Friedrich Nietzsche wie ist sein Werk zu verstehen

Hallo,
Ich lese gerade im Unterricht Ausschnitte von Nietzsches Werken. Er hält den Lauf der Welt für einen Kreislauf, der sich immer wieder wiederholt und schließt somit einen Endzustand aus.
Jetzt meine Frage: Warum genau lässt sich sagen, dass er die Existenz Gottes deswegen ausschließt? Oder spricht das Werk „Zarathustra“ garnicht dafür, sondern andere Werke? Weil ich finde keinen genauen Hinweis, der sagt: Gott ist tot, bei dem Ausschnitt den ich habe.
Zweite Frage: Nietzsche sagt, dass folglich alle Handlungen gleich groß und klein sind. Wie ist das zu verstehen? Weil sich eh alles wiederholt, ist alles gleichgültig, oder wie?

Ich weiß: lange Fragen, aber Antwort wäre seeeehr hilfreich. Als 16-Jähriger ist sowas keine leichte Kost :smiley:

Hi

Warum genau lässt sich sagen, dass er die
Existenz Gottes deswegen ausschließt?

Wegen der „ewigen Wiederkehr“ schließt er ja die Existenz Gottes nicht aus. Das sind zwei Paar Schuhe - außerdem kommt im Zarathustra die Sequenz vor (jetzt aus meiner freien Erinnerung - bitte nicht ganz wörtlich nehmen): „Hat denn der Alte in seinem Wald noch nichts davon gehört, dass Gott tot ist?“
Das ist schon etwas anderes, oder?
Gruß,
Branden

Hi,
Nietzsche predigte den Nihilismus, da die moderne Wissenschaftserkenntnisse darlegen, daß Gott nicht existiert, es somit keine Religion, keine abolute Moral, keine absolute Wahrheit an sich gibt. An Stelle der Religion (und der Moral) fordert er den Übermenschen, den Willen zur Macht, der seine eigenen Moralgesetze, Wahrheiten setzt, die Vorläufer des Übermenschen aber zuerst scheitern werden.
In „Zarathustra“ beschreibt er dessen Suche nach Wahrheit. Z. geht durch 3 Stufen: a) Abhängigkeit von Autoritäten und Meistern
b) Losreißen von den falschen Autoritäten, Erringen der eigenen Freiheit
c) Formulierung und Ausrichtung zu seinen eigenen Zielen und erkannten Werten: „Herrenmoral“: kein Knecht sein, hart und tapfer und kompromißloß handeln, schöpferisch sein. Dazu gehört aber auch: vernichten.
Werdegang Z. verläuft ähnlich wie bei Jesus - quasi ist „also sprach Z.“ eine Antibibel. Es strotzt nur so von Quervergleichen.
Zarathustra war der 1. monotheistische Religionsstifter (Gut und Böse: Ormuzd und Ahriman (Gott ist als „Zwilling“ also sowohl gut als auch böse)), demnach läutert sich Z. bei Nietzsche symbolisch, erkennt seine Irrtümer (-> Jenseits von Gut und Böse).

Alter religiöser Kalauer dazu:
Graffiti an der Wand: „Gott ist Tot“ Nietzsche.
Tags drauf stand darunter:
„Nietzsche ist tot“ Gott.
lg O

http://www.textlog.de/21289.html

Zitat (3. Buch, 125 „fröhliche Wissenschaft“):

Der tolle Mensch sprang mitten unter sie und durchbohrte sie mit seinen Blicken.
„Wohin ist Gott?“ rief er, „ich will es euch sagen!
Wir haben ihn getötet - ihr und ich!
Wir sind seine Mörder! Aber wie haben wir das gemacht?
Wie vermochten wir das Meer auszutrinken?
Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen?
Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? Müssen nicht Laternen am Vormittage angezündet werden? Hören wir noch Nichts von dem Lärm der Todengräber, welche Gott begraben? Riechen wir noch Nichts von der göttlichen Verwesung? — auch Götter verwesen! Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt bisher besaß, es ist unter unseren Messern verblutet, — wer wischt dies Blut von uns ab? Mit welchem Wasser könnten wir uns reinigen? Welche Sühnfeiern, welche heiligen Spiele werden wir erfinden müssen? Ist nicht die Größe dieser Tat zu groß für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? Es gab nie eine größere Tat, — und wer nur immer nach uns geboren wird, gehört um dieser Tat willen in eine höhere Geschichte, als alle Geschichte bisher war!“ — Hier schwieg der tolle Mensch und sah wieder seine Zuhörer an: auch sie schwiegen und blickten befremdet auf ihn. Endlich warf er seine Laterne auf den Boden, dass sie in Stücke sprang und erlosch. „Ich komme zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit. Dies ungeheure Ereignis ist noch unterwegs und wandert, — es ist noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen. Blitz und Donner brauchen Zeit, das Licht der Gestirne braucht Zeit, Taten brauchen Zeit, auch nachdem sie getan sind, um gesehen und gehört zu werden. Diese Tat ist ihnen immer noch ferner, als die fernsten Gestirne, — und doch haben sie dieselbe getan!“

Nietzsche - Ewige Wiederkunft
Hi,

Jetzt meine Frage: Warum genau lässt sich sagen, dass er die
Existenz Gottes deswegen ausschließt?

Nein, das „Gott ist tot“-Thema hat mit dem „Ewigen Wiederkehr“-Thema nichts zu tun.

Weil ich finde keinen genauen Hinweis, der sagt: Gott ist tot, bei dem Ausschnitt den ich habe.

Welchen Ausschnit hast du denn?

Das „Gott ist tot“-Thema kommt in „Die fröhliche Wissenschaft“ auf. Dort in Buch III, §108 „Neue Kämpfe“ +§109 „Hüten wir uns!“

Nachdem Buddha tot war, zeigte man noch jahrelang seinen Schatten in einer Höhle …

… und dann vor allem in der Parabel §125 „Der tolle Mensch“:

„Wo ist Gott? … Wir haben ihn getötet - ihr und ich! Wir sind alle seine Mörder!“ usw.

Und im „Zarathustra“ wie von Branden schon erwähnt: Teil I.2:
„Sollte es denn möglich sein! Dieser alte Heilige hat in seinem Walde noch nichts davon gehört, dass Gott tot ist.“

Zweite Frage: Nietzsche sagt

Bei solchen Fragen ist es immer besser, dui gibst genau die Stelle an, wo du es findest. Dann kann man schneöller nachschauen. Auch wenn man einen Autor kennt, kann man noch lange nicht alles auswendig.

Zum Thema „Ewige Wiederkunft“ (sic!) gibt es hier einen viewlleicht für dich brauchbaren Link:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ewige_Wiederkunft

Als 16-Jähriger ist sowas keine leichte Kost

Jepp. Kommt aber drauf an, was der 16-jährige sonst schon vorher gelesen hat. Es gibt schwerere Kost …

Gruß
Metapher

:smiley:

Hi

Nietzsche predigte den Nihilismus

Ganz im Gegenteil - Nietzsche überwand den Nihilismus.
Gruß,
Branden

ich denke auch, dass er den nihilismus überwand. seine darstellung (keine ahnung wo sie zu finden ist) vom letzten menschen und vom schöpferischen menschen (wieder keine ahnung, ob die begriffe richtig sind…aber sinn dürfte treffend sein)zeigt, dass der mensch die wahl hat hat sich entweder wie ein tier immer instinktiver zu verhalten, oder dass er sich gott annähern kann und selbst zum schöpfer zu werden. auf jeden fall zwingt das fernbleiben von gott den menschen zum handeln.

Hi,
sehe ich etwas anders (hinsichtlich Gott).

http://www.projekt.gutenberg.de/?id=5&xid=1961&kapit…
Zitat:
Wahrlich, zu früh starb jener Hebräer, den die Prediger des langsamen Todes ehren: und Vielen ward es seitdem zum Verhängniss, dass er zu früh starb.
Noch kannte er nur Thränen und die Schwermuth des Hebräers, sammt dem Hasse der Guten und Gerechten, - der Hebräer Jesus: da überfiel ihn die Sehnsucht zum Tode.
Wäre er doch in der Wüste geblieben und ferne von den Guten und Gerechten! Vielleicht hätte er leben gelernt und die Erde lieben gelernt - und das Lachen dazu!
Glaubt es mir, meine Brüder! Er starb zu früh; er selber hätte seine Lehre widerrufen, wäre er bis zu meinem Alter gekommen! Edel genug war er zum Widerrufen!

Zarathustra erkennt zum Schluß seine Versuchung, seine letzte Sünde: das Mitleiden - mit den höheren Menschen, mit sich, mit anderen (Eselsfest)!
Er wartet auf die rechten Mensch/ Übermensch (Zeichen: Tauben und Löwen).

lg O

Zweite Frage: Nietzsche sagt, dass folglich alle Handlungen
gleich groß und klein sind. Wie ist das zu verstehen? Weil
sich eh alles wiederholt, ist alles gleichgültig, oder wie?

zielst Du auf Geschichtsoptimismus ab?

Ich weiß: lange Fragen, aber Antwort wäre seeeehr hilfreich.

Du hast wohl noch keine langen Fragen kennengelernt? :smile:

Als 16-Jähriger ist sowas keine leichte Kost :smiley:

es gibt solche, die schreiben einfach und sagen viel, und
es gibt solche, die schreiben schwierig und sagen wenig(er).
Ich habe mit letzteren angefangen, Nietzsche gehört zu ersteren.

lg
P