Hallo,
imm Freundeskreis haben wir ein Kind, dessen Muttersprache
Englisch ist, das aber hier in Deutschland aufgewuchs und
ebenfalls sehr gut die Vatersprache Deutsch spricht.
Hier wäre interessant zu erfahren, welche Sprache zuhause gesprochen wird. Sollte es Englisch sein, wäre für das Kind vielleicht hilfreich, wenn man mal einige Zeit nur deutsch spricht.
In der Schule wurde nun eine Leseschwäche festgestellt, die aber nur
im Deutschen auftritt. Anscheinend werden Sprachen an
unterschiedlichen Stellen im Gehirn abgelegt, da könne es
schon mal vorkommen, dass nur bei der einen oder anderen
Sprache Störungen auftreten.
Die neuere Forschung hat inzwischen gezeigt, daß dies nicht so zutrifft. Die Vernetzung im Gehirn ist ausgesprochen engmaschig und so gut wie alles mit allem verbunden, es bilden sich auch ständig neue Neuronen, die neue Verbindungen herstellen. Um das zu fördern könnte es hilfreich sein mal kleine Übersetzungsspiele deutsch-englisch-deutsch mit dem Kind zu machen. Oder der Vater tut so als würde er etwas Englisches bei der Mutter nicht verstehen und wendet sich hilfesuchend dem Kind zu…
Beim Test des Kindes stellte sich
auch heraus, dass es sih im Englischen heimischer fühlt,
lieber Englisch spricht, denkt und liest als Deutsch.
Und da liegt wohl auch der Grund für die sog. Leseschwäche. Vermutlich spricht die Mutter nur Englisch mit dem Kind, dazu kommt die enge Bindung von Mutter und Kind. Ich bin selbst zweisprachig aufgewachsen, als Kind und Jugendliche waren mir beide Sprachen zwar gleich lieb, später änderte sich das, vermutlich dadurch, daß meine Eltern darauf achteten, daß alle Kinderbücher in deutsch waren, weil sie befürchteten, daß Deutsch sonst ins Hintertreffen geraten würde. Das bewirkte aber, daß ich als Jugendliche keine Bücher in der Fremdsprache lesen mochte, obwohl es in der Schule damit nie Probleme gab.
Aus diesem Grund würde ich den Eltern dieses Kindes empfehlen, es dazu zu animieren, deutsche Bücher zu lesen - sie sollten dann solche Inhalte haben, die spannend sind und den Interessen des Kindes zur Gänze entsprechen. Zu Beginn auch mit vielen Bildern und ansprechender Aufmachung. Mir besorgten damals die Eltern die Nesthäkchen-Bände in der altdeutschen Schrift, die ich nicht kannte - das lernte ich aber ganz schnell, wollte ich doch unbedingt wissen, was da im Buch alles geschah!
Nun wäre es naheliegend, das Kind auf eine englischsprachige Schule /
Internat zu schicken. Bloß befürchten die Eltern, dass der
Schulwechsel das Kind mehr belasten würde als die Leseschwäche
(außerdem dürfte das Kind seinen künftigen Lebensweg
vermutlich eher in Deutschland zurücklegen als in GB oder
USA).
Und genau so würde ich auch denken. Die Leseschwäche dürfte auf jeden Fall vorübergehend sein und hängt mit der Vorliebe für’s Englische zusammen. Bei einer englischen Schule, würden im Deutschen dann Lücken entstehen, die man zwar später noch aufholen könnte, aber das Leben in Deutschland einen Tick erschweren würde. Das sollte man aber auch nicht überschätzen - wenn man in einem Land lebt, und gute Grundkenntnisse der Sprache schon in der Kindheit lernte, kann man es immer noch nachholen und dann die Sprache trotzdem fließend beherrschen. Das gilt natürlich auch für die bereits erworbenen Englischkenntnisse. Das geht nicht mehr verloren. Ich sprach eine Sprache mal 5 Jahre garnicht, bei einem Neuanfang verstand ich alles, brachte aber keinen Satz mehr zusammen - drei Wochen mit Freunden in dieser Sprache und alles war wieder da!
Was haltet ihr von einem Schulwechsel? Oder wie kann man der
Leseschwäche beikommen?
Davon halte ich nur wenig. Das Kind verliert die Freunde, kommt in eine völlig neue Umgebung und wird womöglich noch von den Eltern getrennt und besonders letzteres halte ich für problematisch. Ich weiß in England gehen die Jungs schon mit 6 nach Eton und die Mädchen mit 8-9 auf ein ähnlich renommiertes Internat, da fließen aber auch sehr viele Tränen.
Der Leseschwäche kommt man am besten bei, wenn man mit dem Kind Geschichten liest, die es wirklich spannend und interessant findet. Das geht in einer liebevollen Umgebung mit den Eltern am besten. Zuhause sollte nur deutsch gesprochen werden, dem Kind aber die Freiheit gelassen werden, wie es antwortet - die Umstellung kommt dann allmählich von alleine. Zwang sollte auf keinen Fall ausgeübt werden, das Kind würde dann Deutsch mit Zwang gleichsetzen, dann ginge gar nichts mehr. Bei manchen Kindern setzt mit etwa 10-11 oft auch eine Phase ein, wo sie die Fremdsprache, hier Englisch, nicht mehr sprechen wollen, weil sie sich mit deutschen Freunden, dann als Außenseiter fühlen. Auch diesen Prozeß kann man als Eltern unterstützen und nutzen.
Herzliche Grüße,
Cantate