Freizeitangebote im Pflegeheim

Hallo,

eine alte Dame aus meinem Bekanntenkreis ist seit einigen Monaten in einem Pflegeheim (Ernst-Faber-Haus in Coburg).

Sie hat dort ein nettes Zimmer in einem neu gebauten Gebäudeteil.

Am schwarzen Brett hängt ein bunter „Stundenplan“ mit wöchentlich wiederkehrenden Freizeitangeboten, wie z.B. Kochen, Gymnastik, etc. Es gibt eine offene Küche mit Ausstattung und in einem Zeitungsartikel über genau dieses Heim wird von einer „Lebensgemeinschaft“ der alten Leute gesprochen.

Die Realität sieht leider ganz anders aus:
Die Alten Leute ziehen sich fast immer nach dem Essen wieder in ihre Zimmer zurück. Gemeinsames Kochen unter Anleitung gibt es nicht, die Küche sieht aus wie neu. Auf Nachfrage, ob man mit der Oma mal kochen könne, kam eine „naja, wenns sein muss“-Reaktion der Schwester. Da hätte ich selbst als junger Mensch wenig Energie, es trotzdem zu tun.
Die Hauswirtschaftgruppe und auch andere Angebote vom Stundenplan fallen regelmäßig aus. Auf Anfrage wurden immer andere Gründe genannt.

Es gibt nicht einmal einen Schrank mit Gesellschaftsspielen, die die alten Leute gemeinsam machen könnten (den gab es sogar im Krankenhaus, in dem die Oma vorher war).

Jetzt meine Frage:
Ist das in allen Heimen so, dass man für 2500 Euro pro Monat nicht mal die „Hardware“ zur Verfügung hat, die zur selbständigen Beschäftigung der alten Menschen nötig wäre, oder dass die bunt angekündigten Freizeitangebote einfach ausfallen?
Eigentlich würde ich mir sogar eine gewisse Motivation der alten Menschen durch das Personal wünschen. Zu hohe Ansprüche?

Kennt jemand ein Heim in Coburg, das hält, was es verspricht?
Ich freue mich über jeden Hinweis!

Viele Grüße,
Jürgen

Hallo Jürgen,

leider musste auch ich erfahren, dass der schöne Schein selten bis gar nicht hält, was er verspricht.
Meine Mutter musste nach einer OP in die Kurzzeitpflege, um wieder auf die Beine zu kommen. Sie konnte noch nicht laufen.
Ich recherchierte viel und hatte das große „Glück“, eine Einrichtung in unserer Nähe zu finden, die in allen Bereichen mit den besten Noten zertifiziert wurde. Solche Sachen wie ‚würdevoller Umgang‘, ‚Wahrung der Intimsphäre‘, ‚individuelle Betreuung‘ und ‚abwechslungsreiches Freizeitangebot‘ klangen verlockend und ich freute mich sehr, dass ein Platz zur Verfügung stand.
Du ahnst es vielleicht, nichts davon traf zu.
Wäre ich nicht jeden Tag zwei- bis dreimal dort gewesen, hätte meine Mutter noch nachmittags keinen Tropfen Wasser am Körper gehabt. Hätten wir ihr nicht einen Fernseher und ein Radio ans Bett gestellt, hätte sie keine weitere Unterhaltung gehabt.
Die Station sah auf den ersten Blick toll aus, mit hübschen Aufenthaltsräumen, Blumen auf dem Gang und Bilder an der Wand. Auch hier hing ein Plan mit Beschäftigungen an der Pinnwand. Doch wegen Personalmangels fand kaum etwas davon statt. Später erfuhr ich, dass die Belegschaft zum größten Teil aus 400€-Kräften bestand, die natürlich in ihren wenigen Stunden viel schaffen mussten.
In meiner Abwesenheit war der Ton dort wohl so ruppig, dass meine Mutter sich nach und nach in sich selbst verkroch. Sie bekam Angst vor den Pflegern.Ich fürchtete sogar, sie hätte eine Demenz.
Schlussendlich holten wir sie nach Hause, und zuhause ging es ihr von Tag zu Tag besser.

Du siehst also, die besten Noten garantieren keine gute Unterbringung. Vielleicht kannst Du im Heim Deiner Bekannten etwas bewegen? Ich habe mich zunächst auch nicht getraut, doch irgendwann musste ich in diesem Laden energisch werden. Und es war interessant zu sehen, dass bald bekannt war, um welche Uhrzeit ich immer eintreffe, und dass meine Mutter bis dahin voll versorgt war. Sie sagt, sie hätte keine Nachteile durch mein forscheres Auftreten gehabt.

Zeige bei Deiner Bekannten Präsenz. Zeige allen, dass sie nicht allein ist. Und fordere Dinge, die vordergründig angeboten werden. Und lass Dich vor allem nicht von einer muffeligen Schwester abschrecken.

Alles Gute,

Susanne

ein heim in coburg kenne ich leider nicht, aber ich kann dir aus meiner erfahrung als altenpflegerin sagen, dass nicht immer nur das personal daran schuld ist, dass nichts unternommen wird.

viel zu oft habe ich versuche gestartet und habe meine damen und herren dazu bewegen wollen n bisschen was zu machen, aber diese möchten meist nicht „nein, ich habe keine lust“ " das is mir zu viel aufwand" „sie haben doch wichtigeres zu tun als mit mir zu spielen“ „ich kann doch nicht richtig sehen“ " ich kann das doch nicht" „ich weiß nicht wie das geht“

Hallo Jürgen,

auch wir haben für meine Schwiegermutter ein Haus ausgesucht,in dem sie möglichst viel Abwechslung und Zersteuungen angeboten bekommt, die auf sie zugeschnitten sind, wie wir dachten. Die Kosten in der Einrichtung sind dementsprechend hoch.

Fakt ist, dass sie davon nichts haben will. Nicht mal von denen, die für sie früher wichtig waren. Sie nimmt weder an kleinen bestens organisierten Ausflügen teil, noch an Veranstalltungen im Hause.

Es ist eine Kleinstadt und meine Schwiegermutter kennt 3/4 der Heimbewohner schon seit Jahrzehnten. Trotzdem will sie am Liebsten für sich sein und Fernsehgucken, obwohl sie direkt hinterher nicht mehr sagen kann, was sie gesehen hat.

Wir akzeptieren, dass sie nicht mehr von aussen ‚aktiviert‘ werden möchte. Auch wenn es uns schwefällt. Wir bezahlen die komfortabele Unterbringung weiter, weil es uns ein gutes Gefühl gibt, alles für die Mutter zu tun und wir keine andere Lösung haben. Sch*** ist es trotzdem, den Mutter möchte wahrscheinlich in wachen Momenten nur eine vertraute Person um sich haben. Bezahlte Annimation hin oder her.

Leidvolle Grüße
Maralena

Hallo,

es ist natürlich fragwürdig, wenn mit täglich wechselnden Angeboten geworben wird, die dann tatsächlich regelmäßig ausfallen. Da wäre mehr Ehrlichkeit angesagt. Allerdings Ehrlichkeit in einer Art und Weise, wie sie vielen Angehörigen auch nicht unbedingt besser schmecken wird: Entsprechende Angebote kosten Geld, das irgendjemand bezahlen muss. Auch die Anbieter sind nur Menschen, und schieben Frust, wenn aufwändig geplante Angebote nicht angenommen werden. Angebote werden - dass habe ich aus diversen Heimen inzwischen gehört - zunehmend seltener wahrgenommen, weil das Einzugsalter massiv gestiegen ist, und der körperliche und geistige Zustand der Bewohner bei Einzug inzwischen deutlich schlechter als noch vor Jahren gewesen ist. D.h. die Leute bleiben, solange sie noch fit sind, in der eigenen Wohnung und wechseln erst dann in Heime, wenn es gar nicht mehr anders geht. Und dann sind den Aktivitäten natürliche Grenzen gesetzt, und die nötigen Gruppengrößen kommen nicht mehr zusammen, auch wenn es ggf. noch den ein oder anderen fitteren Bewohner gibt.

Ausnahmen sind Einrichtungen, die ähnlich wie die eigene Wohnung entsprechend große und autarke Wohnungen bieten, und als echte Alternative zur eigenen Wohnung empfunden, und daher früher bezogen werden. Das sind aber gleichzeitig natürlich auch eher hochpreisige Angebote, die sich natürlich nicht jeder leisten kann/will.

Gruß vom Wiz

Hallo ! Die Dame ist ja noch gut dran, solange sie noch laufen kann. Wenn jemand, so wie meine Schwiegermutter(93) auf dem Buckel liegt, aber der Kopf noch fit ist- der langweilt sich buchstäblich zu Tode.
Und das für ca. 3600.00 € monatlich!! So ein Heim ist das Schlimmste, was einem passieren kann.Nur 3-S-Methode ist gefragt: Sauber - Satt -Still !!!(Weit weg von Coburg)
Traurige Grüße - die Greisin

und warum sucht ihr dann nicht ein besseres und günstigeres heim???

fragende grüße

Hallo,

leider sind „besser“ und „billiger“ zwei Forderungen, die sich (fast) immer ausschließen.

Ebenso bei den Freizeitangeboten ist es immer eine Gratwanderung. Soll man im Vorlauf eine Teilnehmerliste aushängen, bei derem Eintrag dann die Teilnahme verpflichtend wird? Bei einem Kurs, also ein paar zusammenhängenden Veranstaltungen ist es denke ich ok.

Wenn dann zweimal nacheinander, z.B. zu einem Dia-Abend nur 4 Leute erscheinen, überlegt man sich, ob soetwas nochmal angeboten wird.

Gruß Volker

ich hab auch nie das gegenteil behauptet, aber wenn man sich aufregt das das teure heim ja soooo schlimm is, dann sollte man sich doch mal in deren heimen umsehen, vllt. gibt es ja günstigere und die taugen den anforderungen evtl. doch mehr oder genauso viel?! man weiß es nicht genau…
anstatt sich aufzuregen, sollte man sich halt doch mal umsehen, oder?

Pflegekräfte sind nunmal keine Animateure und wenn die alten Leute nicht mitmachen wollen, können sie auch nichts dafür.
Ich kenne das auch so, dass Senioren in Heimen lieber in ihrer Bude hocken und Fernsehen gucken.

Das Personal kann sowas anbieten, aber mitmachen muss schon jemand, man kann sie ja nicht dazu zwingen.

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Warum fühlst Du Dich angegriffen?

Ich schrieb doch, dass Mutti nicht mehr will.
Ich sage NICHT, dass das Personal irgendwie schuld sei.

Danke, dass Du mir inswoweit recht gibst, dass dieses Rückzugs-Verhalten nicht unüblich ist.

M.

Statement:

  1. Es gibt keine billigen Heime
  2. Personal fehlt überall
  3. Der Umgangston ist immer genervt, wenn die „Alten“ Forderungen stellen, wie z.B.nach Zuwendung.
  4. Man wählt immer am besten ein wohnortnahes Heim, damit man seine alten Herrschaften möglichst oft besuchen kann.
  5. Bevor ich in einem Heim fest im Bett liegen muß, möchte ich lieber tot sein.
  6. Alle anderen Vorstellungen über Heime sind sozialromantisch.
    So sieht es die Greisin

Liebe Ratgeber,

vielen Dank für Eure teils sehr umfassenden Antworten.
Es hat mich sehr gefreut, die unterschiedlichsten Erfahrungen, Vorschläge und Erklärungen zu hören, auch wenn im Wesentlichen heraus kam, dass so ein Heim und die dazugehörige Versorgung/Verpflegung sich meist nur auf die 3 „S“ konzentriert, und man froh sein kann, wenn man so eine Art der Unterbringung nie benötigt.
Wir werden auf jeden Fall in Zukunft öfter unter Tags in dem Heim anrufen und nachfragen, ob sich die Oma gerade in diesem oder jenem Kurs befindet; den Stundenplan habe ich abfotografiert…
Dass die Pflegekräfte teilweise „genervt“ oder „frustriert“ sind, ist einerseits erklärbar, auf der anderen Seite kann aber, bei der richtigen Einstellung zur Sache, die Arbeit mit alten Menschen auch sehr bereichernd sein. In dieser Hinsicht wäre es zu wünschen, wenn nur Leute mit der entsprechenden „Berufung“ diesen Beruf erlernen und ausüben würden…

Nochmals vielen Dank und viele Grüße,
Jürgen

Hallo,

ja, die Erkenntnis ist bitter. Für das was wir aktuell so normalerweise in die staatlichen Systeme einzahlen ist eine über die Grundbedürfnisse hinausgehende Versorgung leider in den klassischen Formen nicht machbar. Denn es fehlt zunehmend der Nachwuchs, der die immer älter werdenden, stärkeren Elterngenerationen finanzieren kann.

Insoweit ist auch der Wunsch nach „berufenem“ Personal leider eine stark romantisierende Vorstellung. Wir haben immer mehr Bedarf, gerade auch in besonders schwierigen Bereichen, wie der Pflege von Demenz betroffenen Menschen, aber die Zahl der „Berufenen“ ist leider recht gering, und angesichts magerer Verdienstaussichten, Schichtdienst mit Wochenend- und Feiertagsarbeit gehört schon eine Menge Idealismus dazu diesen Job aus Überzeugung auch dann zu machen, wenn man auch andere berufliche Möglichkeiten hätte.

Somit kommen wir leider mehr und mehr in die Situation, dass die Arbeit in der Pflege aufgrund des steigenden Bedarfs zunehmend von Menschen gemacht wird, die diese nicht aus Überzeugung, sondern nur deshalb ausüben, weil es ihnen an „besseren“ Alternativen mangelt.

Gleichzeitig brechen aber auch Alternativen zu hiervon betroffenen Einrichtungen, wie die kaum noch verbreitete Großfamilie, weg. Und je mehr wir unseren Kindern vorleben, dass wir die Pflege und Versorgung unserer eigenen Eltern möglichst an Dritte abgeben wollen, um so weniger sollten wir uns wundern, dass es uns die eigenen Kinder (falls es die überhaupt gibt) gleich tun. Für manchen - aus Überzeugung kinderlosen - dynamischen Single kommt da dann irgendwann ein böses Erwachen.

Gruß vom Wiz

Hallo so ein Verhalten kann auch ein Zeichen sein, dass man sich abgeschoben fühlt, aufs Abstellgleis.
Ich weiss nicht ob es unter depressionen fällt aber Unzufriedenheit mit der Heimunterbringung allemal.
Viele Alte leute, gerade wenn sie noch einigermassen fit sind, brauchen lange um den Wechsel zu verarbeiten, da ihnen das Pflegeheim wie eine Vorstufe zur Leichenhalle vorkommt, dazu die Enttäuschung über die eigenen Kinder, dass die einen dahingebracht haben(auch wenn es das schönste und teuerste Heim der Welt ist) und nicht zuletzt Schamgefühl/Selbstwertverletzung fürs eigene Versagen, nicht mehr selbst klarzukommen.
Daher all die Wohnalternativen, die eben nicht den Heimcharme versprühen.
Gruß B