Frage zur Aggression

Hallo,

ich lese momentan über Aggression und mir fehlt da einiges an Zusammenhang- vielleicht kann mir jemand helfen!

Wenn man im Inet liest, dann wiederholt sich immer wieder der Eingangssatz:„Viele verschiedene Verhaltensweisen die mit der Absicht ausgeführt werden, ein Individuum direkt oder indirekt zu schädigen“.

Aggression wird im überwiegenden Anteil immer als negativ und zerstörerisch beschrieben.

Vor Jahren habe ich einen Abend besucht, bei dem es um Aggression ging und es wurden dabei die vielen positiven Aspekte herausgearbeitet, die Aggression in sich hat (Aktivität zB)-- wieso wird Aggression dann aber immer mit Negativem gekoppelt??

Die andere Frage die ich habe ist Folgende:
Jeder Mensch besitzt die Fähigkeit zur Aggression- und es scheinen eine Menge Krankheiten darauf zurückzuführen zu sein.
Aggression, die nicht im Aussen ausgelebt werden kann-- und die zB in Autoaggression umgewandelt wird.

Würden diese Aggressionen nun „natürlich ausgelebt“- also nicht unterdrückt- würden dann alle Menschen den anderen Menschen „Schaden“ zufügen??
Und wie soll dann der Mensch im allgemeinen „gesund“ mit seiner Aggression umgehen??- er müsste sie danach dann doch immer verdrängen müssen!
Damit- müsste dann doch jeder Mensch (sofern keine Anti-Aggressions-Therapie gemacht) mit Autoaggressionen rumlaufen.

Und wie nimmt ein Mensch, der geübt ist- seine Aggression wahr? Als Ärger? Als Wut? In dem Wunsch den anderen zu schädigen??

kitty

Moin,
man muss zwischen ‚Aggression‘ und ‚Aggressivität‘ unterscheiden. Ersteres ist das Verhalten, zweites die inneres Bereitschaft.
Fast alle Theorien zu Aggression bzw. Aggressivität vernachlässigen die biologische Komponente, bzw. hören mit ihrem Erklärungsansatz zu früh auf.

Jeder Mensch besitzt die Fähigkeit zur Aggression-

na ja, mehr oder weniger. Da inzwischen immer deutlicher wird, dass Aggressivität eine große genetische Komponente hat, ist die Ausprägung wie bei der Schuhgröße, von ganz klein zu ganz groß und alles zwischen drin. Ausserdem wird inzwischen auch immer deutlicher, welche Rolle die Umwelt spielt. So weisen z.B. Studien in Gefängnissen auf eine Verbindung zwischen Gewaltbereitschaft und Ernährung hin.

…wieso wird Aggression dann aber immer mit
Negativem gekoppelt??

Weil Aggression das ist. Wenn ich anderen schaden will - und so ist die Definition dieses Begriffs, dann ist das negativ. Vielleicht wurde hier genau die Unterscheidung von ‚Aggression‘ und ‚Aggressivität‘ nicht gemacht.

…scheinen eine Menge Krankheiten darauf zurückzuführen zu sein.

ein wenig zu schnell geschlossen. Viele der Neurotransmitter die mit einem hohem Aggressionslevel einhergehen z.B. Testosteron, führen körperlichen Veränderungen (erhöhter Blutdruck z.B.) die auf Dauer Gesundheitsschädlich sein können. Ausserdem kann ein erhöhtes Aggressivitätspotential zu einer erhöhten Risikobereitschaft führen, was auch ungesund sein kann.

Und wie soll dann der Mensch im allgemeinen „gesund“ mit
seiner Aggression umgehen??- er müsste sie danach dann doch
immer verdrängen müssen!

Wer ein hohes Aggressivitätspotential hat muss ja nicht aggressiv sein - wenn er es schafft es ‚umzuleiten‘ z.B. in Sport, bildende Kunst oder Schriftstellerei und eine gewisse Impulskontrolle erlernt, kann diese ‚Kraft‘ ein immenser Antrieb sein.
peace…lux

Hm, Kitty,

ich bin einer der „Geübten“. Meine Aggressionen, meinen Hang zur Aggressivität (die ich im Sinne eines lebensnotwendigen Egoismus ansehe) habe ich einfach kanalisiert. Dies tat ich nicht aus Feigheit, aus Bequemlichkeit oder dergleichen mehr. Obwohl - vielleicht doch, manches ist mir einfach zu hektisch …

Es ist eine mentale Spielart des Aikido, anders vermag ich es nicht zu beschreiben. Wenn mich etwas bis „aufs Blut“ reizt, dann läuft in mir immer eine Frage. Sie reicht in der Bandbreite zwischen „Ist es für mich wichtig“, „hat es die Person verdient“ bis hin zu „ist diese Person meine Energie wert?“. Wenn ich mich dem auf mich einstürzenden Problem im Sinne einer Herausforderung stelle(n will), dann hat es nicht das Ziel, den Anderen zu verletzen, ihn gar zu zerstören. Wozu auch, ich akzeptiere seine Ziele und seinen Weg, sie zu erreichen. Aber ich gebe auch mir das gleiche Recht. Und entscheide dann, wie ich vorgehe. Und vielleicht helfe ich dann Beiden …

Anders geschrieben: Es ist für mich auch eine Frage der Rechtmäßigkeit! Schnell ist ein böses Wort gesprochen und nicht zurückzuholen. Aus dem Alter der gelebten Aggression bin ich raus, letztendlich kann es wehtun, wenn die (berechtigte?) Antwort kommt.

Wie ich meine Aggressivität wahrnehme? Nun, über meinen Körper. Er hat eine klare Sprache, äußert sich sehr deutlich.

Was die Frage der Auswirkungen von Aggressivität anbelangt: Nun, ich hörte, man soll seine Gefühle rauslassen, um nicht daran zu „ersticken“. Und ich las, dass Menschen, die sich nicht aus der Reserve holen lassen, einfach besser und länger leben. Ich glaube, das muss jeder mit sich selbst ausmachen.

Kitty, für die Beantwortung Deiner Frage(n) wird Dir dies wohl nicht weiter helfen. Die Gattung Mensch ist auch bloß ein Tier, auch wenn sie dies nicht zugeben mag. Und so unterliegt auch sie den Instinkten, dem Erbe aus vielen Jahrtausend Erfahrungen. Aber eines hat der Mensch: Die Möglichkeit des freien Willens und die Kraft der Entscheidung. Ich finde, davon sollte der Mensch mehr Gebrauch machen *schmunzel*

Viele Grüße
Dieter

Hallo,

Emotionen wie Ärger und Zorn treten auf, wenn es zu einer Störung kommt. „Störung“ ist hier ein allgemeiner Begriff für etwas, das den eigenen Absichten zuwiderläuft, Angriffe, Verletzungen und Herabsetzungen fallen auch darunter. So eine Störung kann von anderen Menschen ausgehen, kann aber auch ohne Zutun anderer aufgrund von Mißgeschicken und selbst verursachten Fehlern zustandekommen.

Beim Ärger oder Zorn werden im Körper Hormone freigesetzt, durch die der Sympathicus aktiviert wird. Es wird also sehr rasch viel Energie bereitgestellt, um die Störung zu beseitigen. Es geht also in erster Linie nicht darum, anderen Menschen Schaden zuzufügen, das geschieht eher als Nebeneffekt, weil die beim Zorn verspürte Energie so stark ist. Aggression verstehen ich als den sichtbaren Ausdruck solcher Emotionen wie Ärger, Zorn und Wut.

Wie kann man damit auf gesunde Art umgehen, um einerseits sich selber und anderen möglichst wenig zu schaden, und anderseits sogar Nutzen daraus zu ziehen? - ich hatte einmal dazu ein Schlüsselerlebnis. Jemand hat mich verbal angegriffen und sehr verletzt, am liebsten hätte ich sofort „zurückgeschossen“. Ich wußte aber, daß nur ein sinnloser Streit entstehen würde, an dessen Ende es zwei Verlierer geben würde. Ich habe es dann geschafft, die Situation ohne „Gegenzorn“ zu entschärfen. Ich hatte danach nicht das Gefühl, jetzt fresse ich das in mich hinein oder dergleichen. Sondern eher war ich stolz auf mich, weil ich die Störung auf andere Weise beseitigen konnte, als durch bloßes Contra geben. Mein Zorn war weg.

Die Energie, die man beim Zorn verspürt, war bereits vorher da und ist nichts anderes als biochemische Energie, die man vorher mit der Nahrung aufgenommen hat (ich glaube, mit hungrigem Magen kommt man nicht ganz so leicht in solche emotionalen Zustände). Die Stresshormone wie z. B. Adrenalin haben die Funktion eines Schalters, der diese Energie zur raschen Verfügung freisetzt. Ist die Störung weg, wird die Energie nicht mehr in diesem Ausmaß benötigt und der Adrenalinspiegel sinkt wieder - der Schalter wird wieder auf Aus gestellt (natürlich dauert es eine kurze Zeit).

Es kann sein, daß es nicht möglich ist, die Störung zu beseitigen. Manchmal ist es möglich, sich an diesen Umstand zu gewöhnen, ihn zu akzeptieren oder sich damit abzufinden, ohne dauernd Zorn zu verspüren und ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen.

Wenn das nicht geht, und vor allem, wenn Angst einen hemmt (z. B. bei Abhängigkeit, ob tatsächlich vorhanden oder bloß empfunden, bei Ungleichgewicht), etwas zu unternehmen, und die Störung dadurch chronisch wird, das ist, glaube ich, das Schlechteste. Das ist dann wirklich ungesund, wenn es zu einem dauernd erhöhten Spiegel eines anderen Stresshormons, des Cortisols kommt - es kann mit der Zeit das Entstehen vieler Krankheiten begünstigen. Das ist die körperliche Entsprechung zum „Hineinfressen“.

Grüße,

I.

Hallo!

Ausserdem wird inzwischen auch
immer deutlicher, welche Rolle die Umwelt spielt.

Farben spielen angeblich eine große Rolle. Krankenzimmer in Krankenhäusern werden gerne grün ausgemalt, weil diese Farbe erwiesenermaßen beruhigt (während rot die Aggressivität steigert).

So weisen
z.B. Studien in Gefängnissen auf eine Verbindung zwischen
Gewaltbereitschaft und Ernährung hin.

Welche Ernährung mindert Gewaltbereitschaft, welche fördert sie?
Haben die Gefangenen mit oder ohne ihre Zustimmung an der Studie teilgenommen?

…wieso wird Aggression dann aber immer mit
Negativem gekoppelt??

Weil Aggression das ist. Wenn ich anderen schaden will - und
so ist die Definition dieses Begriffs, dann ist das negativ.

Wenn man nicht anderen schaden will sondern nur voll Wut eine leere Bierdose auf der Straße davonkickt oder sinnlos auf einen Gegenstand eindrischt (der dabei mitunter weder kaputt geht noch sich von der Stelle bewegt), wenn man mit Dartpfeilen das Foto der verhassten Person abschießt: fällt das auch unter Aggression?
Die Ursprungsposterin hat in der Definition davon gesprochen, „ein Individuum direkt oder indirekt zu schädigen“ (Hervorhebung durch mich).

Hanna

Welche Ernährung mindert Gewaltbereitschaft, welche fördert
sie?
Haben die Gefangenen mit oder ohne ihre Zustimmung an der
Studie teilgenommen?

z.B.
"Gesch et al., Br J Psychiatry. 2002 Jul;181:22-8, Influence of supplementary vitamins, minerals and essential fatty acids on the antisocial behaviour of young adult prisoners. Randomised, placebo-controlled trial.

Abstract
BACKGROUND:
There is evidence that offenders consume diets lacking in essential nutrients and this could adversely affect their behaviour.
AIMS:
To test empirically if physiologically adequate intakes of vitamins, minerals and essential fatty acids cause a reduction in antisocial behaviour.
METHOD:
Experimental, double-blind, placebo-controlled, randomised trial of nutritional supplements on 231 young adult prisoners, comparing disciplinary offences before and during supplementation.
RESULTS:
Compared with placebos, those receiving the active capsules committed an average of 26.3% (95% CI 8.3-44.33%) fewer offences (P=0.03, two-tailed). Compared to baseline, the effect on those taking active supplements for a minimum of 2 weeks (n=172) was an average 35.1% (95% CI 16.3-53.9%) reduction of offences (P"

Wenn man nicht anderen schaden will sondern nur voll Wut eine
leere Bierdose auf der Straße davonkickt oder sinnlos auf
einen Gegenstand eindrischt (der dabei mitunter weder kaputt
geht noch sich von der Stelle bewegt), wenn man mit
Dartpfeilen das Foto der verhassten Person abschießt: fällt
das auch unter Aggression?

Dann würde ich sagen, derjenige hat ein hohes Aggressivitätslevel zeigt aber keine Aggression.

Die Ursprungsposterin hat in der Definition davon gesprochen,
"ein Individuum direkt oder indirekt zu schädigen"
(Hervorhebung durch mich).

Ja, und ich habe dargelegt, dass es einen Unterschied zu machen gilt zwischen Aggressivität (der Bereitschaft) und Aggression (dem direkten Verhalten).

Hallo,

Die Energie, die man beim Zorn verspürt, war bereits vorher da und ist nichts anderes als biochemische Energie, die man vorher mit der Nahrung aufgenommen hat (ich glaube, mit hungrigem Magen kommt man nicht ganz so leicht in solche emotionalen Zustände).

Hast du mal jemanden erlebt, der hungrig und unterzuckert war? Zur Zeit im Werbespot verarbeitet (wobei die Realität deutlich kräftiger ausfallen kannt

Schöne Grüße,
Jule

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Hallo,

…wieso wird Aggression dann aber immer mit Negativem gekoppelt??

Weil Aggression das ist. Wenn ich anderen schaden will - und
so ist die Definition dieses Begriffs, dann ist das negativ.

Wenn man nicht anderen schaden will

Aggression dient auch der Abwehr und zum eigenen Schutz. Eine Absicht oder das Ziel, anderen Schaden zuzufügen, ist nicht zwangsläufig eine Voraussetzung aggressiver Handlung (abwehrende Drohgebärde als Beispiel). Die Definition „anderen schaden“ ist eine einschränkende.

cumc

Hallo,

natürlich weiß ich das nicht wirklich - ich kann mich nicht erinnern, jemals in einem Zustand wirklichen Hungers gewesen zu sein und mir fällt auch keine Beobachtung an anderen Menschen ein. Jedoch ist ein Zustand der Wut sehr energieraubend, das habe ich schon gesehen. Drum stellte ich mir vor, daß mir wahrscheinlich die Energie zur Wut irgendwie fehlen würde, wenn ich wirklich Hunger hätte.

Außerdem bringt mich folgende Überlegung zu der Annahme:

Es gibt etliche hundert Millionen Menschen (mindestens) auf der Welt, die sich nicht genügend Essen leisten können, die also meistens oder ständig hungrig sind. Wenn Hunger also die Wut befördern würde, gäbe es mehr Aufstände in der dritten Welt, und wir würden davon wohl auch hören.

Aber die sind nicht heißhungrig und nicht unterzuckert, weil sich ihre Körper auf den Zustand des andauernden Nahrungsmangels eingestellt haben.

Grüße,

I.