Freiheit zur Sünde -> Leid der Welt

Hallo Chan,

Du gehst einfach von Vorstellungen" (einem „Bild“) eines Gottes
aus, wie es die Theodizee-Fragestellung vom Christentum übernommen hat

Was heißt „Vorstellung“? Ralf geht von den (objektiv
hypothetischen) Grundmerkmalen des (objektiv hypothetischen)
Christengottes aus, die seit jeher von allen Christen
anerkannt werden: Allgüte, Allwissenheit, Allmacht.

in meiner Argumentation hatte ich „Gott“ erst mal raus gelassen und
ich bin kein Atheist.
Wenn hier in „Grundsatzdisskusionen“ zwischen Atheisten und
Nichtatheisten, bei denen die Frage ansteht - Gott IST nicht
oder Gott IST - dann ist es vollkommen daneben, darüber hinaus ein
„Gottesbild“ zu forcieren welches Gott bestimmte den Menschen
zugedachte und dem menschlischen Umgang gemäße „Eigenschaften“
aufstülpt. Das dies hier besonders Atheisten immer wieder aufgreifen
ist bezeichnend.
Ich habe aufgezeigt (ist natürlich auch hinterfragbar ) daß das
SEIN , das sich fortentwickelnde SEIN, die Evolution des Leben,
(vielleicht auch eine „Evolution“ des metaphysischen Lebens)
nicht ohne „Konflikte“, ohne Gegensätze darstellbar ist, weil sich
sonst nicht bewegen kann.
Wir sind in diese Konflikte, dieses „Leben“, mit unserem Bewußtsein
hineingesetzt (aufgeweckt ?) worden.
Dieser „Konflikt“ an sich entzieht sich jeder moralischen „Wertung“,
er ist notwendiger Bestandteil des SEINs und kann auch keinem
Schöpfer dieses SEINs „moralisch wertend“ zugeordnet werden.
Ich hoffe ich habe mich bis hierher mit meinen bescheidenen
sprachlichen Möglichkeiten(auf die Schnelle) verständlich machen
können.

Ein Widerspruch zu den Übeln der Welt ergibt sich ganz
unmittelbar daraus.

Nein, eben nicht.

Eine zusätzliche Irritation liefert der Umstand, dass „Gott“
sein Projekt „Welt“ offensichtlich nachbessern musste.

Es ist interessant, daß Atheisten immer genau wissen, wie „Gott“
zu sehen ist, was seine Absichten waren mit dem „Projekt Welt“
und wo er versagt hat - also kein Gott ist.
Es ist richtig, daß (christl.)Religionen ihre Vorstellungen von
Gott gestaltet haben und ihm auch dem Menschen gemäße Eigenschaften
aufstülpten.
Tatsache aber ist, daß das AT von Gott nicht mehr „weiß“ als das
ER IST („Ich BIN der da IST“) und die Botschaft, von Jesus
bezeugt „Niemand kennt den Vater außer dem Sohn“.
Und - zusammengefaßt - „nur der Sohn bezeugt den Willen des Vaters“,
also Gottes.
Wenn der „Blick“ auf Gott, sowohl von „Gläubigen“ wie auch Atheisten
einer Phantasie entspricht, wie er weder „geoffenbart“ wurde, noch
sein kann, so ist Widerspruch hausgemacht.
Du (oder ein anderer) kann natürlich sagen, Gott , wenn allmächtig,
hätte auch eine Welt schaffen können ohne Konflikte !!
Hat er ja - doch da war sie „tot“, ohne Bewußtsein.
(natürlich bewegt sich auch die nicht belebte Welt durch Differenz)
Nun könntest Du sagen, er hätte diese Konflikte auch „fein abstimmen“
können, so daß Konflikte nicht mehr als solche empfunden werden,
Schmerz nicht mehr als Schmerz - usw. ich könnte da weit
ausgreifen. (ähnlich wäre es, wenn wir das Wetter selbst bestimmen
würden, wie uns - jeder für sich ! - genehm)
Wie hättest Du es gern ?

sandte seinen „Sohn“, um die Menschen zu erlösen. Etwas musste
schief gelaufen sein …

Ja, der „freie Wille“ des Menschen (von Gott so gewollt !)impliziert
daß etwas „schief“ laufen kann, sonst wäre Entscheidung nicht möglich.
Jesus wurde ja nicht berufen, die Naturgesetze zu „entmachten“, damit
sie den Menschen nicht mehr schaden, sondern ihnen den Weg (die
Botschaft - „ich bin der Weg…“) zu zeigen, wie sie trotz ihres
(möglichen) Versagens, „schief laufens“,(den Schaden welchen sie
untereinander anrichten) daraus entkommen können, eben zum Heil.
Außerdem wurde er selbst der menschlichen Willkür ausgeliefert.
(nach dem christlichen Verständnis)

Es will einem Nichtchristen einfach nicht in den Kopf…

Er will dies auch nicht in seinen Kopf.

  1. Es gibt einen Gott, aber er ist nicht allgütig und/oder
    nicht allwissend und/oder nicht allmächtig.

Einem Gott dies doch zu zudenken - es sind dies nicht dem Menschen
eigene Eigenschaften - ist nicht abwegig.
Nicht jedoch aus einer engen menschlichen Erkenntnis heraus, sondern
wenn erst der Mensch die entsprechende „Vervollkommnung“ erreicht
hat - jedenfalls aus der Sicht der Botschaft.(analog Buddhismus ??)

Gesetzt, 2) trifft zu, dann kennen die Christen ihren Gott
nicht wirklich.

WER kennt Gott.(Ach ja - die Atheisten)

Außerdem läßt Du (fast) jede Eigenverantwortung des Menschen außenvor, weil DU in Deinem atheistischen Weltbild keinen freien Willen gebrauchen kannst.

In Paulus´ christlichem Weltbild ist dafür allerdings erst
recht kein Platz:

Dann kennst Du Paulus wirklich nicht.
Seine ständigen Ermahnungen an seine Gemeinden, Jesus zu folgen,
mit ihm der „Sünde“ zu sterben und auch Röm.2.13-16 (wir hatten dies
schon mal) fordern schon den Willen zum tun heraus, nicht das
„Abwarten“ auf Gnade.Aufforderung zur Entscheidung impliziert
und unterstellt immer freien Willen. Alles andere ist Kappes.
Doch dies wäre ein anders Thema.
In seinen Auseinandersetzungen mit den „gesetzestreuen“ jüdischen
Christen (welche zur Erlangung des Heil auch noch am mosaischen
Gesetz festhalten wollten) forciert er in seinen Gegenhaltungen die
Gnade Gottes und das „Erlösungwerk“ Jesu.
Das reformatorische "Sola gratia"und auch! „Solus Christus“ ignorieren
völlig die andern Aussagen von Paulus und die Botschaft von Jesus
selbst.

Paulus zufolge hat der Mensch also keinerlei Einfluss auf
seine Erlösung, er ist nicht frei.

Das nun ist eben nicht so,sondern u.a.lutherische Fehlinterpretation
aus einem selektierten Paulus.
Gruß VIKTOR

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Hallo Ralf

Danke für Deine sehr gute Zusammenfassung des Theodizee Problems. Ich bin zwar der Meinung, dass Du bei der Alternative (Ersetze Gott durch Evolutionsmechanismen) Deine vorher an den Tag gelegte kritische Gründlichkeit abgelegt hast, aber darum geht es hier ja nicht

In einer Sache sollte man aber etwas tiefer gehen. Die Begriffe „gütig“ und „Allmacht“ bilden einen logischen Widerspruch und Deine Folgerung wäre, entweder den einen oder den anderen Begriff aufzugeben.

Meines Erachtens fehlt hier aber eine Möglichkeit, nämlich dass die Logik nicht ausreicht, um die Wirklichkeit zu beschreiben. Die mathematische Zweiwerte-Logik ist ein menschliches Produkt und wir kennen nicht nur aus der Theologie, sondern auch aus der Physik, der Soziologie, der Politik usw. genügend Beispiele, die zeigen, dass dieses mathematische Konstrukt eine Idealisierung ist, die im Detail durchaus schlicht falsch sein kann, ohne dass man gleich die Existenz des betrachteten Gegenstandes in Zweifel ziehen kann.

Natürlich ist das Schulterzucken und der Rückzug auf die Unerforschlichkeit Gottes zu platt, aber eigentlich versteckt sich dahinter bzw. dem Rückzug auf ein „Gott gibt es nicht“ der Unwille, seine eigenen Denkkategorien an Hand der uns umgebenden Realität zu hinterfragen.

Gruß
Thomas

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Moin Ralf,

Deine Frage setzt unzulässigerweise voraus, dass dem so ist
(dass ein „Gott“ dem Menschen die Freiheit und die damit
verbundene Möglichkeit zur Sünde gegeben hat) - was aber
durchaus zweifelhaft ist.

Das haben doch alle Geistesgrößen der Vergangenheit getan: Der von Dir zitierte Augustinus, Leibniz in seiner Theodizee: Er setzt Gott voraus - gewissermassen als Axiom für die dann folgende Kette „ER hat die bestmögliche aller Welten geschaffen“ (etwas verkürzt).

In der Regel sind gewisse Privilegierungen von Priester- und
Herrscherkaste Bestandteil einer solchen ‚gottgewollten
Ordnung‘.

Das war wohl unvermeidlich nach der Herausbildung größerer sozialer Gesellschaften. Schon die alten Römer (Seneca?) sagte:
„Religion ist dem gemeinen Manne etwas Wahres, dem Weisen etwas Falsches, dem Herrscher etwas Nützliches.“

Wenn man nun die Existens eines Gottes, wie wir ihn oben im
Sinne theistischer Religionen definiert haben, bezweifelt (und
es gehört keine allzu große intellektuelle Anstrengung dazu,
dies zu tun), …

Dafür hat VIKTOR Dich ja schon gescholten …

… dann wird natürlich umgekehrt ein Schuh draus -
die Regeln sozialen Zusammenlebens, die sich im Lauf der
Menschheitsgeschichte als evolutionsbiologisch vorteilhaft
erwiesen haben, …

Das war wohl für kleine Gruppen und ihren Zusammenhalt sicher ein Vorteil. In heutigen Großgesellschaften ist Religion etwas Trennendes, Unfrieden stiftendes … wir sehen und hören es in den täglichen Nachrichten.

Nach Klärung dieser Voraussetzungen können wir nun Deine
Frage nochmals stellen:

„Warum hat Gott dem Menschen die Freiheit und die damit verbundene
Möglichkeit zur Sünde gegeben? -> Folge: das Leid der Welt“

Das beantwortest Du philosophisch sehr ausführlich. Da ich philosophisch nicht so gebildet bin, halte ich es eher mit Russells Teekanne oder dem „Flying Spaghetti Monster“ (nu’ schimpft man schön).

Die klassische Formulierung des Problems stammt von Lactantius
(ca. 250 - 320), der damit auch nur einen älteren
(unbekannten) Philosophen zitiert:

Meinst Du Epikur? Der hat das doch schon Jahrhunderte früher so ähnlich formuliert.

Gruss
Laika

Das Schöpfungs-Game incl. Höllen-Plugin
Hi Viktor.

Wenn hier in „Grundsatzdisskusionen“ zwischen Atheisten und
Nichtatheisten, bei denen die Frage ansteht - Gott IST nicht
oder Gott IST - dann ist es vollkommen daneben, darüber hinaus ein
„Gottesbild“ zu forcieren welches Gott bestimmte den Menschen zugedachte und dem menschlischen Umgang gemäße"Eigenschaften" aufstülpt. Das dies hier besonders Atheisten immer wiederaufgreifen ist bezeichnend.

Jetzt machst du aber den Gärtner zum Bock. Sind es nicht gerade die Christen, welche „Gott“ vermenschlichen? Ja, sie sind es. Wir Atheisten greifen diese Antropomorphisierung nur auf, um mit dem Instrument der Logik die Widersprüche innerhalb des anthropomorphen Gottesbildes aufzuzeigen (schwer ist das ja nicht). Die Bibel ist voll von Eigenschaftszuschreibungen (zu Gott), die der menschlichen Erfahrungswelt entnommen sind.

Begriffe wie Güte, Macht, Zorn, Gnade usw. sind empirische Begriffe (d.h. sie werden normalerweise Menschen zugeordnet). Die Christen projizieren sie auf ein Wesen, das (laut Christentum) transzendent ist, also trans-empirisch. Die Unlogik dieses Vermischens der Ebenen (transzendent und empirisch) ist ein klassisches Argument der Christentumskritik, das Geltung haben wird, solange es das Christentum gibt. Auch du hast „Gott“ oft die Eigenschaften der Güte, Liebe usw. zugeschrieben.

Dein obiger Vorwurf ist also nicht nachvollziehbar.

Wir sind in diese Konflikte, :dieses „Leben“, mit unserem Bewußtsein hineingesetzt :frowning:aufgeweckt ?) worden. Dieser „Konflikt“ an sich entzieht sich jeder :moralischen „Wertung“, er ist notwendiger Bestandteil des :SEINs und kann auch keinem Schöpfer dieses :SEINs „moralisch wertend“ zugeordnet werden.

Das ist ja fast schon Existenzialismus. Ein neuer Ton bei dir. Nett.

Aber:

Wenn denn „Gott“ allmächtig ist, dann ist er auch verantwortlich für alle Folgen, die aus seinem Schöpfungsakt resultieren. Er ist der Programmierer dieses Games. Selbst wenn dieses Game, um im Bild zu bleiben, eine Art KI (Künstliche Intelligenz) hat, sich also über programmierte Features hinaus selbst entwickeln kann, so hat der Programmierer doch den Rahmen und die Grundparameter dafür geschaffen. Ein System entwickelt auch nicht von sich aus KI, diese muss in seinen Grundvoraussetzungen angelegt sein.

So oder so: der Schöpfer (Programmierer) kann für die Folgen seines Tuns nicht aus der Verantwortung genommen werden.

Schon gar nicht, wenn er zu allem Überfluss auch noch all-wissend ist.

Eine zusätzliche Irritation liefert der Umstand, dass „Gott“
sein Projekt „Welt“ offensichtlich nachbessern musste.

Es ist interessant, daß Atheisten immer genau wissen, wie"Gott" zu sehen ist, was seine Absichten waren mit dem „ProjektWelt“ und wo er versagt hat - also kein Gott ist.

Entweder er hat versagt, oder er ist ein sehr merkwürdiger Gott, oder es gibt ihn gar nicht.

Tatsache aber ist, daß das AT von Gott nicht mehr „weiß“ alsdas ER IST („Ich BIN der da IST“) und die Botschaft, von Jesus bezeugt „Niemand kennt den Vater außer dem Sohn“.

Dass „Gott“ die Welt schuf, Moses Gesetze gab etc. pp., das alles steht im AT natürlich nicht.

Du (oder ein anderer) kann natürlich sagen, Gott , wenn allmächtig, hätte auch eine Welt schaffen können ohne Konflikte !!
Nun könntest Du sagen, er hätte diese Konflikte auch „fein abstimmen“ können, so daß Konflikte nicht mehr als solche empfunden werden, Schmerz nicht mehr als Schmerz - usw. …
Wie hättest Du es gern ?

  1. Du begründest nicht, warum „Gott“ überhaupt eine Welt schuf. Wenn er denn vollkommen ist, dann hat er das nicht nötig. Vollkommenheit ruht in sich, sie bedarf keiner Ergänzung, sondern wäre sie keine Vollkommenheit. Allein das Schaffen einer von ihm getrennten Welt zeigt, dass die Vollkommenheit so vollkommen nicht sein kann. „Schaffen“ - auch das ist ein empirischer, der Menschenwelt entnommener Begriff. Was aber bedeutet er dort? Er bedeutet, dass ein Bedürfnis gegeben ist, irgendein Mangel, der das Schaffen eines Produktes erfordert (gleich ob technisch oder künstlerisch). Auch der Künstler schafft nicht „frei“ - er steht unter einem inneren Druck, das Werk „will“ aus ihm heraus.

  2. Wie ich es gern hätte? Nicht so ultrabrutal, bitteschön. Der Allwissende hätte voraussehen müssen, dass sein Werk zahlreiche Grausamkeiten bewirkt.

Außerdem - ich betone es immer wieder - ist auch und vor allem die „Hölle“ ein Teil des göttlichen Werks, der alle weltlichen Grausamkeiten noch unendlich toppt. Diesen ewigen Mega-Folterkeller stand laut Theologie bereits vor aller irdischen Grausamkeit bereit, um Kundschaft aufzunehmen. Wie will man das denn schönreden?

sandte seinen „Sohn“, um die Menschen zu erlösen. Etwas musste
schief gelaufen sein …

Ja, der „freie Wille“ des Menschen (von Gott so gewollt!)impliziert daß etwas „schief“ laufen kann, sonst wäre Entscheidung nicht möglich.

Das erinnert wieder an den Gameprogrammierer, der in sein Game Konfliktparameter einbaut, um das Spiel (dessen einziger Zuschauer er ist) für sich interessant zu machen.

Es will einem Nichtchristen einfach nicht in den Kopf…

Er will dies auch nicht in seinen Kopf.

Unlogisches will nun mal nicht in manche Köpfe.

In Paulus´ christlichem Weltbild ist dafür allerdings erst
recht kein Platz:

Dann kennst Du Paulus wirklich nicht.

So ist das mit der Bibel: man kann für alles, auch für das Entgegengesetzte, passende Zitate herausfischen, oft beim gleichen Autor/Urheber. Die Bibel ist ein Selbstbedienungsladen für Christen wie für Atheisten. Was nicht gerade für die logische Stimmigkeit dieses Buches spricht.

Chan

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Hi.

wärst du lieber ein Tier?

Gern, und wenn möglich auf dem nächsten Stufe der Evolution.
Das Tiere keine „Sünde“ kennen muss ich bezweifeln.
Sünde setzt Unrechtsbewustsein voraus. Meine Katze hat sie und kann sie klar ausdrücken. Sündigen tut sie bewusst.

Gruß.

Balázs.

Moin Laika,

Deine Frage setzt unzulässigerweise voraus, dass dem so ist
(dass ein „Gott“ dem Menschen die Freiheit und die damit
verbundene Möglichkeit zur Sünde gegeben hat) - was aber
durchaus zweifelhaft ist.

Das haben doch alle Geistesgrößen der Vergangenheit getan:
Der von Dir zitierte Augustinus, Leibniz in seiner Theodizee:

„alle“ Geistesgrößen wohl kaum, schon gar nicht, wenn man sich auch außerhalb Europas umsieht. Dass Beispiele aus dem christlichen Kulturraum so dünn gesät sind, hängt vor allem damit zusammen, dass religiöse Dissidenten lange Zeit mit einem ziemlich schmerzhaften Tod rechnen mussten - selbst einem Lucilio Vanini, den man gnädigerweise (anders als Giordano Bruno) vor dem Verbrennen erdrosselte, schnitt man wenigstens vorher die Zunge heraus.

Wenn man nun die Existens eines Gottes, wie wir ihn oben im
Sinne theistischer Religionen definiert haben, bezweifelt (und
es gehört keine allzu große intellektuelle Anstrengung dazu,
dies zu tun), …

Dafür hat VIKTOR Dich ja schon gescholten …

Das ist ein einfacher Fakt. Ich weiss gar nicht, warum er sich wieder so aufregt. Hätte ich gesagt, die Bejahung der Existenz eines solchen Gottes bedarf keiner allzu großen intellektuellen Anstrengung wär’s ihm wahrscheinlich auch nicht recht gewesen …

die Regeln sozialen Zusammenlebens, die sich im Lauf der
Menschheitsgeschichte als evolutionsbiologisch vorteilhaft
erwiesen haben, …

Das war wohl für kleine Gruppen und ihren Zusammenhalt sicher
ein Vorteil. In heutigen Großgesellschaften ist Religion etwas
Trennendes, Unfrieden stiftendes … wir sehen und hören es in
den täglichen Nachrichten.

Zunächst - diese Regeln sind natürlich auch für heutige „Großgesellschaften“ von Vorteil. Es ging um die transzendente (religiöse) Begründung dieser Regeln - allgemein gesagt: von Ethik. Und die ist sicher verzichtbar, das hat uns spätestens Immanuel Kant exemplarisch vorexerziert. Das hat allerdings auch schon Gautama Buddha ein halbes Jahrtausend vor Christus gelehrt.

Du hast insofern recht, als eine religiös pluralistische Gesellschaft mit intoleranten Religionen (bzw. eine reicht da schon) ganz erhebliche Probleme bekommen kann. Daher auch das vor allem in der Geschichte des Christentums immer wieder (von Konstantin ‚dem Großen‘ bis hin zu Louis XIV.) zu beobachtende Bestreben, dem Staat eine Einheitsreligion zu verpassen - also religiösen Pluralismus zu beseitigen. Heute eher ein Problem in Ländern, die von islamisch inspirierten Führern regiert werden.

Meinst Du Epikur? Der hat das doch schon Jahrhunderte früher
so ähnlich formuliert.

Das sog. argumentum Epicuri ist durch Lactanz überliefert - der legt es fälschlich Epikur in den Mund (http://www.jstor.org/pss/1584470).

Freundliche Grüße
Ralf

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Moin nochmal,

(„Moin“ heisst ja nicht „Guten Morgen“, wie manche annehmen, es ist ein allgemeiner Gruss).

… dass religiöse Dissidenten lange Zeit mit
einem ziemlich schmerzhaften Tod rechnen mussten - selbst
einem Lucilio Vanini, den man gnädigerweise (anders als
Giordano Bruno) vor dem Verbrennen erdrosselte, schnitt man
wenigstens vorher die Zunge heraus.

Über Vanini habe ich gelesen. Seitdem habe ich, wenn mir „Scheiterhaufen“ und all die anderen unsäglichen Dinge in den Sinn kommen, ein ziemlich unangenehmes Gefühl hinten im Hals. Ein Augenzeuge berichtet (gelesen wohl bei Wikipedia), dass „er noch nie einen so furchtbaren Schrei gehört habe.“
Allein dieser eine einzige Fall überzeugt mich, dass all diese religiösen Vorstellungen nicht nur zweifelhaft sind. Und das oft gehörte Argument „ohne Religion keine Moral (-grundlage)“ wird damit völlig ad absurdum geführt.
Wenn Nietzsche sagt, „dass das Christentum die wilden Germanen etwas gezähmt hat“ … da hat er sich wohl geirrt.

Gruss
Laika

Hallo Thomas

Ich bin zwar der Meinung, dass Du bei der
Alternative (Ersetze Gott durch Evolutionsmechanismen) Deine
vorher an den Tag gelegte kritische Gründlichkeit abgelegt
hast, aber darum geht es hier ja nicht

eben - deswegen habe ich diese mit ‚notabene‘ gekennzeichnete Anmerkung auch nicht tiefergehend erläutert. Feuerbachs und/oder Marx’ Religionskritik zusammenfassend darzustellen, wäre hier o.t. gewesen und hätte auch den Rahmen des postings gesprengt - daher nur der knappe Hinweis auf eine Sicht, die die transzendente Herleitung ethischer Forderungen vom Kopf auf die Füße stellt. Von mir aus auch umgekehrt, wenn Dir das lieber ist.

Meines Erachtens fehlt hier aber eine Möglichkeit, nämlich
dass die Logik nicht ausreicht, um die Wirklichkeit zu
beschreiben.

Du machst da ein ziemliches Fass auf. Also - zunächst einmal ist Logik kein Werkzeug, um „die Wirklichkeit zu beschreiben“. Logik (und wir sprechen hier von formaler Logik) ist ein auf wenigen evidenten Grundvoraussetzungen (Axiomen) beruhendes Regelwerk, das Schlüsse zulässt. Dieses Regelwerk wiederum ist nichts Künstliches - es ist die empirisch verifizierte Struktur folgerichtigen Denkens. Wenn man logische Schlüsse mit der empirischen Wirklichkeit vergleicht, wird man daher feststellen, dass logische Schlüsse etwas sind, das bestens funktioniert - vorausgesetzt, man wendet die Regeln der Logik richtig an. Darauf basiert nicht nur so etwas Abstraktes wie Mathematik - ein Mensch ohne wenigstens rudimentäre logische Fähigkeiten ist ohne fremde Hilfe nicht einmal überlebensfähig.

Die mathematische Zweiwerte-Logik ist ein
menschliches Produkt und wir kennen nicht nur aus der
Theologie, sondern auch aus der Physik, der Soziologie, der
Politik usw. genügend Beispiele, die zeigen, dass dieses
mathematische Konstrukt eine Idealisierung ist, die im Detail
durchaus schlicht falsch sein kann, ohne dass man gleich die
Existenz des betrachteten Gegenstandes in Zweifel ziehen kann.

Nun, dass es solche Beispiele aus der Theologie gibt, würde ich als Letzter bezweifeln :wink:. Wie schon gesagt, ist Logik ein Regelwerk, das bestens funktioniert. Wenn man Logik auf komplexe Sachverhalte anwendet, sind die beim logischen Schließen zu berücksichtigenden Bedingungen dieses Sachverhalts naturgemäß ebenfalls komplex - d.h. es ist eine Vielzahl von Voraussetzungen mit einzubeziehen. Was Du als „Idealisierung“ bezeichnest, ist tatsächlich eine Simplifizierung, die zu entsprechend unscharfen Ergebnissen führt. Ein Problem der Logik ist das nicht, es ist eines ihrer sachgerechten Anwendung.

Nun haben wir in Hinsicht auf unsere Fragestellung allerdings eben keinen komplexen Sachverhalt. Wir haben die einfache Frage, ob die offensichtliche Existenz von Leiden mit der Theorie eines gütigen und allmächtigen Schöpfers logisch vereinbar ist. Das ist sie nicht - die genannten Voraussetzungen - Schöpfergott, absolute Güte, absolute Allmacht - lassen in keinem Fall logisch einen Schluss auf den uns vorliegenden empirischen Sachverhalt - nämlich dass Existieren von Leid - zu. Sie schließen ihn vielmehr aus. Das mag auf den ersten Blick als simplifiziert erscheinen - aber auch durch Einführung weiterer Ausgangsbedingungen, d.h. duch eine beliebig erhöhte Komplexität des Modells, ändert sich an dem Ergebnis nichts, weil die Ausgangsbedingungen ‚Güte‘ und ‚Allmacht‘ nach theistischen Verständnis absolut sind und daher durch zusätzliche Bedingungen nicht eingeschränkt werden können.

Worauf Deine Argumentation hinausläuft, das ist schlicht, dass auf „Gott“ Logik keine Anwendung finden darf. Das ist eigentlich eine Binsenwahrheit. Glaube hat nichts mit Logik zu tun und Logik nichts mit Glaube. Credo, quia absurdum est. Diese brave Theologen-Maxime kann man sich zu eigen machen, so man es denn unbedingt will - man muss es aber nicht. Non credo, quia absurdum est ist da vielleicht doch etwas naheliegender …

Natürlich ist das Schulterzucken und der Rückzug auf die
Unerforschlichkeit Gottes zu platt, aber eigentlich versteckt
sich dahinter bzw. dem Rückzug auf ein „Gott gibt es nicht“
der Unwille, seine eigenen Denkkategorien an Hand der uns
umgebenden Realität zu hinterfragen.

Eben das tut doch die Fragestellerin des Ausgangspostings - die uns umgebende Realität, die vom Leiden der ‚Kreatur‘ (der ‚Schöpfung‘) durchtränkt ist, hinterfragen. Eine logische Antwort, die das Postulat eines allgütigen und allmächtigen Gottes unangetastet lässt, gibt es nicht. Das und nichts Anderes wollte ich verdeutlichen - nachdem sie schon so viele unlogische Antworten erhalten hatte.

Freundliche Grüße
Ralf

Hallo

Sünde setzt Unrechtsbewustsein voraus. Meine Katze hat sie und kann :sie klar ausdrücken. Sündigen tut sie bewusst.

Die Gebote ihres Herrl sind ihr also egal,was wird sie wohl antworten wenn sie gefragt wird ob sie auch weiss,was Sünde ist-frag sie doch… Gruß swpeedytwo

Die Gründe für das christliche Dilemma
Hi Thomas.

Die mathematische Zweiwerte-Logik ist ein
menschliches Produkt und wir kennen nicht nur aus der
Theologie…

Das Problem bei alldem ist, dass die christliche Religion zwei verschiedene Ebenen der Gotteserkenntnis kennt, die miteinander nicht vereinbar sind. Für eine dieser Ebenen ist Logik anwendbar, für die andere nicht.

Es gibt zum einen die analoge Gotteserkenntnis (der Mensch kann durch den Gebrauch seiner Vernunft aus der Schöpfung auf den Schöpfer Rückschlüsse ziehen). Die daraus gezogenen Folgerungen können logisch analysiert werden, was zu den bekannten Widersprüchen führt. Zum andern gibt es die eigentliche, die unmittelbare Gotteserkenntnis, die mystische Züge trägt und der logischen Untersuchung nicht zugänglich ist.

  1. Resultate analoger Gotteserkenntnis sind z.B. die „Gott“ zugeschriebenen Eigenschaften der Allgüte, Allmacht und Allwissenheit. Da man Güte, Macht und Wissen in der empirischen Welt vorfindet und diese, laut Theologie, in Analogiebeziehung zum Schöpfer steht, darf der Christ solche Merkmale (in der Welt nur unvollkommen realisiert) bei der Analogisierung maximieren und dem vollkommenen Gott als vollkommene Eigenschaften zuschreiben.

Aus atheistischer Sicht ist das aber nur eine Rationalisierung des Projektionsmechanismus, wie ihn Feuerbach beschrieben hat.

  1. Die unmittelbare Gotteserkenntnis entzieht sich der begrifflichen Beschreibung. Offen ist hier, inwieweit sich christliche „unmittelbare Erkenntnis“ mit nichtchristlicher mystischer Erkenntnis überschneidet. Vieles spricht dafür, dass die Entsprechungen sehr erheblich sind. Christliche Mystiker wie Eckhart und Böhme zogen aus ihren Erkenntnissen pantheistische Konsequenzen, was bei Eckhart fast zu dessen Hinrichtung geführt hätte (ihn rettete nur seine Berühmtheit).

Mystische Erkenntnis heißt in nuce: Ich und Gott sind eins. Es gibt keine Trennung von Ich und Gott. Es gibt auch keine Attribute, die man dieser transzendenten Seinserfahrung direkt zuordnen könnte, z.B. Güte oder Macht. Diese „göttliche“ Sein ist eigenschaftslos und völlig apersonal. Was aber dem christlichen Hauptdogma über Gott, der in personaler Beziehung zu seinen Geschöpfen steht, völlig widerspricht.

Ausdruck des Bemühens, der unmittelbaren Erkenntnis theologisch gerecht zu werden, ist die christliche Negative Theologie, die von „Gott“ nur das sagt, was er nicht ist. Ähnliche Herangehensweisen an die transzendente Dimension findet man auch beim Neuplatonismus (Einfluss auf Negative Theologie) und bei den asiatischen Religionen (das eigenschaftlose Brahman des Vedanta z.B.).

Christliche Theologie ist daher eine Gratwanderung zwischen beiden Erkenntnisebenen. Die Widersprüche, die daraus resultieren, erklären sich aus der Unvereinbarkeit dieser Ebenen.

Weder auf die analoge noch auf die unmittelbare Gotteserkenntnis aber kann das Christentum verzichten. Auf die erste nicht, weil gerade die analogen Eigenschaftszuschreibungen die Macht des Christentums begründen und (schein)legitimieren, auf die zweite nicht, weil zu viele Christen mystische Neigungen haben und diese bei anderen Religionen ausleben würden, gäbe das Christentum nicht einen minimalen Freiraum für solche Anschauungen.

Chan

Hi.

Die Gebote ihres Herrl sind ihr also egal,

So kategorisch sagt sie es nicht. Sie drückt sich diferenzierter aus. Kategorisch zeigt sie nur, dass Herrl Einbildung ist und unsinnige Gebote im Partnerschafft nicht gehören und nicht lang tolerierbar sind. Sonst ist sie bereit nachvollziehbare Grenzen zu akzeptieren.

-frag sie doch…

Das ist doch selbsverständlich und in allen Angelegenheiten wie sie es auch tut.

Gruß

Balázs