hätte eine scheinbar banale Frage, aber mir entzieht sich die Existenz von Schleusen (die an Flüssen)…
Ein natürlicher Fluß fließt doch stetig unmerklich bergab, wieso braucht es dann Schleusen??? Der einzige Grund, den ich mir noch vorstellen könnte, wäre, daß Schleusen Wasserfälle ersetzen, wo welche waren… aber irgendwie kann ich nicht so ganz glauben, daß überall wo heute Schleusen stehen Wasserfälle waren…
Bitte helft mir aus diesem logischen Wirrwarr…
Vielen Dank schonmal für Antworten!
Schöne Grüße
Peter
Natürliche Flüsse fließen meist eher kurvig. Das ist lästig wenn man da mit nem Schiff lang will. Also wurden die Flüsse Begradigt. Dabei stellte man dann (zu spät) fest, daß jetzt das Wasser viel schneller abfließt, und so der Fluss plötzlich zu wenig Wasser hatte um mit dem Schiff drauf zu fahren. Außerdem wirkten sich Hoch und Niedrigwasser viel stärker aus.
Also wurden Staustufen gebaut, um den Fluss zu bremsen, und den Wasserstand zu regulieren. Aber über diese kommt man mit dem Schiff nicht so ohne weitere rüber, also brauchte man Schleusen.
Es kann sogar soweit gehen, dass man die Schleusen benutzt, um überhaupt das Fließen von Gewässern zu ermöglichen. Beispiel: Landwehrkanal im Berlin. Der ist so eben, dass er ein stehendes Gewässer mit allen Nachteilen wäre, wenn man nicht über die beiden Schleusen am Ober- und Unterlauf einen geringen Durchfluss künstlich erschaffen würde.
Die Begradigungen ab dem 16. Jahrhundert dienten der Flößerei und der Schiffahrt mit Treidelkähnen, der Ausbau mit Schleusen (oft erst in den 1920er Jahren) deren Ablösung durch Flußfrachtkähne mit eigenem Antrieb und bedeutend größerem Tiefgang.
Staustufen und Schleusen gab es auch schon zur Zeit der Treidelkähne. So wurden am Lot die seit dem 13.Jahrhundert existierenden Staustufen bereits im 17.Jahrhundert mit Schleusen versehen: Wikipedia FR.
Auch wenn Du offenbar nur nach Schleusen in Flüssen fragst, so darf man nicht vergessen, dass diese auch mit Kanälen in Verbindung stehen, zu denen es definierte Übergänge braucht, die unabhängig vom Wasserstand im Fluss sind. Auch in Bezug auf Häfen im Mündungsbereich braucht es ggf. Schleusen um unabhängig vom Tiedenhub zu sein, der ggf. recht weit in die Mündung hinein wirken kann. Nicht zuletzt ähneln viele Flüsse rein technisch schon lange eher Kanälen mit recht großen ausgebauten Bereichen, deren Ausbau deutlich über eine reine Begradigung hinaus geht, und die man ggf. auch nicht so einfach an Anfang und Ende ohne eine Schleuse an den frei fließenden Fluss anschließen kann.
Sicherlich - zumal in England und Frankreich, die „uns“ da eine ganze Weile mehr als eine Nasenlänge voraus waren. Das mit teils großem Aufwand erbaute französische Kanalsystem hatte seine große Zeit im 19. Jahrhundert und geriet mit der aufkommenden Eisenbahn schnell ins Abseits.
Der Übergang zwischen Fluss und Kanal ist ja nun fließend. (Schenkelklopfer) Alte Kanäle sind oft genug ursprünglich zumindest teilweise natürliche Wasserwege gewesen.
Ein sehr schönes Beispiel samt praktisch allem, was dazu gehört, ist die Havel-Oder-Wasserstraße samt Finowkanal, letzteres die älteste, noch in Betrieb befindliche Wasserstraße Deutschlands. Der komplex ist sowohl historisch interessant wie geographisch als auch damit verbunden schleusentechnisch.
Gesucht war bereit im Mittelalter eine Verbindung zwischen Berlin und der oder und damit der Ostsee, die Havel fließt ja in die Nordsee. Hindernis war aber lange eine Wasserscheide bei Eberswalde. Man hat bereits Anfang des 17. Jahrhunderts den ersten Finowkanal durch Ausbau des Flüsschens Finow erbaut samt zugehöriger Schleusen. Höhenunterschied insgesamt knapp 40 m. Nach Zerstörung vor allem im Dreissigjährigen Krieg erfolgte der Wiederbau Mitte des 18. Jahrhunderts durch den Alten Fritz.
Neben den zum Grossteil sehr alten Schleusen, die älteste knapp 200 Jahre, findet man noch so ein paar interessante Dinge. Das Schiffshebewerk Niederfinow in alter und inzwichen auch neuer Variante einschließlich der alten Schleusentreppe über Bewässerung wegen Scheitelhaltung bis hin zu noch vorhandenen Treidelwegen. Alles landschaftlich schön am Oderbruch. Dem Finowkanal sieht man Aufgrund seiner Historie den Charakter einer künstlichen Wasserstraße nicht an. Er mäandert angenehm.
Das alles kann recht hautnah per Kanu erlebt werden, man kann damit nicht nur durch ein Dutzend Schleusen schleusen, sondern sich auch im Schiffshebewerk heben lassen.
Ich vermute, Du meinst statt Schleusen Querverbauungen. Schleusen sind ja nur für die Schifffahrt erforderlich, um immer eine Fußbreite Wasser unter dem Kiel zu haben. Dann kann man an großen wasserreichen Flüssen rechtfertigen Wasserkraftwerke zur Stromerzeugung anzulegen. Alle anderen Fälle von Querbauwerken sind aber Eingriffe in die Natur mit mehr Schaden als Nutzen. Man rechtfertigt das heute oft damit, dass man den Grundwasserspiegel erhalten/heben will, erreicht aber das Gegenteil: Man verhindert dadurch, dass Geschiebe (Kies/Sand) von oben nach unten transportiert wird und das Flussbett gräbt sich dann tiefer ein. In den Staubereichen ist der Wasserstand dann konstant, dazwischen aber eingetieft. Es gibt noch eine Menge anderer Naturschäden wie Sauerstoffeintrag, Faulschlamm, Wanderhindernis usw. Ich versuche mal ein Bild hier reinzusetzen, das die Situation in Hessen zeigt, wo überall der Mensch gepfuscht hat und da sieht man, dass mit Sicherheit der allergrößte Teil der Bauwerke (die auch noch Erhaltungskosten verursachen) unnötig sein müssen.
Udo Becker
Habe die Datei als PDF, was man hier nicht runterladen kann. Auf einer Gewässerkarte von Hessen sind es ca 800 Querbauwerke