. Klar geht ein Teil ins Ausland aber wenn Griechenland auf einmal anfangen wuerde alle ausstehenden Steuern einzutreiben wuerde sich die Kriese weiter verschlimmern weil Betriebe, Haeuser, Autos… verkaeuft werden muessten um das Finanzamt zu bezahlen. Wenn der Staat das eingenommene Geld dann nicht investiert sondern ins Ausland fliessen laesst indem Schulden getilgt werden waere dies ein weiterer Schritt in Richtung Abgrund.

Gruss,
Desperado

P.S.: Hey, jetzt kann ich auf einmal wieder Deinen Text in meinem Antwortformular sehen, haben die Betreiber doch mal einen Bug behoben… wobei natuerlich nicht mehr ersichtlich ist wer was geschrieben hat aber in ein paar Jahren wird das schon wieder so funktionieren wie es davor funktioniert hat.

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Servus,

üblicherweise werden Privatisierungen nicht zu Festpreisen abgewickelt, sondern ausgeschrieben und verhandelt. Die OSE muss übrigens nicht an Österreich verschenkt werden - es handelt sich um ein Gedankenspiel von Christian Kern. Der hat das österreichische Bundesheer noch gar nicht gefragt, ob es ihm helfen mag, Griechenland zur Herausgabe der OSE zu zwingen.

Einen positiven Verkaufserlös aus der OSE - für die sich übrigens auch schon DB und SNCF im Konsortium interessiert haben - könnte eine Regierung erzielen, die ein paar Korrekturen in den laufenden Kosten des Bahnbetriebs zuließe, z.B. erlaubte, dass Diesel- und E-Loks ohne Heizer auf die Strecke geschickt werden und nur noch mit einem Mann besetzt werden, oder auch, dass griechische Lokführer nur noch so viel verdienen wie z.B. ihre deutschen Kollegen oder vielleicht auch ein bissle weniger. Unter diesen Umständen wäre zumindest auf Teilen des bis auf die Magistrale Athen-Thessaloniki und ein nicht von der OSE gefahrenes Zugpaar von/nach Gevgelija stillgelegten Netzes möglicherweise ein rentabler Betrieb möglich. Alternativ ließe sich das rollende Material, das zum großen Teil erst in diesem Jahrtausend angeschafft wurde und jetzt fast nagelneu auf Abstellgleisen herumsteht, weil der Betrieb mit zwei Lokführern auf jedem Zug mit etwa 50.000 € Jahresgehalt untragbare Verluste erzeugt, versilbern - z.B. nach Rumänien verkaufen, wo nichtstaatliche Betreiber von Regionalverkehr mit ungefähr fünfzig Jahre alten gebrauchten Triebwagen aus Frankreich fahren.

Die Übernahme der Steuerschulden und der Pensionslasten der OSE wäre übrigens auch schon ein ziemlich gut sichtbarer Kaufpreis.

Wie auch immer - es gibt Staatsbetriebe in Griechenland, die viel weniger marode sind als die OSE, z.B. den Hafen von Piräus.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

sogenannte Strukturanpassungsprogramme im Rahmen der IWF-Kreditvergabe sind in der Tat kein Garant für die Verbesserung einer Wirtschaftskrise.

Das kannst Du doch sicher empirisch belegen, oder etwa nicht? Aber bitte nicht über einige Einzelfälle, sondern eine ausreichende Menge.

Hierfür wirst Du sicher keinen Beleg finden. Also einen Beleg dafür, dass US-Investoren über ihre marktwirtschaftl. Gewichtung hinaus, von den IWF-Programmen „profitieren“.

Ist pure Polemik.

Wow, wie ist Venezuela durch Chavez auf die Beine gekommen? Habe ich da irgendeine Entwicklung verpasst? Einmal völlig abgesehen davon, dass VZ und die USA wg. der Enteignung von (US)-Privatbesitz im Clinch liegen und auch fundamentalpolitisch quasi „verfeindet“ sind: Ist Dir völlig entgangen, dass die „Sozialisten“ ein desaströses Wirtschaftssystem errichtet haben und dabei sind in einen totalitären Staatsapparat abzugleiten? Dass die Menschenrechte mittlerweile schlimmer als früher beschnitten sind und sich auch Strukturen von herrschenden („sozialistischen“) Familienclans Macht und Land geteilt haben? Dein Halbsatz ist eine real existierende Verdummungspropaganda wider die tatsächlichen Gegebenheiten.

Dich wird es sicher nicht überzeugen, aber unvoreingenommen Interessierte evtl.: http://www.deutschlandfunk.de/venezuela-nie-zuvor-eine-krise-dieser-dimension.1184.de.html?dram:article_id=309298

vdmaster

Hallo vdMaster,

Joseph Stieglitz hat in dem Buch „Globalization and its discontents“ massenhaft Faelle aufgelistet in dem es genau so war. Ebenso hat er aufgezeigt dass es kaum Faelle gab in welchen die IMF-Strategie langfristig eine positive Wirkung hatte.

In Venezuela wurde die Armut nach der Uebernahme von Chavez verringert.

Gruss
Desperado

Hallo,

  1. Der Mann ist Neo-Keynesianer und damit der geborene Gegner jeder Art von Sparpolitik.
  2. Seine Kritik an der einseitigen Fixierung auf die IWF-Forderung, einen ausgeglichenen Haushalt an erste Stelle zu setzen, geht zu kurz. Bzw. muss ergänzt werden, um die ausbleibende Eigenanstrengung der Staaten, die die IWF-Programme ins Leere laufen lässt.

Die Wirtschaft wurde privatisiert, bevor auch nur annähernd die Rahmenbedingungen einer Marktwirtschaft geschaffen waren. Stiglitz nennt hier vor allem Rechtssicherheit, ein funktionierendes Steuersystem, Vertrauen der Bürger in demokratische Institutionen, funktionierende Kontrollinstanzen für Banken und Unternehmen. Die hastige Privatisierung der Staatsbetriebe in Russland und die liberalisierten Kapitalmärkte ermöglichten es dagegen den neuen „Besitzern“ der ehemaligen Kollektive diese zu zerschlagen, die einzelnen Bestandteile zu verkaufen und die Erträge ins Ausland zu schaffen. Ökonomische Anreize für eine produktive Nutzung der alten Staatsbetriebe existierten nicht, die Abwicklung dagegen versprach sofortige Milliardengewinne.

Einmal abgesehen davon, dass substanzielles Vertrauen der Bevölkerung erst entstehen kann, wenn die anderen Forderungen erfüllt werden. Von GR wird doch seit Beginn der Finanzkrise gebetsmühlenartig gefordert, Steuerverwaltung, Justiz und Aufsichtsorgane zu reformieren. Aber genau das hat keine griechische Regierung ernsthaft in Gang gebracht. Nicht umsonst waren die griechischen Gesetzesänderungen der letzten Wochen eine Grundvoraussetzung dafür, dass überhaupt ernsthafte Gespräche über GR 3 geführt werden können. Diesmal wollen die Gläubiger (angeblich) den Hahn ganz schnell wieder zudrehen, wenn den Gesetzen nicht auch die Umsetzung auf dem Fuße folgt.

Der Punkt ist: GR könnte seinen Schuldendienst problemlos bedienen, falls es die Steueraussenstände auch eintriebe. Und hätte noch einen Überschuss.

Gruß
vdmaster