Frage zur Kennzeichnung von Bio-Lebensmitteln

Hallo,

macht es einen Unterschied, wenn Bio-Lebensmittel als „aus biologischer Landwirtschaft“ bzw. als „aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft“ gekennzeichnet sind? Ich habe bspw. letzt im Laden Yoghurt „aus biologischer Landwirtschaft“ gekauft. Auf dem Yoghurt-Glas befand sich aber immerhin das Bioland-Siegel. War das dann ein Yoghurt, der unkontrolliert nach Bioland-Richtlinien produziert wurde?
Warum steht auf manchen Produkten „kontrolliert“ und auf manchen nicht? Ist das Willkür und/oder Achtlosigkeit der Hersteller? Gibt es dafür einen Grund?

Vielleicht eher eine rethorische Frage, aber wäre es nicht angebrachter, dass man ein Bio-Lebensmittel, also bspw. eine Bio-Gurke, einfach als „Gurke“ bezeichnet, die konventionell angebaute Gurke dagegen vielleicht als „Chemo-Gurke“? Damit würde man doch den Teufel beim Namen nennen. In meinen Augen ist ökologische Landwirtschaft eigentlich nur „normal“, schließlich haben die Menschen vor der Erfindung von Pestiziden, Fungiziden, Kunstdüngern etc. doch seit jeher eigentlich immer ökologisch gelandwirtschaftet, oder? Mich würde jedenfalls interessieren, welchen Einfluss dies auf das Verbraucherverhalten hätte. Na ja, ich mache mir allerdings keine Hoffnungen, dass sich dieser Vorschlag durchsetzen wird. ^^

Beste Grüße,
Irmfried

Servus,

die Formulierungen der Texte haben keinerlei Aussage.

Einer meiner Lieblingsstände hier auf dem Wochenmarkt ist einer, der ein Schild da hängen hat, auf dem steht „Glückliche Kartoffeln von freilaufenden Bauern!“

Eine Aussage haben nur die Siegel der einzelnen Erzeugerverbände wie z.B. Bioland oder Demeter, die Kennzeichnung nach EU-Öko-Verordnung („Blatt aus Sternen“, Sechseck mit dem Schriftzug „Bio“) und die Angabe der Kontrollstelle.

Ist das Willkür und/oder Achtlosigkeit der Hersteller? Gibt es dafür einen Grund?

Das hängt davon ab, was dem Werbemenschen besser gefällt, der den Text macht.

Vielleicht eher eine rethorische Frage, aber wäre es nicht angebrachter, dass man ein Bio-Lebensmittel, also bspw. eine Bio-Gurke, einfach als „Gurke“ bezeichnet, die konventionell angebaute Gurke dagegen vielleicht als „Chemo-Gurke“?

Es wäre genauso unsinnig wie die aktuelle Verwendung der Begriffe. Da sich diese aber mit ihrer Bedeutung eingebürgert haben, ist es angebracht, das so zu lassen.

Damit würde man doch den Teufel beim Namen nennen.

Sind denn z.B. Kupfer und Schwefel keine chemischen Elemente? Und wächst eine Gurke nicht als Frucht von Cucumis sativus, wenn man ihr ein moderneres Fungizid als Kupfer gönnt, damit die Regenwürmer in ihrem Acker nicht alle kaputtgehen?

schließlich haben die Menschen vor der Erfindung von Pestiziden, Fungiziden, Kunstdüngern etc. doch seit jeher eigentlich immer ökologisch gelandwirtschaftet, oder?

Nein. Es ist noch keine tausend Jahre her, dass in der Landwirtschaft ein Ansatz zur nachhaltigen Bewirtschaftung im modernen Sinn entwickelt wurde - wenn man einmal von der sehr dürftigen römischen Zweifelderwirtschaft absieht.

Bei historischen Betrachtungen des Themas ist es ferner ganz nützlich, wenn man sich vor Augen führt, wie Hungersnöte in Europa gänzlich außer Mode gekommen sind. Die letzte in Deutschland vor inzwischen beinahe siebzig Jahren war dabei - wie du sicher weißt - nicht technisch bedingt.

Mich würde jedenfalls interessieren, welchen Einfluss dies auf das Verbraucherverhalten hätte.

Verbraucher bräuchten ein gigantisches enzyklopädisches Wissen, wenn sie ihre Konsumentscheidungen nach objektiven Kriterien vernünftig treffen wollten. Das hat aber buchstäblich kein einziger.

Daraus ergibt sich, dass man mit allen möglichen Wortkonstrukten alle möglichen „Trends“ erzeugen kann. Stell Dir mal z.B. vor, wie leicht sich aller mögliche Plastikkrempel z.B. bei Schuhen aufwerten lässt, wenn man ihn „vegan“ nennt.

Schöne Grüße

MM

Hallo!

Schau mal hier rein , „Wie erkennt man „echte“ Bio-Produkte ?“

http://www.verbraucher.de/Kennzeichnung-von-Bioprodu…

Nein, es macht keinen Unterschied, ob da " aus biologischer Landwirtschaft" oder aus „kontrolliert biologischer Landwirtschaft“ steht.
Es ist immer kontrolliert.

Was sein kann, es ist strenger kontrolliert weil es auch nach den weitergehenden Regeln eines Anbauverbandes (Naturland z.B.) geht.
So sind die Anforderungen nach EU-Öko-Verordnung schwächer als die z.B. nach Naturland oder Demeter-Regeln.

MfG
duck313

unkontrollierter Anbau
Hi!
Das Wort „kontrolliert“ hört sich einfach super an.
Deshalb wird es gern verwendet, für Bio- und konventionelle Produkte gleichermaßen. Schaut der Bauer einmal im Jahr auf seinem Acker nach den Kartoffeln, ist das auch schon kontrollierter Anbau.:smile:

Der einzige „unkontrollierte Anbau“ , den ich mir vorstellen könnte, wären Dinge aus Wildsammlung. (Der berühmte Bio-Wildlachs von Rebers (ab 2:30 etwa) :wink: )

Das Wort „Bio“ und „Öko“ und die Kombinationen daraus müssen zertifizierte Bio-Qualiät aufweisen (Bedingungen für’s Biosiegel - Wikipedia).
Bioland, Demeter, naturland und viele andere kommen da zusätzlich dazu, mit eigenen Bedingungen.

Marketing ist nicht umsonst eine Wissenschaft für sich. Früher hat man Dinge „mit“ besonders guten Zutaten beworben „mit Olivenöl“ z.B. oder „mit Calabua-Kakao“. Jetzt wird alles „ohne“ beworben. Gummibärchen ohne Fett, Orangensaft ohne Cholesterin. Sinnvoll ist das nur ganz selten, scheint aber den Verkauf zu fördern.

Servus,

„unkontrollierter Anbau“ von „Bio“-Produkten dürfte in einigem Umfang z.B. in Nordafrika stattfinden, wo Agraringenieure es, sobald sie das Diplom in der Hand haben, als ehrenrührige Zumutung ansehen, z.B. einen Acker oder einen Stall zu betreten oder einen Schlepper zu besteigen.

Ich kann mir nicht gut vorstellen, dass da Aktivitäten von Kontrollstellen außerhalb des Büros des Produktionsleiters stattfinden.

Noja, und wenn mal auf einem Container mit abgepacktem „Bio“-Knoblauch aus China überall auf den Packungen statt „Bio“ der Päpper „TÜV Rheinland“ drauf ist, weiß man, dass halt bloß vergessen wurde, die Etikettiermaschine umzustellen.

Schöne Grüße

MM

Betrug
Nunja, Betrüger gibt es überall. Vor allem, wenn Gewinn winkt.

Betrüger gibt es auch in der konventionellen Landwirtschaft „Klal haben wil in China nul die in Eulopa zugelassenen Splitzmittel verwendet“. *fingerhintermrückenkreuz*

Ich kauf keinen Knoblauch aus China. Auch nicht aus Ägypten. Weder bio noch konventionell. Ich denke ganz allgemein, dass unsere recht guten Kontrollmechanismen nicht um die halbe Welt rum funktionieren.

Krötengrüße

Hallo Aprilfisch,

vielen Dank für deinen Beitrag!

schließlich haben die Menschen vor der Erfindung von Pestiziden, Fungiziden, Kunstdüngern etc. doch seit jeher eigentlich immer ökologisch gelandwirtschaftet, oder?

Nein. Es ist noch keine tausend Jahre her, dass in der
Landwirtschaft ein Ansatz zur nachhaltigen Bewirtschaftung im
modernen Sinn entwickelt wurde - wenn man einmal von der sehr
dürftigen römischen Zweifelderwirtschaft absieht.

Bei historischen Betrachtungen des Themas ist es ferner ganz
nützlich, wenn man sich vor Augen führt, wie Hungersnöte in
Europa gänzlich außer Mode gekommen sind. Die letzte in
Deutschland vor inzwischen beinahe siebzig Jahren war dabei -
wie du sicher weißt - nicht technisch bedingt.

Ich verstehe nicht, was du damit meist. In meinen Augen entspricht die Landwirtschaft, die Menschen in der Vergangenheit vor Entstehung der industriellen Landwirtschaft betrieben haben, viel eher dem, was heute als „ökologische/biologische Landwirtschaft“ bezeichnet wird, als man das von der heute als „konventionell“ bezeichneten Landwirtschaft mit ihren chemischen Pflanzenschutzmitteln, Mineraldüngern, Gentechnik etc. behaupten kann.

Somit sollte eigentlich die ökologische Landwirtschaft in meinen Augen als „konventionell“ oder „normal“ gelten, und nicht mit dem Präfix „Bio-“ versehen werden müssen.

Beste Grüße,
Irmfried

Servus,

Ich verstehe nicht, was du damit meist. In meinen Augen entspricht die Landwirtschaft, die Menschen in der Vergangenheit vor Entstehung der industriellen Landwirtschaft

betrieben haben,

diese Vergangenheit muss man differenzieren. Vor Einführung der Dreifelderwirtschaft im 12. Jahrhundert lässt sich keine starke Entsprechung ausmachen, bis zu dieser Zeit wurde der Boden durch Ackerbau verbraucht.

Eine Dreifelderwirtschaft, bei der durch Kleeanbau wenigstens in ganz kleinem Umfang der dem Boden entzogene Stickstoff wieder systematisch zugeführt wird, ist noch viel jünger, sie stammt aus dem 18. Jahrhundert.

Wenn man so will, stehen hier also etwa 11.000 Jahre konventioneller Ackerbau gegen knapp 300 Jahre „Bio“.

Nebenbei: Das erste Insektizid, das seit Mitte des 19. - Anfang des 20. Jahrhunderts verwendet wurde, war „Bio“: Es ging um einen Aufguss von Tabakblättern. Der war in seiner Wirkung so zart, dass ein Knecht, der ihn gespritzt hatte, anschließend ein bis zwei Tage das Bett hüten musste, weil er mit einer Nikotinvergiftung halb tot in den Seilen hing.

Schöne Grüße

MM

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Nein. Es ist noch keine tausend Jahre her, dass in der
Landwirtschaft ein Ansatz zur nachhaltigen Bewirtschaftung im
modernen Sinn entwickelt wurde - wenn man einmal von der sehr
dürftigen römischen Zweifelderwirtschaft absieht.

Bei historischen Betrachtungen des Themas ist es ferner ganz
nützlich, wenn man sich vor Augen führt, wie Hungersnöte in
Europa gänzlich außer Mode gekommen sind. Die letzte in
Deutschland vor inzwischen beinahe siebzig Jahren war dabei -
wie du sicher weißt - nicht technisch bedingt.

Ich verstehe nicht, was du damit meist. In meinen Augen
entspricht die Landwirtschaft, die Menschen in der
Vergangenheit vor Entstehung der industriellen Landwirtschaft
betrieben haben, viel eher dem, was heute als
„ökologische/biologische Landwirtschaft“ bezeichnet wird, als
man das von der heute als „konventionell“ bezeichneten
Landwirtschaft mit ihren chemischen Pflanzenschutzmitteln,
Mineraldüngern, Gentechnik etc. behaupten kann.

Es gab hierzulande permanente Hungersnöte und nicht nur als folge von Kriegen sondern durch ein rapides Bevölkerungswachstum, als das deutsche Kaiserreich noch weit vor dem ersten WK eine Hochphase der Industrialisierung durchlief. Die Folge wären evtl. Massenaufstände, Anarchie oder die Auswanderung der dringend benötigten Arbeitskräfte gewesen. Kurz, der Zusammenbruch der Gesellschaft, die Staatsauflösung. Die Fakten, dass chronische Unterernährung vorlag, stützten sich u.a. auf die Untersuchengen der Armee- Rekrutierungen von Angehörigen der Arbeiterklasse. Es war aus damaliger Sicht absolut notwendig industrielle chemischgestützte Landwirtschaft zu betreiben. Dünger dazu gab es zwar in Chile. Es lag aber in der Natur der Sache, dass „Taste salty must be British“ jederzeit die Seetransportwege dichtmachen und einen Zustand der Ohnmacht und der Erpressung verursachen konnte. Der Ausbau der Flotte einerseits und der „Griff in die Luft“ (Ammoniak und Salpetersäuresynthese, Fritz Haber) andererseits waren Reaktionen auf diese Rahmenbedingungen. Nach damaligen Begriffen konnte man nicht anders handeln. Eine grüne Bewegung mit "ökologisch/biologischer Landwirtschaft als Ziel“ wäre unter diesen Rahmenbedingungen überhaupt nicht denkbar gewesen, faktisch Hochverrat. Wie man so sagt: das Sein bestimmt das Bewusstsein.

Gruß

Peter

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