Hallo,
kann mir jemand sagen ob der Ausdruck „Du kannst mich mal kreuzweise…“ einen bestimmten Ursprung hat und wenn ja welchen?
Vielen Dank
Hallo,
kann mir jemand sagen ob der Ausdruck „Du kannst mich mal kreuzweise…“ einen bestimmten Ursprung hat und wenn ja welchen?
Vielen Dank
Antwort zu mehr als ‚kreusweise‘
Hallo, conquesto,
es ist dir doch klar, was jemand von dir will, wenn er dich auffordert: Du kannst mich mal …?*
Wenn nun einer dich bittet, dies „kreuzweise“ zu tun, so ist die Aufforderung und die Meinung des Spruches verstärkt, da er nicht nur den einfachen Leckweg – etwa von oben nach unter oder von unten nach oben – von dir verlangt, sondern auch noch dasselbe von links nach rechts oder von rechts nach links von dir verlangt.
Es wird schwer sein, den erstmaligen Gebrauch dieser in seiner einfachen Variante als „schwäbischer Gruß“ bezeichneten Aufforderung – obwohl der allgemein bekannte erste **Verwender ein Franke war -, aufzufinden.
Aber vielleicht kennt ein WWWler einen Beleck – nein, Beleg. Mich würde das auch interessieren.
Gruß Fritz
* _ Arsch
Umgangssprache und Mundarten gebrauchen das derb-anstößige Wort Arsch in zahlreichen Wendungen. Das berühmte Kraftwort Er kann mich am Arsch lecken gehört eigentlich in die Nähe verwandter Wortprägungen, wie ‚Staub-, Fuß-, Speichel-Lecken‘, denn es soll ja ebenfalls eine Entwürdigung und Demütigung darstellen.
Die Aufforderung ist von Hause aus keineswegs nur ein derbes Kraftwort. Vielmehr wurde dem nackten Gesäß apotropäische Wirkung zugeschrieben. Die Weisung des nackten Hinterteils war eine Abwehrgebärde, die nicht nur spöttisch-verächtliche, sondern ursprünglich zauberisch-ernste Hintergründe hatte. In Resten hat sich dieser Abwehrzauber noch bis zur Gegenwart erhalten. Glaubte man z.B. einer Hexe oder gar dem Teufel zu begegnen, so murmelte man den Kraftausdruck mehrere Male vor sich hin. Als Ausdruck der Teufelsdevotion mußten die Hexen bei ihren Zusammenkünften auf dem Blocksberg angeblich dem Teufel ‚den Arsch lecken‘ oder ihm in Gestalt eines Bockes den Hintern küssen.
Da leckst du mich am Arsch! kann allerdings auch Ausdruck hoher Verwunderung sein. In der Umgangssprache läßt sich derbe Ablehnung und höchste Verwunderung mit derselben Redensart zum Ausdruck bringen. Als Ausdruck des Staunens, der Verwunderung, ist der ‚schwäbische Gruß‘, z.B. unter Bekannten gebräuchlich, die sich lange nicht mehr gesehen haben: ‚Jetzt l.m.i.A. - wo kommst du her?‘ Er kann gebraucht werden, um ein Gespräch anzuknüpfen, um eine ins Stocken geratene Unterhaltung wieder in Gang zu bringen, um einem Gespräch eine andere Wendung zu geben, und schließlich, um eine Unterhaltung endgültig abzubrechen.
Lange vor Goethes ‚Götz von Berlichingen‘ (III, 4) findet sich die Redensart bei Luther: »Wenn man aber nun den Teufel kennt, so kann man leichtlich zu im sagen: Leck mich im Arsch«. Frühbelege gibt es allenthalben in grobianischer Sprache, z.B. bei Hans Sachs (‚Der doctor mit der grosen nasen‘):
Ey wie wol dus getroffen hast,
Peim ars im Schlaff, mein lieber Fricz,
Kump her vnd kües mich, da ich sicz!
Grimmelshausens ‚Simplicissimus‘ kennt die Redensart noch als konkrete Demütigung: »Hätten sie ihm Nasen und Ohren abgeschnitten, zuvor aber gezwungen, daß er ihrer Fünfen den Hindern lecken müssen«; oder an anderer Stelle: »Ich sagte: Du Flegel, sie haben dir deine Schafe wollen stehlen. Der Bauer antwortete: So wollte ich, daß sie mich und meine Schafe müßten im Hintern lecken«.
Johann Beer (1655-1700) im ‚Narrenspital‘: » … hinfort sollst du mich nicht mehr streichen, aber wohl im Arsche lecken, du Hundsfutt, hast mich gehalten wie einen jungen Tanzbären, aber nun blase mir ins Loch dafür, du Henkersknecht!« Die frühesten Belege finden sich in Beleidigungsprozessen und -klagen des 14. Jahrhunderts. Nach den Luzerner Ratsprotokollen soll eine Frau, Jenzis Vasbindz Weib, zu ihrem Manne gesagt haben: »Leck den gabelman und fach mir im ars an und kuss mir die mutzen im zünglin«; 1454 in einer Bamberger Beleidigungsklage: »Auch sprache sie, er solle sie im Arse lecken und an ihre Brüche küssen!« Goethe fand die Vorlage in der ‚Lebensbeschreibung Herrn Götzens von Berlichingen‘, 1731, wo es u.a. heißt: » … da schrie der Amtmann oben heraus, da schrie ich wieder zu ihme hinauf, er sollte mich hinten lecken …«. Kaspar Stieler formulierte 1691 vornehm und lateinisch: »Ich werde dich darumb nicht im Arsche lecken, non supplicabo tibi, nec instar numinis te venerabor ob rem eius modi«.
Da mit zunehmender Verfeinerung die Redensart als zu anstößig empfunden wurde, hat sich in der Umgangssprache eine große Zahl von umschreibend-beschönigenden Redensarten entwickelt, z.B. die Abkürzung ‚L.m.a.‘, die wiederum als ‚Laß mich allein!‘ ausgedeutet wird; ‚Leck mich am Ärmel‘; ‚Du kannst mich‘; ‚Du kannst mich am Abend besuchen‘; ‚Du kannst mir im Mondschein begegnen‘; ‚Götz von Berlichingen, III. Akt, 4. Szene!‘; ‚Bei mir Götz von Berlichingen!‘, indem man also statt des Zitates selbst nur die Stelle nennt. Als euphemistische Umschreibung für diese Aufforderung kennt der Volkswitz noch viele Redensarten, z.B. ‚Küß mir den Ellenbogen‘; ‚Kannst mi auf den Bank hinauflupfen, ro kann i selber‘; ‚Kannst mir den Buckel küssen, wo die Haut ein Loch hat‘; ‚Kannst mir den Buckel ‚runterrutschen (oder: hinaufsteigen)‘; ‚Du kannst mir auf die Kirbe (Kirchweih) kommen‘; ‚Kannst mi fünfern, hast um sechs Feierabend‘; ‚Kannst mir sonst was tun‘; ‚Kannst mi gern haben‘ (Wien); ‚Kannst mir den Zucker vom Kuchen lecken‘; ‚Kannst mich küssen, wo ich schön bin (wo der Buckel ein Ende hat)‘; ‚Blas mir den Hobel aus‘; ‚Leck oich der Geer‘; ‚Kannst mich neunundneunzigmal ungeschoren lassen‘. ‚Leck mich am Auspuff‘; eine mundartliche Variante aus Schleswig lautet: ‚Klei mi an Mors‘. Vgl. auch französisch ‚Mon cul!‘, umgangssprachlich als Ausdruck der Empörung.
Die tabuierte Redensart ist u.a. durch folgende ebenfalls redensartliche Umschreibungen paraphrasiert worden: ‚Du kannst mich ergötzen‘ - ‚Am Ärmel küssen‘ - ‚Im Adler treffen‘ - ‚Von hinten beriechen‘ - ‚Als Briefmarke betrachten‘ - ‚Am Marschieren nicht hindern‘ - ‚Zu einer intimen Goethefeier begleiten‘ - ‚Du kannst mir gewogen bleiben, am Hahnen riechen‘ - ‚Am Ammersee ein Haus kaufen‘ - ‚Meine Naturbrille putzen‘ - ‚In die Tasche steigen‘ - ‚Du kannst mir den Buckel runterrutschen und dort, wo er den anständigen Namen verliert, mit der Zunge bremsen!‘ Auf die redensartlichen Aufforderungen gibt es auch eine ganze Anzahl redensartlich witziger Erwiderungen, wie z.B.: ‚Vor meinem ist auch kein Gitter!‘; ‚Das tät‘ ich nicht, und wenn er mit Zucker bestreut wär!‘ - ‚Das hab‘ ich schon einer anderen Sau versprochen!’ - ‚Bedauere, ich bekomme Sodbrennen davon!‘ - ‚Säue werden nicht geleckt, sie werden geschruppt!‘ - ‚Häng deinen Arsch zuerst ein halb’s Jahr in den Neckar!‘ - ‚Schade, daß ich mir das Naschen abgewöhnt habe!‘ - ‚Tut mir leid, der Arzt hat mir Diät verordnet!‘ - ‚Wenn du deine Hose so schnell herunterziehst, wie ich die Zunge herausstrecke, warum nicht?‘ - ‚Recht gern, wenn ich wüßte, welches dein Arsch und welches dein Gesicht wäre!‘
In einer großen Zahl von vulgären Volksliedern spielt das bekannteste aller Goethe-Zitate ebenso eine Rolle wie in einer Reihe von Spruchprägungen, z.B.
Wenn jeder wüßte,
Was er mich könnte,
Und es auch täte -
Nie käme ich zum Sitzen.
Sage mir, was Du von mir willst,
Und ich sage Dir, was Du mich kannst.
Wenn Dich Haß und Neid umringen,
Denk an Götz von Berlichingen!
Trost gibt Dir in allen Dingen
Ritter Götz von Berlichingen.
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Arsch, S. 6. Digitale Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 370 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 1, S. 104) © Verlag Herder]_
** Berlichingen, Götz (Gottfried) von, *Jagsthausen 1480, †Burg Hornberg (heute zu Neckarzimmern) 23. 7. 1562, Reichsritter. Verlor 1504 im Landshuter Erbfolgekrieg die rechte Hand, die durch eine kunstvoll gefertigte eiserne ersetzt wurde; 1525 im Bauernkrieg durch den Odenwälder Haufen zur Übernahme der Hauptmannschaft gezwungen. Sein Lebensbericht diente Goethe als Quelle für das Drama ›Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand‹ (1773).
Danke, lieber Fritz!
Deine Antwort hab’ ich mit Interesse und Vergnügen gelesen.
(sie wär’ mir sogar ein Sternchen wert gewesen, aber derlei darf ich noch nicht…)
Was mir beim Lesen aufgefallen ist: man leckte früher scheints IM Arsch. So steht es ja auch im Götz. Hast du eine Erklärung dafür, wie aus dem „im“ das „am“ wurde? Oder hab’ ich da was überlesen?
Merci & greetz,
Anne
(die sich neugierig fragt, was du wohl geschrieben hast, dass deinem Beitrag ein „wurde von der Moderation überarbeitet“ zuteil wurde…)
In Ergänzung …
Hallo Anne.
… zu Fritzens - wie immer - ausführlicher Stellungnahme und Erklärung kann ich hier nur noch zu ‚kreuzweise‘ beisteuern, daß es sich hier um eine bedeutende Erhöhung der Qualität des Vorganges handelt, weil man dabei zweimal durch die Mitte kommt!
In diesem Sinne ergibt auch das richtige ‚im‘ gegenüber dem praktisch wertlosen ‚am‘ einen Sinn.
()))
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Berresheim
Hallo, Anne und Alexander,
so wie es Alexander andeutet, ist die Variante „im“ deftiger und es könnte deshalb gut sein, dass sie die ältere, ursprünglichere ist.
Zeiten, die die volle Kraft der Obszönität und des geballten Grobianismus nicht mehr ertrugen, schwächten die Aufforderung zu „am“ ab, so dass jener Körperteil nur noch periphär mit der Zunge in Berührung kam und das Zentrum, die Mutter aller Löcher, vermieden und umgangen wurde.
Man musste das nachprüfen, z. B. an den Belegstellen bei Grimm oder Röhrich.
Ohne „schwäbischen Gruß“!
Fritz
Lieber Fritz, lieber Alexander,
ich finde es herrlich zu lesen, wie sich der im Alltag so sehr in Vergessenheit geratene Bildreichtum der (deutschen) Sprache in diesem Forum wieder Bahn bricht!
Rechercheseiten wie diese sollten Pflichtlektüre sein im Deutsch-Unterricht… Und/oder zumindest Thema für die heutigen, sog. Projekttage vor den Sommerferien…
Danke & Gruß,
Anne
ganz und gar off topic
Hallo, Anne,
solltest du es gewesen sein, die mir den Stern auf obige Antwort gegeben, so warst du es, die mir auf meinen 4433. Artikel den 2600. Stern gebeben hat.
Dank dafür.
Und falls es jemand anders war: auch Dank!
Fritz