Frage zum Dialekt von Russlandsdeutschen

Hallo,

meine Familie gehört zu den russlandsdeutschen. es wurde, nach Aussage von meiner Mutter schwäbischer Dialekt gesprochen. 

Mich würde interessieren was bedeutet der Zusatz „Paas“. Ich hoffe es wird so geschrieben. Meine Uroma wurde z. B. Amalia Paas genannt, obwohl sie einfach nur Amalia hieß. Oder als kose „Pässle“. 

Weiss  jemand was das bedeutet? 

Danke schon mal im Voraus. 

Zap

Hof- und Familiennamen
Servus,

das Schwäbische, um das es hier geht, ist eine Mischung verschiedener süddeutscher Dialekte aus der Pfalz, Nordbaden, Hessen und auch Schwaben, die in ihrer Form aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhalten oder wenig weiterentwickelt sind. Die Bezeichnung der wolga- und bessarabiendeutschen Siedler als „Schwaben“ ist ähnlich wie bei Donauschwaben und Siebenbürger Sachsen eher zufällig.

Ein Beiname „Paas“ ist wahrscheinlich ein Hofname - die heute üblichen Familiennamen haben in Süddeutschland erst im Lauf des zwanzigsten Jahrhunderts die Hofnamen ersetzt, und gegendweise wurden Familiennamen noch bis etwa 1980 nur im „amtlichen“ Zusammenhang verwendet. Im Alpenraum ist teilweise heute noch der Hofname derjenige, mit dem ein Bauer angesprochen wird.

Hofnamen sind nicht unbedingt unmittelbar „lesbare“ Orts- und Tätigkeitsbezeichnungen. Man findet übrigens auch welche, die mit üblichen Familiennamen identisch sind - am Nordufer des Bodensees darf man z.B. bei einem Bauern namens Gierer ein wenig rätseln, ob in seinem Personalausweis auch Gierer steht, oder ob er nach seinem Hof Gierer genannt wird.

Es ist bei der oft - vor allem bei Russlanddeutschen, deren Vorfahren von Stalinschen Umsiedlungen betroffen waren - sehr lückenhaften Dokumentation kaum möglich, Herkunft und Geschichte dieses Beinamens Paas konkret aufzuklären.

Beiläufig: Es gibt beiläufig in Stuttgart eine berühmte Wirtschaft „Kochenbas“, deren Name nur oberflächlich und meines Erachtens nicht richtig mit der Bezeichnung „Base“ für „Cousine“ gedeutet wird: Die meisten Winzer an der Weinsteige seien mit der Wirtin namens Koch verwandt gewesen. Der Name der Wirtschaft ist deutlich jünger als die Siedlungsaktionen von Katharina II., und sie liegt in einer Stadt, in der im Lauf der letzten fünfhundert Jahre fast alles in irgendeiner Weise schriftlich festgehalten wurde, und dennoch ist die Herkunft vergessen und nicht mehr aufzuklären. Schreibweisen „Baas“, „Bas“, „Paas“, „Paasch“ bezeichnen nicht unbedingt verschiedene Namen - es wäre interessant, ob eine Herkunft der von Dir benannten Sippe aus dem Stuttgarter Raum belegt ist?

Schöne Grüße

MM

Hallo MM,

Danke für deine ausführliche Antwort. Wochen genau unsere Familie in Deutschland stammt Wissen wir leider nicht genau. Meine Mutter hat bisschen nachgeforscht und vermutlich stammen wir aus Baden-Württemberg, zumindest dem Dialekt nach… In der deutschen Kolonie in Russland haben die Frauen sich gegenseitig mit Vornamen plus Paas evtl. Auch bass angesprochen… Die Schreibweise kenne ich leider auch nicht.

Gruß

Zap

Südwestdeutscher Flickenteppich
Servus,

nochmal kurz zum Thema Baden-Württemberg: Das ist eine Verwaltungseinheit, die 1952 gegründet wurde - also für die Themen Kultur, Sprache usw. belanglos.

Auch die Vorgängerstaaten Baden, Hohenzollern und Württemberg sind in der Form, in der sie in das neu geschaffene Baden-Württemberg einflossen, viel neuer als Dialekte und andere lokale und regionale kulturelle Eigenheiten.

Falls es um Württemberg geht: Da wären kulturell und sprachlich mindestens Altwürttemberg, Hohenlohe und Vorderösterreich zu unterscheiden, außerdem mehr ins Detail gehend auch noch die Territorien der bedeutenden Reichsstädte Heilbronn und Ulm und der weniger bedeutenden Reutlingen, Rottweil, Biberach und Ravensburg. Im vorderösterreichischen Gebiet außerdem große Territorien im Kirchenbesitz und solche im Besitz des Deutschen Ordens. Noch bis ins 18. Jahrhundert war das auch deswegen sehr wichtig, weil man nicht ohne hoheitliche Genehmigung in eine fremde Herrschaft heiraten konnte.

Das ist übrigens nicht gar so weit hergeholt: Die neben Katharina II. ebenfalls bedeutende „Siedlermutter“ Maria Theresia steht in Saulgau auf dem Marktplatz - da erinnert man sich heute noch, wo man einst hingehörte.

Bonus Track: Im Rahmen dieses Flickenteppichs gibt es zwischen württembergischem und bayrischem Allgäu eine kleine hohenzollerische Herrschaft, Schloss und Dorf Achberg, hohenzollerisch lutherisch mitten im schwärzesten römisch-katholischen Oberland. Von dort wird berichtet, dass der Pfarrer zum gegebenen Zeitpunkt bei den Abkündigungen kund tat: „Es ist der Gemeinde auch noch mitzuteilen, dass wir ab nächsten Monatsersten preußische Unterthanen sein werden - und dass wir es um unserer Sünden willen auch nicht anders verdient haben!“

In diesem Sinne

MM

2 Like