Freier Wille

Hallo!

Angeregt durch eine Diskussion im allgemeinen Naturwissenschaften-Brett möchte ich hier einen Thread starten. Es interessiert mich, wie der freie Wille in der Philosophie gesehen wird.

Hier mal meine Gedanken dazu: Ein Mensch hat die Wahl zwischen zwei Handlungen. Wenn seine Entscheidung nur von äußeren Einflüssen abhängen würde, würden wir sie nicht als „frei“ bezeichnen. Also gibt es auch innere Faktoren, die für die Wahl ausschlaggebend sind. Die Neurophysiologie geht nun davon aus, dass alle inneren Faktoren irgendwie kausal (nicht notwendigerweise deterministisch) erklärt werden können. Es handelt sich um angeborene oder erworbene Strukturen in unserem Gehirn, also z. B. Triebe, Prägungen, Erinnerungen, … Man könnte nun auch hier sagen: Wenn die inneren Faktoren eine rational begründbare Ursache haben, dann sind sie es auch nicht, die uns in unseren Entscheidungen eine freie Wahl lassen. Was bleibt dann noch übrig?

Meiner Ansicht nach muss man den „freien Willen“ radikal anders sehen. Er ist nicht das, was von den rational verständlichen Ursachen abgekoppelt ist, sondern er ist eine emergente Eigenschaft unseres aus Nervenzellen und Synapsen aufgebauten Gehirns.

Um es mal auf den Punkt zu bringen: Wenn ein Mensch als Mörder vor Gericht steht und die Verteidigung Freispruch fordert, weil der Mord nicht seine freie Willensentscheidung war, sondern nur eine unausweichliche Reaktion seines Gehirns auf die Umstände, dann muss der Richter dieses Argument abschmettern. Zwar ist es richtig, dass es dem Angeklagten unmöglich war, etwas anderes zu wollen. Aber nichtsdestotrotz handelte er entsprechend seinem Willen. (Etwas anderes wäre die Tat eines Geisteskranken, der jemanden gegen seinen eigenen Willen tötet.)

So sehe ich das zumindest. Wie steht die Philosophie dazu?

Michael

hi!
ich hab mir dazu auch mal ein paar gedanken gemacht, aber unabhängig von irgendwelchen philosophischen strömungen.
ich hab auch an dem problem genagt, dass die Neurowissenschaften so viele Ergebenisse liefern, die bei einer gewissen interpretation den freien willen ausschließen. Meine Lösung zur Rettung des freien Willens ist ganz einfach: wer sagt denn, dass beim gehirn schluss ist, nur weil dort aktivitäten korelativ (oder kausal) mit handlungen in verbindung gebracht werden? man kann sich auch weiter fragen was denn das gehirn veranlasst aktiv zu werden und ob man dies überhaupt messen kann?

klar, wenn man bei den messungen im gehirn stehen bleibt, dann ist alles auf biologie zurückzuführen. ich denke aber das die metaphysik und die phänomenologie noch ein wörtchen mitzureden haben, da es dinge gibt, die einfach (noch???) nicht messbar sind.

so viel zu meinen individuellen überlegungen. wie gesagt: ich hab keine ahnung wie die Wissenschafts-Philosophie damit umgeht.

lg bob

Was bleibt dann noch übrig?

Meiner Ansicht nach muss man den „freien Willen“ radikal
anders sehen. Er ist nicht das, was von den rational
verständlichen Ursachen abgekoppelt ist, sondern er ist eine
emergente Eigenschaft unseres aus Nervenzellen und Synapsen
aufgebauten Gehirns.

Ich denke, dass man erst mal definieren müsste, was „freier Wille“ überhaupt ist. Die Frage ist, von was der Wille frei ist. Von allem und uneingeschränkt? Oder nur von bestimmten Dingen und wenn ja, von welchen?

Dass er nicht uneingeschränkt frei ist, habe ich dir ja bereits im NaWi-Brett zugestimmt, denn sonst müsste ja eine „höhere Instanz“ existieren, die losgelöst von allem irdischen ist. Wenn man das ablehnt, dann ist die Frage, von was der Wille dann frei ist.

Eine ganz interessante Vorlesung zu genau dem Thema kann man sich hier per Video ansehen. Reinschauen lohnt sich durchaus, da auch ein Überblick gegeben wird über den Stand der Forschung was die Funktionsweise des Gehirns generell belangt. Für mich waren einige Dinge durchaus überraschend, so sehen die Aktivierungspattern im Gehirn teilweise ganz anders aus, z.B. je nach dem ob man die Augen in einem dunklen (!) Raum offen hat oder nicht, obwohl die optische Wahrnehmung überhaupt nichts mit dem zu tun hatte, worüber der Proband nachzudenken hatte (Folie 17).

LMU Ringvorlesung: Ecce Homo!
Vorlesung von Benedikt Grothe, Lehrstuhl für Neurobiologie, LMU München
Nimmt uns die Neurobiologie den freien Willen?
http://videoonline.edu.lmu.de/node/1101

P.S. Wenn man eine Folie anklickt, springt das Video auch zu der betreffenden Stelle.

abschmettern. Zwar ist es richtig, dass es dem Angeklagten
unmöglich war, etwas anderes zu wollen. Aber nichtsdestotrotz
handelte er entsprechend seinem Willen.

Die Frage ist aber dann, was sein Wille ist, d.h. von was wird der Wille bestimmt und von was ist er frei.

Um mal ein Beispiel zu geben:
Angenommen jemand hält dir eine Waffe an den Kopf und sagt, dass er dich tötet, wenn du nicht einen dritten tötest. Obwohl eine Weigerung zum eigenen Tod führt, ist es durchaus möglich, dass sich derjenige trotzdem weigert. Man kann also Handlungen nicht so einfach von außen erzwingen, in gewissem Umfang bist du also z.B. frei von äußeren Zwängen.
Denn wie frei der Mensch z.B. von so was ist, bestimmt ja dann IMO seine Schuld, falls er deswegen vor Gericht stehen würde.

Hallo Michael,

Hier mal meine Gedanken dazu: Ein Mensch hat die Wahl zwischen
zwei Handlungen. Wenn seine Entscheidung nur von äußeren
Einflüssen abhängen würde, würden wir sie nicht als „frei“
bezeichnen.

die Diskrepanz welche sich in allen Diskussionen bei der Betrachtung
des „freien Willen“ ergibt entsteht dadurch, daß nicht unterschieden
wird zwischen der Willensentscheidung an sich und Realisation des
gewollten.(Vollbringung,Tatentscheidung)
Abgesehen von Menschen,die aus welchen Gründen auch immer, willenlos
sind, ist kein Hindernis im Menschen a priori angelegt welches den
Willen (an sich) in seiner Selbstbestimmung unterdrückt.
Auch der größte Verbrecher oder Versager kann den Willen gehabt haben
anders zu handeln, es „richtig“ zu machen.
Und wir sehen doch durch unsere eigene tägliche Erfahrung, daß wir oft
anders handeln, als wir wollen.

z. B. Triebe, Prägungen, Erinnerungen,
… Man könnte nun auch hier sagen: Wenn die inneren Faktoren
eine rational begründbare Ursache haben, dann sind sie es auch
nicht, die uns in unseren Entscheidungen eine freie Wahl
lassen. Was bleibt dann noch übrig?

Siehst Du,das meine ich.Verwischung von freier Wahl und freiem Willen.
Genau wie hier

Zwar ist es richtig, dass es dem Angeklagten
unmöglich war, etwas anderes zu wollen.

Das kann man nicht belegen.

Aber nichtsdestotrotz
handelte er entsprechend seinem Willen.

Das eben wird bei seiner „Verteidigung“ hinterfragt.

So sehe ich das zumindest. Wie steht die Philosophie dazu?

Ich sehe, daß die Philosophie hier eben genauso schwimmt und keine
allgemein anerkannte Definition hervorgebracht hat.
Man hat da zwar Begriffe wie „bedingte“ und „unbedingte“
Willensfreiheit kreiert aber damit das Problem nicht gelöst.
Ich denke, daß nur bei strikter Trennung von Willensentscheidung und
Tatentscheidung dazu Fortschritte in philosophischer(neurologischer ?)
Erkenntnis bringen kann.

Gruß VIKTOR

Auch Hallo,
da kommt man kaum um Schopenhauer rum
„…der Mensch kann tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will“

er entwickelt, imo sehr schön, warum der Wille nicht frei sein kann.

Kant findet, Freiheit ist nicht Willkür sondern den Gesetzen zu folgen die sie sich die ‚Vernunft‘ selbst gibt. Ein freier Wille existiert für ihn nur ‚unter sittlichen Gesetzen‘

Hier geht es also in Richtung Handlungsfreiheit. Da haben wir (Menschen) nach Kant damit Spielraum. Ich kann etwas wollen, finde es nach (m)einer Ethik aber nicht ok es zu tun - beherrsche mich also. Manchmal gelingt mir das dann sogar.

Manchmal auch nicht - dann kommt die nächste Überlegung ins Spiel. Auch wenn mein Wille nicht frei ist und ich es nicht schaffe meine Handlung zu kontrollieren - nimmt das meine Verantwortung die ich für meine Taten habe nicht weg. Außerdem kann es sein, dass meine Taten so schlimm sind, dass andere - die ja auch Rechte haben - vor mir geschützt werden müssen. Dann kann eine Gruppe sich sogar die Regel geben - manche ‚Willen‘ und manche ‚Taten‘ können und wollen wir nicht dulden - diese Person ziehen wir aus dem Verkehr. Nicht als Strafe, sondern als Schutz.

Ein gutes Buch zum Thema ist Michael Schmidt-Salomons
Jenseits von Gut und Böse

ein durch und durch willenfreies…lux :wink:

hallo,

Hier mal meine Gedanken dazu: Ein Mensch hat die Wahl zwischen
zwei Handlungen. Wenn seine Entscheidung nur von äußeren
Einflüssen abhängen würde, würden wir sie nicht als „frei“
bezeichnen. Also gibt es auch innere Faktoren, die für die
Wahl ausschlaggebend sind. Die Neurophysiologie geht nun davon
aus, dass alle inneren Faktoren irgendwie kausal (nicht
notwendigerweise deterministisch) erklärt werden können. Es
handelt sich um angeborene oder erworbene Strukturen in
unserem Gehirn, also z. B. Triebe, Prägungen, Erinnerungen,
… Man könnte nun auch hier sagen: Wenn die inneren Faktoren
eine rational begründbare Ursache haben, dann sind sie es auch
nicht, die uns in unseren Entscheidungen eine freie Wahl
lassen. Was bleibt dann noch übrig?

die „schwere kindheit“

wenn man dem hirn nichts uebernatuerliches unterstellen moechte, besteht alles im hirn auf unterster biologischen ebene ausschliesslich aus elektro-biochemie. impulse werden von a nach b gesendet.

auf 2ter ebene der gedanke - er braucht eine signalreihenfolge. jeder gedanke ist ein bestimmtes muster an signalen bestimmter staerke an einem bestimmten ort(bzw. mind. 2 orten)

tut man etwas, dann erfordert das eine bestimmte abfolge verschiedener signalreihenfolgen.

freier wille ist nicht so frei wie das gerne gesehen wird. man kann nur in gewissen grenzen entscheidungen treffen.

Hallo,

Um es mal auf den Punkt zu bringen: Wenn ein Mensch als Mörder
vor Gericht steht und die Verteidigung Freispruch fordert,
weil der Mord nicht seine freie Willensentscheidung war,
sondern nur eine unausweichliche Reaktion seines Gehirns auf
die Umstände, dann muss der Richter dieses Argument abschmettern.

hier wollte ich noch eine Bemerkung bzw. eine Begründung nennen.
Natürlich haben wir keinen freien Willen im wörtlichen Sinne.

Unter anderem haben wir das Bedürfnis, uns frei zu bewegen und unseren
individuellen Interessen nachzukommen.
Mit der Androhung von Freiheitsentzug mit weiteren Einschränkungen
an persönlichem Komfort und Lebensqualität wird also schon vorher vom
Gesetzgeber ein Hürde aufgebaut, die nicht nur rein auf Vernunft abzielt,
sondern unsere Zwänge bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt.
Der Mörder weiß also schon vor der Tat, dass er bestraft werden wird
und muss nun abwägen, ob er den momentan niederen Trieben nachgibt oder
sich doch lieber zusammenreißt und sich seine Lebensqualität in Zukunft
nicht versaut.
Wenn wir auch nicht völlig frei in unseren Entscheidungen sind, so
sind wir doch intelligente Wesen, die eines gegenüber allen anderen
Tieren voraus haben, nämlich planvolles und auf Zukunft orientiertes
Denken und Handeln.

Zwar ist es richtig, dass es dem Angeklagten unmöglich war, etwas
anderes zu wollen.

Diese Frage muss zumindest im Rechtsstaat immer gestellt und beantwortet
werden. Hat der Täter tatsächlich nicht anders handeln können, dann
ist er geistig krank und kann nicht zukunftsorientiert denken und handeln.
In dem Fall wird er tatsächlich nicht bestraft, sondern eher in
Sicherheitsverwahrung genommen. Kommt zwar auf gleiche raus, mit dem
Unterschied, dass die Bewertung zur Entlassung ganz anders aussieht.

Aber nichtsdestotrotz handelte er entsprechend seinem Willen.

Das ist eben das Postulat, welches man zwangsläufig aufstellen muss,
bevor man Gesetze formuliert und deren Nichteinhaltung sanktioniert.
Gruß Uwi

Hallo!

die Diskrepanz welche sich in allen Diskussionen bei der
Betrachtung
des „freien Willen“ ergibt entsteht dadurch, daß nicht
unterschieden
wird zwischen der Willensentscheidung an sich und Realisation
des
gewollten.(Vollbringung,Tatentscheidung)

Danke für diesen Gedanken und * dafür!

Ich sehe, daß die Philosophie hier eben genauso schwimmt und
keine
allgemein anerkannte Definition hervorgebracht hat.
Man hat da zwar Begriffe wie „bedingte“ und „unbedingte“
Willensfreiheit kreiert aber damit das Problem nicht gelöst.

Das muss ich mir dann mal anschauen. Tante Wiki weiß hoffentlich mehr dazu …

Michael

Nachtrag
Hallo nochmal!

Ich sehe, daß die Philosophie hier eben genauso schwimmt und
keine
allgemein anerkannte Definition hervorgebracht hat.
Man hat da zwar Begriffe wie „bedingte“ und „unbedingte“
Willensfreiheit kreiert aber damit das Problem nicht gelöst.

Das muss ich mir dann mal anschauen. Tante Wiki weiß
hoffentlich mehr dazu …

Das habe ich inzwischen erledigt. (Jetzt bin ich also selbst einer von denen, die erst eine Frage stellen, bevor sie den Wiki-Artikel dazu gelesen haben).

Der Wikipedia-Artikel zum freien Willen ist wirklich exzellent. Er hat mich folgendes erkennen lassen:

  • Die Diskrepanz, die ich in meiner Frage schon geahnt hatte und die Viktor auf den Punkt gebracht hat, tritt tatsächlich in der Philosophie auf.
  • Meine Definition von Willensfreiheit entspricht in etwa der von Thomas Hobbes: „Eine Person handelt dann frei, wenn sie eine Handlung wolle und auch anders handeln könnte, wenn sie anders handeln wolle.“ Ich bin also ein „Kompatibilist“.
  • Besonders schön wurde der Widerspruch von unbedingtem freien Willen und Kausalität durch Torsten de Winkel auf den Punkt gebracht: „Die einzige Möglichkeit, einen wirklich freien Willen zu manifestieren, wäre, etwas zu tun, wozu es keinerlei Veranlassung gibt. Und da dies selbst die Veranlassung wäre, ist dies unmöglich.“

Michael

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Auch Hallo,

wirklich sehr interessant. ***

Was bisher noch überhaupt nicht zur Sprache gekommen ist, ist die Frage, was überhaupt das Motiv des Willens ist. Warum wollen wir überhaupt irgendetwas? Und welche Bedeutung hat es letzlich, ob wir in diesem Wollen von Außen oder aus uns selbst heraus beeinflusst wurden?

In der Diskussion kommt für mich so der Eindruck rüber, dass ein möglichst freier Wille erstrebenswert wäre, ein determinierter Wille dagegen nicht.

Aber selbst wenn es einen absolut freien Willen gäbe, könnten wir dennoch das „Falsche“ wollen. Ein freier Wille wäre keine Garantie dafür, dass wir uns immer objektiv richtig entscheiden würden.

Beispiel Labyrinth:

Ich komme an eine Weggabelung. Soll ich nach rechts oder nach links gehen, um den Ausgang zu finden?

Es ist ganz gleich, ob ich mich frei entscheide oder ob meine Entscheidung determiniert ist. Ich kann mich so oder so falsch oder richtig entscheiden.

Gruß, Hilde

  • Meine Definition von Willensfreiheit entspricht in etwa der
    von Thomas Hobbes: „Eine Person handelt dann frei, wenn sie
    eine Handlung wolle und auch anders handeln könnte, wenn sie
    anders handeln wolle.“ Ich bin also ein „Kompatibilist“.

Aber was du willst ist doch in der kompatibilistischen Sicht bereits festgelegt. Wo soll darin die „Freiheit“ bestehen und von was soll da der Wille frei sein?

Und die kompatibilistische Sicht geht ja von einer determinierten Welt aus. Soweit ich dich bis jetzt verstanden habe, gehst du doch davon nicht aus, oder?

  • Besonders schön wurde der Widerspruch von unbedingtem freien
    Willen und Kausalität durch Torsten de Winkel auf den Punkt
    gebracht: „Die einzige Möglichkeit, einen wirklich freien
    Willen zu manifestieren, wäre, etwas zu tun, wozu es keinerlei
    Veranlassung gibt. Und da dies selbst die Veranlassung wäre,
    ist dies unmöglich.“

Dem kann ich folgen. Dass es einen unbedingt freien Willen geben könnte, das halte ich durch diesen Widerspruch für widerlegt.

Aber es könnte einen bedingten freien Willen geben, doch von was ist dieser Wille frei und von was ist er bedingt? Das ist doch die Frage IMO…

Hallo!

Aber was du willst ist doch in der kompatibilistischen Sicht
bereits festgelegt. Wo soll darin die „Freiheit“ bestehen und
von was soll da der Wille frei sein?

Ich begebe mich jetzt auf dünnes Eis, weil ich mich mit Psychologie und Psychiatrie nicht wirklich auskenne. Aber ich würde es mit Freud so definieren, dass man von einem freien Willen dann sprechen kann, wenn das Ich die maßgebliche Instanz beim Handeln ist. Folge ich hingegen hauptsächlich inneren Zwängen (Es) oder äußeren Zwängen (Über-Ich), dann bin bin ich nicht frei.

Die Art und Weise, in der das Ich das Verhalten bestimmt, gehorcht es den Naturgesetzen und ist in dem Sinne determiniert (jedoch nicht im streng deterministischen Sinne). Aber es ist das, womit wir unsere Persönlichkeit identifizieren. Somit entsprechen unsere Handlungen auch unserem Willen.

In „Einer flog über das Kuckucksnest“ ist der von Jack Nicholson gespielte Simulant ganz verblüfft, als er erfährt, dass die anderen Insassen der Irrenanstalt anscheinden freiwillig dort sind und die Anstalt jederzeit verlassen könnten. Ob das stimmt, erfährt der Zuschauer nie. Sicher ist nur, dass der einzige Gesunde - nämlich Jack Nicholson - unfreiwillig eingesperrt ist.

Warum erzähle ich das? Die „echten Irren“ bleiben ihrem freien Willen folgend in der Anstalt. Ob es eine Alternative zu dieser Entscheidung gibt, ist irrelevant. Der „Gesunde“ rebelliert dagegen. In einer Umgebung von lauter „Irren“, ist er der eigentliche Kranke, weil sein freier Wille im Widerspruch zu den Normen der Anstalt stehen.

(Bitte verstehe diese Geschichte als Gleichnis, nicht als Beispiel. Die „Anstalt“ steht dabei für unsere physische Existenz. „In der Anstalt bleiben“ heißt: Handeln und Wollen stimmen überein. „Gegen die Anstalt rebellieren.“ heißt: Innere oder äußere Zwänge hindern einen an der Ausübung des freien Willens.)

Und die kompatibilistische Sicht geht ja von einer
determinierten Welt aus. Soweit ich dich bis jetzt verstanden
habe, gehst du doch davon nicht aus, oder?

Die kompatibilistische Sichtweise ist ja älter als die moderne Physik. Insofern konnte die Erschütterung des Determinismus noch nicht in diese Idee einfließen. Für mich ist die Frage eines klassischen Determinismus auch gar nicht relevant. Deswegen bin ich in meinen jüngeren Postings auch dazu übergegangen, statt von „Determinismus“ von „Kausalität“ zu sprechen, also dass es einen rational-verständlichen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung gibt.

Aber es könnte einen bedingten freien Willen geben, doch von
was ist dieser Wille frei und von was ist er bedingt? Das ist
doch die Frage IMO…

Um das oben gesagte noch einmal zusammen zu fassen:

Wir handeln frei nach unserem Willen, wenn unser Handeln vom ICH bestimmt wird und nicht durch äußere oder innere Zwänge. Damit ist der Wille selbst nicht frei. Er kann es auch nicht sein, denn das wäre absurd: Handlungen wären dann rein zufällig.

Michael

PS: Viel gelernt. Nachdenken macht selten dumm. Danke an alle!

Hallo Hilde,

Was bisher noch überhaupt nicht zur Sprache gekommen ist, ist
die Frage, was überhaupt das Motiv des Willens ist.

richtig, dies war aber eben auch nicht die Fragestellung.
Und auch hier den Begriff „Motiv“ einzubringen ist für die
Erkenntnisfindung hier nicht hilfreich oder gar verwirrend.
Hat das SEIN oder seine Komponenten ein Motiv ?

In der Diskussion kommt für mich so der Eindruck rüber, dass
ein möglichst freier Wille erstrebenswert wäre, ein
determinierter Wille dagegen nicht.

Für mich stellt sich die Frage, ob man den Begriff unfrei überhaupt
dem Begriff Wille zuordnen kann oder auch determiniert.

Aber selbst wenn es einen absolut freien Willen gäbe, könnten
wir dennoch das „Falsche“ wollen.

Ist wieder nicht dem Begriff Wille zuzuordnen.
Falsch, richtig -im welchem Sinne auch immer- haben mit Willen an sich
(frei oder nicht) nichts zu tun.

Ich komme an eine Weggabelung. Soll ich nach rechts oder nach
links gehen, um den Ausgang zu finden?
Es ist ganz gleich, ob ich mich frei entscheide oder ob meine
Entscheidung determiniert ist. Ich kann mich so oder so falsch
oder richtig entscheiden.

Siehst Du, Du sagst dies selbst.
Du vermischst eben die (Qualität !)Handlungsentscheidung mit der
der Frage über die Existenz des (freien ?) Willens an sich.
Primär hat der Wille keine Qualität ! (habe diese Aussage so aber noch
ganz durchdacht)
Gruß VIKTOR

Hi, Viktor,

du hast natürlich recht. Die Fragestellung nach dem freien, bzw. determinierten Willen zielte lediglich auf die Verantwortlichkeit ab, also ob man einen Menschen für seine Entscheidungen zur Rechenschaft ziehen kann, weil er diese tatsächlich selbst zu verantworten hat, etc. (Rechtsphilosophie)

Für diese Fragestellung spielt die Qualität der Entscheidung, also des Willens an sich keine Rolle.

Mit „Motiv“ habe ich folgendes gemeint:

Der Wille ist ja kein Selbstzweck, sondern eben gerade zweckgerichtet. Warum wollen wir etwas? Weil wir uns etwas bestimmtes davon versprechen (Aussicht auf Belohnung, etc.)

Letzlich ist ja auch unser Weltbild, unsere Weltanschauung, bzw. unsere Lebensphilosophie Ausfluss unseres Willens:

Was wollen wir im Leben erreichen? (und warum?), wer wollen wir sein? (und warum?), wie wollen wir, dass uns andere sehen?(und warum?, was wollen wir in unserem ganz persönlichen Wertesystem als „richtig“ oder „falsch“ erachten? (und warum?)

Entscheidend ist doch aber, ob unsere Vorstellungen und Bewertungen, die zu Entscheidungen führen, der objektiven Wirklichkeit entsprechen oder nicht.

Beispiel Politik/Wahlen:

Es gibt Menschen, die sind überzeugte FDP-Wähler, andere sind überzeugte Wähler der LINKEN. Jeder Wähler dieser Parteien hat für sich gute Gründe und Argumente, warum er genau so wählt und nicht anders.

Interessant ist doch, ob die jeweiligen Annahmen und Bewertungen die zu einer Entscheidung (Wille) führen, in objektiver Hinsicht verifizierbar sind.

Ist es objektiv richtig, dass man den Armen hilft, wenn man den Reichen das Leben schwer macht?

ODER:

Ist es objektiv richtig, dass es auch zum Wohle der Armen ist, wenn man die Reichen entlastet?

Im Alltag sind wohl weit über 90 % unserer Entscheidungen emotional motiviert. Damit beschäftigt sich im übrigen die gesamt Marketing-Branche (Verkaufspsychologie). Der Wille ist manipulierbar und letztlich willkürlich. Man kann alles Mögliche wollen, wenn man es für richtig hält und davon überzeugt ist (warum auch immer) das richtige zu wollen, bzw. zu tun. Alles eine Frage der Perspektive.

Für mich eines der interessantesten Themen überhaupt.

Schönen Rest-Sonntag,

Hilde

Aber es könnte einen bedingten freien Willen geben,

Hallo deconstruct, bedingt und frei? Das scheinst Du nach dem Komma selbst auszuschließen.

Hallo deconstruct, bedingt und frei? Das scheinst Du nach dem
Komma selbst auszuschließen.

Wieso? Wo soll sich da was ausschließen?

Hallo Hilde,

Der Wille ist ja kein Selbstzweck, sondern eben gerade
zweckgerichtet. Warum wollen wir etwas? Weil wir uns etwas
bestimmtes davon versprechen (Aussicht auf Belohnung, etc.)

auch dieser Denkansatz ist meiner Ansicht nach nicht relevant
bezüglich der Fragestellung.Auch die Tiere haben zweckgerichtete
Handlungen denen auch irgendwie ein „Wollen“ vorausgeht.
Ziel- und zweckgerichtetes Wollen hat primär mit (freien)Willen
im philosophischen Sinne nichts gemein sondern mehr mit der Frage
der SEINs-Gestaltung.
Es scheint hier wohl wirklich schwierig eine Trennung zwischen
Wille und Handlung zu vollziehen, sogar wenn dies explizit „angemahnt“
wird.
Genau wie dies:

Letzlich ist ja auch unser Weltbild, unsere Weltanschauung,
bzw. unsere Lebensphilosophie Ausfluss unseres Willens:
Was wollen wir im Leben erreichen? (und warum?), wer wollen
wir sein? (und warum?), wie wollen wir, dass uns andere
sehen?(und warum?, was wollen wir in unserem ganz persönlichen
Wertesystem als „richtig“ oder „falsch“ erachten? (und warum?)

Auch die angeführten (hinterfragten)Gründe für Willensentscheidungen
welche Du dann in Beispielen bringst sind nicht nahe am eigentlichen Problem.

Im Alltag sind wohl weit über 90 % unserer Entscheidungen
emotional motiviert.

Du bist weit weg von „Willen“.
Gruß VIKTOR

Primär hat der Wille keine Qualität !

Hallo VIKTOR, außer, trotz allem, doch frei zu sein, denn das unterscheidet wollen von müssen. Auf moralischer und ethischer Ebene sind dem Willen Fesseln angelegt. Aber bei trivialem Handeln? zB spontan einen Knopf zu drücken, während Hirnsignale abgeleitet werden. Da fordert der Experimentator freie Willensentscheidung und zeigt dann, daß dem Probanden seine (freie) Entscheidung, den Knopf zu drücken, erst 100stel Sekunden später bewusst wird.

Ist das ein Beweis, daß unser Handeln nicht von uns, sondern von einem ES veranlasst wird? Ich glaube nicht, daß die Experimentatoren die unterschiedlichen Signalgeschwindigkeiten vergessen haben. Aber es könnte sein, daß das Signal nicht das Bewusstwerden anzeigt, sondern ein „Feedback“ über den erfolgten Entschluss an ein vorgelagertes Areal ist.

Sei`s drum, gerade bei solchen trivialen Entscheidungen scheint mir freies Handeln möglich und vielleicht auch nachweisbar. Ungebrochene Kausalität ad infinitum führt meines Erachtens zu absurder Determiniertheit. Gruß, eck.

Hallo Michael,

Ich begebe mich jetzt auf dünnes Eis, weil ich mich mit
Psychologie und Psychiatrie nicht wirklich auskenne. Aber ich
würde es mit Freud so definieren, dass man von einem freien
Willen dann sprechen kann, wenn das Ich die maßgebliche
Instanz beim Handeln ist. Folge ich hingegen hauptsächlich
inneren Zwängen (Es) oder äußeren Zwängen
(Über-Ich), dann bin bin ich nicht frei.

es ist wieder diese verflixte Vermischung von Wille und Handlung
von dem sich hier kein Diskussionspartner lösen kann - die
zitierten Denker konnten dies offensichtlich auch nicht.
Was hat mein Handeln - unter innerem oder äußerem Zwang oder durch
mein maßgebliches ICH (als Instanz) mit dem (freien) Willen zu tun ?
Nichts.Es besagt nur, wie Du es formulierst, daß ich nicht frei bin.
Daß die Umstände unter denen ich meinen Willen in Handlungen
darstellen will (wenn ich dies überhaupt will) mir es nicht gestatten
Wille und Handlung konform zu halten sagt doch nichts über den Willen
an sich aus.

Somit entsprechen unsere Handlungen auch unserem Willen.

Nur wenn wir Glück haben.

also dass es einen rational-verständlichen
Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung gibt.

Ich sehe es so, daß der „freie Wille“ es bewirken kann, diesen
Zusammenhang zu relativieren oder ganz aufzuheben.

Wir handeln frei nach unserem Willen, wenn unser Handeln vom
ICH bestimmt wird und nicht durch äußere oder innere Zwänge.
Damit ist der Wille selbst nicht frei.

s.meine Einlassungen dazu.(z.Bsp. oben)

Er kann es auch nicht
sein, denn das wäre absurd: Handlungen wären dann rein
zufällig.

Nein,denn die Handlungen sind nicht vom Willen allein abhängig.
Außerdem müßte dann Deine vergleichende Formel lauten:
Freier Wille=Zufall.
Könntest Du diese Position wirklich (begründet)halten ?
Als Hilfe zu diesem Gedankengang vielleicht:
http://de.wikipedia.org/wiki/Zufall#Zufall_und_freie…
Mir gefällt dabei der Satz:frowning:Kant)
„Willensfreiheit bedeutet danach „das Vermögen, einen Zustand von selbst anzufangen““.
Wobei ich hier Vermögen eben als die „innerhalb angelegte Möglichkeit“
ansehe.
Kant hat hier die Trennung von Wille und Handlung(fast)gut gemeistert.

Gruß VIKTOR

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Hallo deconstruct, bedingt und frei? Das scheinst Du nach dem
Komma selbst auszuschließen.

Wieso? Wo soll sich da was ausschließen?

Nun, bedingt heißt doch abhängig. Es gibt allerdings die umgangssprachliche Bedeutung von „eingeschränkt“. Beide Lesarten passen aber nicht auf Freiheit, wie sie hier gemeint ist. Gruß, eck.