Freundschaft, Erwartungen, Ego

Liebe Experten!

Ich hab ein Problem und kann selbst nicht richtig klar sehen, weil ich zu sehr involviert bin. Deshalb hoffe ich auf ein paar Meinungen, Ratschläge, Gedankenanstöße. Ich versuche es kurz zu machen.

Ich hab mich mit meiner besten Freundin überworfen.
Auslöser war die Verabredung zu unserem regelmäßigen Kochabend mit anderen Freunden, wo ich das Gefühl hatte, dass sie erst bereit ist, auf ein bestimmtes Rezept zu verzichten, wenn ich eine Allergie vorgebe und dass mein Wunsch allein nicht ausreichte (Es gibt da eine Sache, die ich absolut nicht mag und dachte, sie weiß das allmählich).
Ich hab mich in dem Moment übergangen gefühlt und hatte das Gefühl, dass meine Wünsche ihr egal sind. Diese Verabredung lief über Mails.

Am geplanten Tag rief sie an und fragte, was nun ist und bemerkte, dass ich sehr kurz angebunden war. Anders als sonst hab ich dann mal gesagt, was mich gestört hat: Dass ich nicht verstanden habe, warum sie ein Rezept gerade so machen muss, dass ich es nicht mag und meine Wünsche keinerlei Bedeutung dabei hatten und ich mich übergangen gefühlt hatte.
Sie reagierte darauf ziemlich schroff mit den Worten „Jetzt mach doch nicht so 'ne Riesensache daraus“. Auch das gab mir das Gefühl, dass meine Wünsche keine Bedeutung haben dürfen.
Im weiteren Gespräch ging es darum, ob ich nun mitkoche oder nicht und auf meine Nachfrage, wenn es dann unbedingt ihr Rezept sein müsse würde ich nicht mögen, sagte sie sofort „gut, dann also nicht“.

Was mich so verletzte ist, dass ich mir seit Wochen gewünscht habe, dass wir dieses Rezept mal machen, und dann will sie es genau so machen, dass ich es nicht mag. Wir nehmen sonst auch immer Rücksicht auf die Geschmäcker, wenn wir den Kochabend planen.

Ich hab ihr eine Mail geschrieben, in der ich ihr erklärte, warum ich so sauer war und dass ich mich einfach übergangen gefühlt hatte und diesmal nicht wie sonst, mich für ein paar Wochen zurückziehen wollte, bis mein Gefühl verraucht ist, sondern lieber mal sagen wollte, was mich gestört hat. Ich hab da bewusst auf Ich-Botschaften geachtet und keine Vorwürfe gemacht.

Eine gemeinsame Freundin aus der Kochrunde meint, dass dies nur ein Platzhalter für einen ganz anderen Konflikt sein müsse. Abwegig ist das nicht: Eine andere Freundin von mir ist vor ein paar Tagen gestorben und ich weiß, dass ich darüber mit ihr nicht reden kann. Nun versuche ich das eigentlich immer zu akzeptieren, dass sie ein Problem mit dem Thema Trauer hat, seit ihr bester Freund vor 2 Jahren an Krebs starb (genauso, wie meine Freundin jetzt) und hab das Thema in ihrer Gegenwart vermieden. Allerdings habe ich gemerkt, dass es mir nicht gelingt, allein damit fertig zu werden.

Da kommt erschwerend hinzu, dass auch mein bester Freund da momentan kein Ansprechpartner für mich ist. Ihm hab ich im Dezember beigestanden und stundenlange Gespräche geführt, als sein Vater starb. Nun hat er ne Ehekrise und sucht sich grad (mit 50) ne 21-jährige Freundin und erzählt mir stundenlang davon, ohne mal zu fragen wie es mir eigentlich grade geht.

Ich versuche immer, von Freunden nichts zu erwarten, was sie nicht leisten können. Und trotzdem belastet mich das momentan so sehr, weil ich so traurig über den Tod meiner Freundin bin und mein bester Freund und meine beste Freundin beide nicht interessiert, wie es mir grad geht.

Die gemeinsame Freundin aus der Kochrunde meinte, dass ich meine Freundin wohl auf dem falschen Fuss erwischt hätte am Telefon. Das mag auch sein. Mich verletzt es aber, dass sie auf meine Mail überhaupt nicht reagiert und zu den anderen gesagt hat, sie brauche jetzt erstmal Zeit.

Hier ist mein Problem. Ich hab in meiner Verletztheit sicherlich falsch reagiert am Telefon und verstehe sogar, dass meine Freundin damit nicht richtig umgehen kann. Aber wir haben hier unsere beider Bedürfnisse gegenseitig verletzt.

Ich möchte ihr eigentlich noch eine Mail schreiben und mich entschuldigen und schreiben, dass ich verstehe, dass ich am Telefon übertrieben reagiert habe und es kein Wunder ist, dass sie sich vor den Kopf gestoßen fühlen und sich zurückziehen muss.

Dann würde ich mir aber wünschen, dass sie genauso auf mich zukommt. Und aus ihren Aussagen unseren Freunden gegenüber geht hervor, dass sie wohl nur ihre Verletztheit sieht und nicht, dass sie sich mir gegenüber auch nicht nett verhalten hat.

Und genau davor habe ich jetzt Angst: Dass ich ‚zu Kreuze krieche‘ und mich für meine Fehler entschuldige, dass sie aber nur die Entschuldigung großherzig annehmen wird und mir nicht entgegenkommt damit, dass sie ihr Verhalten auch kritisch sehen kann.

Ich wüsste dann nicht, wie diese Freundschaft weitergehen sollte: Meine Wünsche dürften doch dann zukünftig auch keine Bedeutung haben.

Mein Dilemma ist, dass ich weiß, dass man von niemandem etwas erwarten darf und ich an eine Freundschaft anscheinend doch gewisse Erwartungen habe und so traurig darüber bin, dass ich letztlich doch immer alles mit mir allein ausmachen muss. Es gibt zwar Freunde, die momentan für mich da sind, aber die Enttäuschung, dass meine beiden besten Freunde es nicht sind, tut mir total weh.

Was mache ich jetzt? Ich kann mir jetzt eigentlich nur vorstellen, die Mail mit der Bitte um Entschuldigung zu schreiben und mich dann aus der Freundschaft zurückzuziehen.

Was denkt ihr darüber? Ich freue mich über jeden hilfreichen Gedanken!

LG tunefish

P.S.: Das mit dem kurz machen hat nicht geklappt. Tut mir leid!

Hallo tunefish,

die erwähnten Beziehungen zu Deinen sogenannten besseren und weniger guten ´Freunden´ scheinen mehr oder weniger bloß Bekanntschaften zu sein.

Überwiegend Oberflächlichkeiten. Kaum Tiefgündigkeiten. Kochkursebene etc. Das ist im Grunde nicht schlimm. Warum nicht auch Kochkurse? Aber dabei ist jeder, also auch aus Deiner Sicht nur gern gelitten, sofern keine Unstimmigkeiten auftreten.

Diese Beziehungen sind nichts außergewöhnliches, ja mit Sicherheit kommen sie am häufigsten vor. Verständigungen dabei obliegen zumeist dem Zufall. In solchen Beziehungen gilt es, sich selbst unbeschadet zu halten. Im Gegensatz zu den Freundschaften. Die sind tatsächlich etwas besonderes. In diesen Beziehungen schützt man sich gegenseitig und geht auf einander zu. Man will den anderen unbedingt dabei haben.

Ergo: Du würdest nichts verlieren. An Stelle der alten Bekanntschaften findest Du bei der Qualität ganz schnell wieder neue. Guck Dich um.

Gruß mki

Hallo,

würde meine beste Freundin wegen eines albernen Rezeptes so rumzicken (was ihr allerdings nie in den Sinn käme), würde ich mich (und sie) ernsthaft fragen, ob sie noch alle Latten am Zaun hat. Spätestens dann würde sie (so sie denn wider Erwarten doch rumgezickt haben sollte), kurz nachdenken und dann herzlich über sich selber lachen.

Möglicherweise würde sie mir sagen, dass ich gefälligst alleine kochen soll, wenn es denn was sein muss, was ihr nicht schmeckt. Und das würde ich dann auch einfach tun. Oder sie mit einer unwiderstehlichen Nachspeise ködern, wenn ich die Arbeit nicht allein machen mag.

Heißt: Ich finde dein Verhalten unangemessen. In meinen Augen machst du aus einer Mücke einen Elefanten, indem du die Qualität eurer Freundschaft daran misst, ob sie ihre Kochpläne auf deinen Geschmack einstellt. In meinen Augen ist das doch sehr überzogenes Anspruchsdenken.

Und wenn du fragst, was du tun sollst, wäre meine Antwort: Geh’ zum Kochtermin und bring’ ‚ne Tiefkühlpizza mit. Als eiserne Reserve für alle die, die irgendwann nicht mögen sollten, was gekocht wird. Und dann mach‘ ein Fläschchen Schampus auf, stoße mit deiner Freundin an und gelobe ewige Besserung :smile:.

Eine andere Baustelle ist die Sache mit der Trauerbewältigung. Wenn mich etwas schwer mitnimmt, erwarte ich von meiner besten Freundin schon, dass ich darüber mit ihr reden kann. Und wenn sie da selbst ein Problem hat, wäre das vielleicht ein Anlass, mal über eine gemeinsame Strategie zum Umgang mit diesem Problem nachzudenken.

Schöne Grüße,
Jule

Hallo,

mir fallen im ersten Moment die ganz unterschiedlichen Themen Trauer und Kochkurs auf.
Ihr habt beide wichtige Menschen in eurem Leben verloren.
Nur wer das selber einmal erlebt hat, weiß was das bedeutet.
Wenn du momentan keinen Menschen hast, mit dem du dich darüber austauschen kann,
halte ich das für viel Gepäck.

Das Thema Kochkurs wiegt dagegen wohl nicht so schwer.

Ich vermute eher, das eigentliche Thema ist das du verstanden werden möchtest.
Deiner Partnerin ergeht es wahrscheinlich ähnlich.

Was kannst du dafür tun?
Im ersten Moment sicherlich dir klar zu werden, was dich bewegt.
Dann dich mitzuteilen, was dich bewegt.
Die Antworten oder Reaktionen der anderen können wir nur bedingt beeinflussen.
Du versuchst keine Erwartungen zu haben, sicherlich ein guter Ansatz.
Ihn auch zu praktizieren, erfordert aus meiner Erfahrung meistens viel Übung.
Eine weitere Übung ist Nein zu sagen, zu Dingen die du nicht möchtest.
Z.B. zu deinem besten Freund, für dessen Anliegen du momentan nicht offen bist.
Das meinst du nicht böse.
Momentan geht es halt nicht.

Alles ist halt die Kunst des Möglichen …

Liebe Grüße

Joachim

Hallo, tunefish,

Ich hab mich mit meiner besten Freundin überworfen.

einige Deiner Formulierungen lassen auch bei mir die Frage aufkommen, welche Art von „Freundschaft“ zwischen Euch besteht und wie Ihr miteinander kommuniziert:

Kochabend mit anderen Freunden, wo ich das Gefühl hatte ,… dass mein Wunsch allein nicht ausreichte

und [ich] dachte, sie weiß das allmählich

hatte das Gefühl , dass meine Wünsche ihr egal sind.

Anders als sonst
hab ich dann mal gesagt , was mich gestört hat

„Jetzt
mach doch nicht so 'ne Riesensache daraus“. Auch das gab mir
das Gefühl
, dass meine Wünsche keine Bedeutung haben dürfen.

Was mich so verletzte ist, dass ich mir seit Wochen gewünscht
habe , dass wir dieses Rezept mal machen, und dann will sie es
genau so machen, dass ich es nicht mag.

und diesmal nicht wie sonst , mich für ein paar
Wochen zurückziehen
wollte, bis mein Gefühl verraucht ist

Das klingt, als habest Du bei ihr stillschweigend Verständnis, Entgegenkommen, Rücksichtnahme vorausgesetzt, statt Deine Einwände/Wünsche gleich in dem Moment, als sie ihre Absicht bekannt gab, konkret (genug) zu äußern.

Peu à peu hast Du sie dann Deinen Unmut und Deine Enttäuschung spüren lassen, vermutlich in der Hoffnung, sie käme dadurch von allein zu der Einsicht, dass sie Dich gekränkt hat. Eine solche Schmoll-Taktik führt allerdings nie zu dauerhaftem Erfolg.

Ich möchte ihr eigentlich noch eine Mail schreiben und mich
entschuldigen

Dann würde ich mir aber wünschen, dass sie genauso auf mich
zukommt.

Solche Konflikte lassen sich m. E. nicht am Telefon oder per Mail klären, sondern nur im direkten Gespräch. Dabei würde sich möglicherweise auch herausstellen, ob die Rezept-Geschichte tatsächlich ein „Platzhalter“ ist.

Mein Dilemma ist, dass ich weiß, dass man von niemandem etwas
erwarten darf

Natürlich darf man das, aber man sollte dabei nicht davon ausgehen, dass der andere exakt so „tickt“ wie man selbst.
Du wirst immer wieder feststellen, dass auch Menschen, die Du gut kennst und mit denen Du Dich verbunden fühlst, anders reagieren, als Du es in dieser Situation getan hättest, dass Missverständnisse entstehen; es gibt auch in den besten Freundschaften Standpunkte und Sichtweisen, bei denen keine Übereinstimmung zu erzielen ist.
Wenn Du nicht weiter unter echten oder vermeintlichen Kränkungen leiden willst, bedarf es klarer Worte an Ort und Stelle - und wohl auch eines etwas dickeren Fells, wenn es um eher oberflächliche, banale Dinge geht.

Gruß
Kreszenz

Enttäuschungen
Hallo,

zunächst einmal finde ich deinen Beitrag sehr gut geschrieben. Praktisch keine sprachlichen Fehler. Das ist mittlerweile recht selten geworden.

Du bist ziemlich selbstreflektiert und bemühst dich, die Perspektive deiner Freundin zu verstehen. Das ist schonmal sehr gut.

Ich rate dir, keine E-Mails mehr zu schreiben. Trefft euch in einer Woche zu einem Spaziergang im Park oder sowas. Wenn du dann mit Fingerspitzengefühl und Humor die Sache nochmal ansprichst, dann wird sich in einer entspannten Situation Einiges klären und ihr werdet euch dann wahrscheinlich auch wieder lieb haben.

Ansonsten gilt leider die bittere Wahrheit, dass es keinen Freund gibt, der dich nicht irgendwann enttäuschen wird.

Tychi

aus der Distanz betrachtet
Liebe Experten!

Danke erstmal für die Antworten.

Aus der Distanz betrachtet und in Gesprächen aufgearbeitet ist deutlich geworden, dass diese Freundschaft schon lange eine Dysbalance hat, die ich stets versucht habe abzufedern, indem ich mich immer wieder zurückgezogen habe.

Die Angst vor dem Ende der Freundschaft war so groß, weil ich ja grad eine Freundin verloren habe, aber momentan ist wohl eine Zeit des Loslassens für mich und muss in diesem Falle ja nicht gleich für immer sein.

Das „Rumgezicke“ war das Austragen des Konfliktes auf einem andern Spielfeld und es ging nicht um das Rezept, sondern allgemein darum, welche Rolle meine Bedürfnisse bei meiner Freundin eigentlich spielen (dürfen).

Dass in einer Kochrunde auf alle Geschmäcker Rücksicht genommen wird, war bislang üblich, nie ein Problem und entspricht nach wie vor meiner Vorstellung von einer harmonischen Runde.
Gegen den Wunsch einer Freundin die eigenen Vorstellungen durchsetzen zu wollen und zu erwarten, dass sie sich eine TK-Pizza mitbringt, finde ich ganz schön schräg, überhaupt nicht schön für die Stimmung in der Kochrunde - und hätte ich von Jule nicht als Antwort erwartet.

Wie auch immer: Es gab hilfreiche Antworten und dafür danke ich!

Gruß, tunefish