Hallo Sara,
es könnte sein, dass Deine Schwierigkeiten mit Diktat Französisch nicht so sehr mit „Können“ oder „Nicht Können“ zu tun haben, sondern eher mit einer persönlichen Unsicherheit: Immerhin lebst Du ganz selbstverständlich mit mehr Sprachen, als die meisten Deiner Mitschüler jemals sprechen werden - Westarabisch, Hocharabisch, Deutsch, Dein örtlicher Dialekt im Deutschen, Französisch (und wahrscheinlich auch noch Englisch, macht schon sechs - eine stolze Summe!)
Und irgendjemand wird immer irgendwo etwas finden, was nicht perfekt stimmt, und Dir das so lange unter die Nase reiben, bis Du am Ende glaubst, Du könntest keine der fünf Sprachen „richtig“ und hättest eigentlich gar keine eigene Sprache für Dich selber.
Der Druck wird besonders groß, weil in drei Zusammenhängen auch noch Ideologie im Spiel ist: Ein ordentlicher Intellektueller muss in Marokko Französisch beherrschen; ein ordentlicher Gläubiger Hocharabisch; ein „integrationswilliger“ (seltsames Wort…) Marokkaner in Deutschland muss besser Deutsch können als sehr viele Deutschen, die über ihren jeweiligen Dialekt nicht hinauskommen. Und den regionalen deutschen Dialekt muss man natürlich auch noch beherrschen, sonst ist man arrogant…
Ich kenne eine Reihe von Kindern und Jugendlichen aus deutsch-französischen Ehen. Alle hatten das Glück, ohne Zwang und Druck mit den beiden Sprachen der Eltern umzugehen, und sind recht gut zweisprachig, außer einem kleinen Mädchen, deren französischer Vater das ganze Leben, das vor der école normale kommt, eigentlich bloß als einen viele Jahre dauernden cours préparatoire betrachtet: Er betrachtet seine Tochter nicht so sehr als Kind, sondern eher als ein Element von „la France de demain“, ich frage mich, ob sie vielleicht auch schon Windeln in den Farben der Tricolore getragen hat - die kleine Marie hat, obwohl sie in Frankreich lebt, fast nur Deutsch (mit ihrer Mutter) gesprochen und regelrecht Angst vor dem Französischen gehabt, bis sie in die Schule gekommen ist, wo das Französische halt auch die Sprache ihrer Schulkameraden ist.
Kurzer Sinn: Ich glaube, dass Du Dich mit dem Französischen leichter tust, wenn Du drüber nachdenkst, wie stolz Du eigentlich auf einen so reichen Schatz an Sprachen sein kannst, und wie billig und einfach die Erfolge sind, wenn man grade mal mit Mühe zwei Sprachen kann: Eine Zahl, über die Du eigentlich bloß lachen kannst. Dass man bei so vielen Sprachen - dazu noch zwei ganz verschiedenen Schriften - eher phonetisch als schriftlich strukturiert lernt, ist ganz normal. Die Schrift darf dann auch noch kommen, aber erstmal soll Dir einer nachmachen, was Du jetzt sprechen kannst!
Schöne Grüße
MM