Frz. sureau etymologisch zu sambucus?

Liebe Babylonier,

heute morgen sind wir anlässlich der Öffnung eines Glases mit Holunderbeermarmelade über frz. „sureau“ gestolpert, das uns vorher beiden wohl nie begegnet war.

Zur Etymologie wird hier lat. „sambucus“ angegeben - ich rätsle jetzt darüber, wo bei dieser Ableitung der „r“-Laut herkommen soll, wo sich in „sambucus“ weder „r“ noch „l“ an prominenter Stelle finden.

Wenn ich mir jetzt die mittelalterliche und frühneuzeitliche Benennung von Pflanzen in Sammelbegriffen vorstelle, grob nach äußeren Merkmalen zugeordnet („Nelke“, „Apfel“ und dergleichen), und auch die im Deutschen regional synonyme Verwendung von „Holunder“ und „Flieder“, käme mir zum früheren deutschen „Syringe“ für „Flieder“ eine Herkunft „syrinx“ >> „sureau“ auch nicht grad so ganz ausgeschlossen vor.

Wie lässt sich für „sureau“ eine Herleitung von „sambucus“ begründen und eine Herleitung von „syrinx“ entkräften?

Für Hinweise und Ideen dankt

Dä Blumepeder

Nota: Dieses ist eine Frage für das Fremdsprachenbrett im Forum - User, die vom wewewa-Zufallsgenerator  angeschrieben werden, bitte ich, diese Anfrage zu ignorieren.

Salut,

wo genau das r herkommt, wird wohl nicht mehr nachzuvollziehen sein. Auch der TLFi erwähnt nur, dass im zwölften Jahrhundert an das altfranzösische seü ein r „d’origine obscure“ angehängt wurde. In den anderen romanischen Sprachen findet man ähnliche Begriffe mit derselben Rückführung auf sa(m)bucus (nur eben ohne das mysteriöse r), z.B. spanisch saúco, katalanisch und okzitanisch saüc, rumänisch soc, so dass ich mir schlecht vorstellen kann, dass im Französischen seü zugunsten von syrinx untergegangen sein soll – zumal der TLFi auch keinerlei Hinweise diesbezüglich liefert.

Das syrinx-Argument würde ich zudem dadurch zu entkräften versuchen, dass die Ableitungen im Französischen, die in diese Richtung gehen (seringue („Spritze“) bzw. seringa („Flieder“)) laut TFLi erst deutlich nach dem zwölften Jahrhundert belegt sind.

Aber wie schon zu Anfang gesagt: Sicher belegen lässt sich die Herkunft des r dennoch nicht. :wink:

Gruß,
Stefan

Hallo Stefan,

die synoptische Betrachtung der romanischen Sprachen zusammen mit der altfranzösischen Form beruhigt mich hinreichend: Da kann man nicht gut dran herumdeuteln.

Schönen Dank auch für den TLFi, der mir ganz unbekannt war und jetzt in die Lesezeichen aufgenommen ist!

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Der etymologische r-Parasit
Hallo Blumepeder,

es gibt im Französischen noch weitere Wörter, die im Laufe ihrer etymologischen Entwicklung von diesem Parasiten befallen wurden. Vor Jahrtausenden habe ich das mal gelernt, aber mir fallen nur noch zwei ein, nämlich encre (lat. encaustum) und chanvre (lat. cannabis.)
In alten Quellen findet man noch „gesund“ entwickelte Formen beider Wörter (enque/enche/enca; chanve), aber irgendwann kam das r dann ins Rollen :wink:

http://www.cnrtl.fr/etymologie/encre
http://www.cnrtl.fr/etymologie/chanvre
http://historique.fracademic.com/6971 (encre)
http://historique.fracademic.com/3854 (chanvre)
Außerdem habe ich hier nachgeschaut:

  • Robert, Dictionnaire étymologique du français
  • Greimas, Dictionnaire de l’ancien français

Grüße
Pit

Starck-Pfrannzoisüsch
Hallo Pit,

das ist ja spannend!

Matthias Koeppel hatte offenbar schon Vorgänger im Geiste…

Aber ohne Flachs eine ganz interessante Sache, wie da mitten im Verschleifen und Zusammenfassen von Endsilben ganz gegen den Trend ein Extrakonsonant entwickelt wurde.

Schönen Dank auch Dir für die verschiedenen Links -

schöne Grüße

MM

Hallo,
 Das Wort kommt aus dem Lat. „sambucus“ (Harfe).

Sambucus“ ist abgeleitet vom griechischen Wort “sambuca”, kleine Piccolo-Flöte, die die Hirten im Weichenholz Holunder schnitzeten. Da die Zweigen einen weichen Kern haben, konnte man ihn leicht entfernen, um daraus „Röhre“ für Musikinstrumente (vor Allem Flöte) zu machen.

Der “sambuk” bezeichnete auch in Griechenland eine Dreieck-Harfe.

Das Französsiche Wort „sureau“ ist vom Altfranzössichen  (1174) „seü“ oder „seür“ abgeleitet, dieser wiederum ist vom Lat. „sabucus“, anderer Form vom „sambucus“.

_1_360 wird „suraut“ im Mittelfranzössich und schließlich „sureau“ in der Renaissance durch die Zugabe des Suffix „eau“.

Zetti

‚tertre‘ noch ein Kandidat mit immigriertem r?
Hallo Zetti,

konkret geht es mir nur um diesen Teil der üblichen Angaben zur Etymologie des Wortes:

Das Französsiche Wort „sureau“ ist vom Altfranzösischen
(1174) „seü“ oder „seür“ abgeleitet

Das „r“, das bereits Stefan und Pit angesprochen haben, ist gänzlich ungewöhnlich - die Fälle, in denen bei der Entwicklung vom Lateinischen und Fränkischen zum Französischen Konsonanten nicht wegfielen, sondern bisher nicht vorhanden waren und erst im Französischen auftraten, sind ganz extrem selten.

So war ich spekulativ auf einen möglichen Zusammenhang mit syrinx geraten, das betreffend Röhren, Flöten etc. übrigens ganz ähnlich ist, aber eben das bewusste „r“ enthält; die Endungen auf -u und -eau können aus verschiedensten Lauten und Silben geworden sein, vgl. das schöne extreme Beispiel Burdigala zu Bordeaux.

Mit dem interromanischen Vergleich von Stefan ist der sambucus schon ziemlich gut erhärtet, aber das bewusste „r“ bleibt d’origine inconnue.

Pit hat ja gezeigt, dass es dieses als Fremdkörper eingeschlichene „r“ in encre und chanvre auch gibt. Kennst Du noch andere Exempel, die es erlaubten, darin eine Art „regelmäßigen“ Vorgang zu sehen?

Mir kommt es vor, als habe der „tertre“ zu Lat. pop. „termes“ zwar den zweiten t-Laut aus deklinierter Form von „limes“, aber das zu den lateinischen Wörtern auch überhaupt nicht passende „r“ auf ähnliche Weise erworben wie die schon genannten.

Vielleicht gibts noch mehr Kandidaten?

Schöne Grüße

Dä Blumepeder