Französisch im Schwäbischen

Hallo,

ich bin während des letzten Krieges geboren und in einem kleinen Schwarzwalddorf aufgewachsen, in dem man nur schwäbisch sprach. Nun habe ich in Erinnerung, dass die älteren Einheimischen viele französische Worte, vorwiegend Substantive, benutzten. Das Dorf war zwar von Franzosen besetzt. Aber das kann wohl nicht der Grund gewesen sein. Höhere Schulbildung hatte diese Leute auch nicht. Wie läßt sich dies erklären?

Gruß
Otto

Hallo, Otto,

geh mit der Frage ins Dialektbrett!
Du wirst staunen!

Soviel schon mal: der deutsche Südwesten bis rauf nach Köln war in den letzten vierfünfhundert Jahren so oft von den Franzosen besetzt, dass man sich eher wundert, dass hier überhaupt noch Deutsch gesprochen wird.

Das gilt aber auch für andere Regionen.

Meine Großmutter, die als gänzlich ungebildete Dienstmagd hinterm Neusiedler See sicher keinen Französischunterricht genoss, gebrauchte selbstverständlich die Wörter: Lavur, Plafôn, Sutterä, Ridikül, ohne die geringste Ahnung zu haben, dass dies ursprünglich französische Wörter waren.

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Kostprobe:

„Bua“, hot d’Muatter gsait, „dees Mädle, wo du so flattierscht ond mit dere du so rompussierscht ond romflanierscht, an dere han i scho gar koi Pläsier. Dere ihr Familie dees isch a Bagasch. D’Muatter isch a Ragall - guck dr bloß amol dere ihren Däz ond dere ihr Visasch a! So a mechants Mensch ka i net äschtimiere. Dr Vatter isch au a Kannallje, sonscht isch er ganz passabel. I an deinere Schtell hett net d’Kurasch, ‚s Bordmannee uffzmachet ond schpendabel z’sei. Dia ganz Sach isch mer scho arg schenant.“
„Muatter“, hot dr Bua gsait, „no dusma3, mach me net schalu. I schaßs d’Erna net. Wenn i no mei Pläsier han! Mir pressiert’s jo net so grantig mit’m Heirote. Aber bei meinr letschte Fisit han i gseha, daß dia Muatter ganz wif ond adrett isch, ond wenn se so mit ihrem Salettle ern Fodell hockt henter ihre Paseele mit ihrem Schemisle ond ihrer Ondertallje - ond a Fazinettle hot se mer au scho geschenkt -, no sieht se aus wia a Madam.“

Und vergessen wir nicht, dass Französisch etwa vom 15. bis weit ins 19. Jhdt. DIE Sprache der gebildeten Leute war; und wie die Herrschaften sungen, so zwischterten auch bald die Dienstboten und sonstigen Leute.

Gruß Fritz

Und nicht zu vergessen die Hugenotten, die im Schwabenland nach ihrer Vertreibung m. W. sogar eigene Dörfer gegründet haben.

Gruss
Schorsch

Hallo,
auch in Gegenden mit Hugenotten sind viele französische Begriffe in die Sprache/Dialekte eingegangen.
Ich darf mich immer noch an das ungläubige Gesicht meiner Frau im Zug erinnern, als ein paar Sitze weiter ein paar leute am Diskutieren waren und darin das Wort „Krambolaasch“ fiel. Es hatte die Bedeutung von Streit angenommen.
Das Französische hat deutsch besonders im militärischen beeinflusst, allerdings wurde nach 1918 bzw. 1945 einige abgeschafft: Chevaux-Legers in Bayern, Train in der Wehrmacht etc:
Gruss
Rainer

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Stimmt, schließlich gibt es z. B. im Württembergischen den Ortsnamen „Peyrouse“

Es gibt aber noch mehr Gründe, denn in der Tat sind durch die starke Stellung des Französischen als Fremdsprache über das sog. „Honoratiorenschwäbisch“ Begriffe wie „Trottoir“ oder „Chaise-Longe“ in die Volkssprache eingeflossen. Weiterhin erheirateten sich die Grafen von Württemberg Ende des 14. Jhdts. die Grafschaft „Mömpelgard“ (Montbeliard)und behielten sie bis 1792. auch dadurch kam es zu einem gewissen kulturellen Austausch, da z. B. schwäbische Verwaltungsbeamte immer wieder befristet dorthin versetzt wurden.

&Tschüß

WHoepfner

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Stimmt, schließlich gibt es z. B. im Württembergischen den
Ortsnamen „Peyrouse“

Da füge ich noch Pinache hinzu.

„Chaise-Longe“ in die Volkssprache eingeflossen.

Sehr hübsch auch das „Kellertle“, das „Petäterle“ und die „Bokudeherz“.

Weiterhin erheirateten sich die Grafen von Württemberg Ende des 14.
Jhdts. die Grafschaft „Mömpelgard“ (Montbeliard)und behielten
sie bis 1792.

Die Studenten, die von dort her nach Tübingen kamen, brachten bei der französischen Revolution sehr früh genaue Informationen nach Tübingen, sodass Hegel, Hölderlin und Schelling, der die Marsaillaise ins Deutsche übersetzte, recht bald um den Freiheitsbaum tanzten.

Gruß und das „Ade“ nicht vergessen, Fritz

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Servus Diskutanten,

Und nicht zu vergessen die Hugenotten, die im Schwabenland
nach ihrer Vertreibung m. W. sogar eigene Dörfer gegründet
haben.

Gruss
Schorsch

Stimmt, schließlich gibt es z. B. im Württembergischen den
Ortsnamen „Peyrouse“

Stimmt nicht ganz:

(a) heißt der Ort Perouse (dazu gehören noch Pinache, Groß- und Kleinvillars, Serres, Corres) und (b) waren deren Bewohner keine Hugenotten, sondern Waldenser - allerdings auch 1698 aus Frankreich vertrieben.

Die Waldenser haben übrigens auf die Gegenden, in denen sie vorübergehend oder endgültig bleiben konnten, einen bedeutenden Einfluss genommen: Um bei irgendeinem Rausschmiss aus heiterem Himmel wenigstens etwas mitnehmen zu können, war bei ihnen die Kartoffel Nahrungsgrundlage, die man im Gegensatz zum Roggen in fast jedem Zustand ausgraben und mitnehmen kann. Auf diese Weise brachten sie den Kartoffelanbau ins Württembergische. - Die Sprache allerdings nicht, bis zur Eingliederung ihrer Gemeinden in die Evangelische Landeskirche lebten sie kulturell isoliert, mit eigenen Kanzeln und Schulen, und erst nach der Integration dieser Institutionen verlor sich das Waldenserfranzösisch in den genannten Orten Ende des 19. Jahrhunderts.

Auch die winzige Exklave Montbéliard reicht kaum für einen Einfluss auf die Sprache, wohl aber eine eher politisch geprägte Mode:

Die Frankophilie im 19. Jahrhundert in den süddeutschen Mittelstaaten dürfte damit zu tun gehabt haben, dass es für Baden, Württemberg und Bayern klar war, dass sie isoliert Preußen nicht die Stirn bieten konnten. 1866 zeigte sich dann ja auch, dass Österreich keinen besonders weit gehenden Schutz bot. Frankreich wäre wohl eine realistische Alternative gewesen.

  • Neben mir steht ein Zinnkanister von 1759, der noch die Spuren davon trägt, wie er 1866 mit dem Familienschatz gefüllt, verlötet und im Wingert vergraben wurde, als die Preußen zum Zweck der „Wiedervereinigung“ anrückten…

Schöne Grüße

MM

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(a) heißt der Ort Perouse (dazu gehören noch Pinache, Groß-
und Kleinvillars, Serres, Corres) und (b) waren deren Bewohner
keine Hugenotten, sondern Waldenser - allerdings auch 1698 aus
Frankreich vertrieben.

Vergiß auch Frauenzimmern nicht, das bei Brackenheim liegt.

Und dann erinnere ich mich noch ans „Potschamberle“, den Nachttopf, von „pot de chambre“.

Nun sind allerdings nicht nur ins Schwäbische diese französischen Begriffe eingedrungen - am linken Niederrhein von Köln bis Krefeld findet man die auch, z. B. „dä Braselemanes“ = die Umarmung von „bracer les mains“

Gruß - Rolf

Hallo,

Du hast natürlich recht.
Peinlich, peinlich, wenn man sich auf seine Geschichtskenntnisse was einbildet (Mauseloch such’)

WHoepfner

Servus Wolfgang,

und was für ein großartiges Ländle, in dem die Leut ob solcher Details gleich die Mauslöcher aufsuchen!

mit einem schönen Gruß an Kochenbas und Zacke

MM

Hallo, Martin,
der isch jo bloß ins Mauslöchle krocha, om frech rausspitze z’kenna :smile:
Grüße
Eckard