G8-Abitur, in west unmöglich, in ost immer so

Hallo!
Ich hab jetzt nicht die Zeit, dass alles durchzulesen. Gestattet mir trotzdem ein paar Anmerkungen:

  1. In Bayern kam es zu einer einzigartigen Hudelei, weil nach der Landtagswahl handstreichartig, d. h. ohne jeden Sachverstand, das G 8 ausgerufen wurde, weil
    a) unbedingt BaWü ein- und überholt werden musste
    b) man das für eine Sparmaßnahme hielt (ein Schuljahr weniger).
  2. In den 70er Jahren fielen bei der Umstellung von Sechstage- auf die Fünftagewoche ca. 4-6 Stunden in der Woche ersatzlos weg. Das bedeutete pro Kernfach (Bio, Geo, Geschichte, Reli blieben im wesentlichen zweistündig) einen Verlust von ca. einem Viertel bis zu einem Drittel der Stunden. Der Lehrstoff wurde verkürzt, so gut es ging, aber in keinem Fach um diese 25 oder 33 %! Das bedeutet, dass schon durch die Einführung des freien Samstags der Stoffdruck und die Stofffülle für Schüler und Lehrer erheblich gestiegen ist.
  3. Jetzt also die neuerliche „Verschlankung“ der Lehrpläne. Bis zur Magersucht? Das Wort „Entrümpelung“ kann ich nicht mehr hören. Als was für eine Rumpelkammer stellt man sich denn einen Lehrplan vor? Streichen wir in Chemie ein Viertel der Periodensystems? In Mathematik alles, was ohnehin im ersten Semester Mathe an der Uni gelehrt wird? In den Fremdsprachen ein Viertel des Wortschatzes (steht ja alles im Internet)? Beschränken wir den Biologieunterricht auf das, was essbar ist, und in Geographie nehmen wir durch, wo es das gibt?
  4. Wenn dann durch Stoffstreichungen genügend Luft geschaffen ist, müssen - aus Kostengründen? Mittagsbetreuung! Nachmittagsunterricht! - wahrscheinlich die Stundentafeln reduziert werden, so dass für das einzelne Fach die Zeit wieder genauso knapp ist wie vorher. Auf ein Neues!
    Schöne Grüße!
    Hannes

Hallo Christian,

ich frage mich, was denn immer diese Hetze soll. Abitur in 12
Jahren, am besten in 10. Dann studieren maximal 6 Semester,
besser noch 4. Dann ab ans Arbeiten, jeden Tag 8 Stunden und
mindestens noch mal 3 obendrauf, natürlich unbezahlt.

Mit der Kritik an der Hetze gebe ich dir Recht. Aber: ich erinnere mich noch genau, dass ich froh war, als ich nach dem Abitur die Schulzeit hinter mir hatte. Und genauso hatte ich nach dem Studium absolut keine Lust mehr auf Universität. Deshalb unterstütze ich die Idee, dass man Kinder/Jugendliche/Junge Erwachsene nicht länger als nötig in solchen Institutionen halten sollte.

Cheers, Felix

H wie Hola.

Bei all der Aufregung über das Abi nach 12 Jahren frage ich
mich, wie das in den neuen Bundesländern gehandhabt wird.
Dort gab es immer 12 Jahre bis zum Abi.
[…]warum klappt das dort und im Westen ists ein Ding der Unmöglichkeit.
Woran liegt das?

Den entscheidenden Grund hast Du doch selber bereits erkannt -
im Osten ist es schon immer so gewesen.

Das Bildungssystem war von Anfang an auf vier Stufen detailliert geplant worden. Mit dem „Gesetz über die Demokratisierung der deutschen Schule“ vom Frühjahr 1946 wurde bereits die reformpädagogische deutsche Einheitsschule als „achtjährige Grundschule“ eingeführt. Zwar beendete die politische Intervention Moskaus 1949 den Einfluß der Reformpädagogen beinahe, doch die reformpädagogische Schulreform wurde nicht mehr gestoppt, nur stalinistisch deformiert (Politisierung und versuchte ideologische Indoktrinierung). An der genialen Einheitsstruktur rührte man jedoch nicht.

Der Rest ist Geschichte:

* professionelle frühkindliche Betreuung & Erziehung & Förderung schon in der Kinderkrippe

* professionelle Kindergärten mit pflichtmäßiger Vorschule im letzten Jahr vor der Einschulung und gehobener pädagogischer Erziehung & Förderung für die Kinder

* eine straffe zehnjährige Einheitsschule von hohem Niveau

* eine zweijährige weiterführende Schule als direkte Fortsetzung der Einheitsschule

Die Zeit bis zum Abitur in der DDR war nicht nur kürzer, sondern die Abschlüsse rangierten auf einem intellektuell höheren Niveau.

Doch die EOS (Erweiterte Oberschule, „Gymnasium“) hatte daran den geringsten Beitrag!

Viel schwerer wog, daß sich frühzeitig sozial wie intellektuell gut um die Kinder gekümmert wurde. Kinderkrippen & Kindergärten stellten sicher, daß zur Einschulung Chancengleichheit herrschte.
Sprache, Motorik, mathematisch-technisches Denken, Sozialverhalten im Kollektiv, Normen und Tugenden wie Neugierde, Wißbegierde, Spaß am Lernen, Pünktlichkeit, Höflichkeit, Anstand, Benehmen, Disziplin, Selbständigkeit und Ordnung waren zentrale Bestandteile der umfangreichen kindgerechten, pädagogischen Erziehung in der sogenannten „Vorstufe“ des Bildungssystems.

(Das „Gesetz über die Demokratisierung der deutschen Schule“ etablierte 1946 nicht nur die Einheitsschule, sondern legte wie oben erwähnt die Elementarstruktur des Bildungssystems fest;
und die 1. Stufe, die Vorstufe, war nicht (!) die Einheitsschule, sondern der Kindergarten – im Prinzip auch die Kinderkrippen, obwohl diese dem Gesundheitsministerium (!) unterstanden.)

Auf diese Weise war es für alle Kinder im Vorfeld durch den Staat ermöglicht worden, die anspruchsvolle Einheitsschule auch zu schaffen.

Nicht zu vergleichen mit dem oft eigentlich nicht schultauglichen Rohmaterial, was sich in den unteren Klassen der deutschen Grundschulen tummelt!

Bildung in der DDR wäre ohne die Kinderkrippen & Kindergärten nicht das gleiche gewesen.

Neben der frühkindlichen Förderung war es dann vor allem die sogenannte „Grundstufe“, die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule, POS, die das eigentliche Bildungsniveau bestimmte.
Schon in der Unterstufe der POS (1. - 4. Klasse) wurde von Anfang an streng benotet, auch in Kopfzensuren (Betragen, Fleiß, Ordnung, Mitarbeit).

Eine sinnentleerte Schonzeit wie heute in der Grundschule war nicht existent! Unsere Grundschulen haben sich in pseudomoderner, verwissenschaftlichter Pädagogik und der lächerlichen Überbetonung von offenen Unterrichtskonzepten absolut verloren. Leistung wird nicht gefördert. Schlimmer noch: Leistung wird nicht gefordert!
Auch ein erzieherisches soziales Umfeld wird nicht geboten, den Kindern werden zuwenig Normen vermittelt, den Kindern werden zuwenig Werte, oder die falschen Werte, mitgegeben.

Deshalb kommt es immer öfter vor, daß an herkömmlichen Grundschulen auch Kinder, die im Grunde nur ein durchschnittliches Leistungspotential besitzen, gelangweilt in den Bänken hängen.

Nach der frühselektiven Phase, also der Entscheidung für Hauptschule, Realschule oder Gymnasium kommt deswegen unvermeidlich der Schock. Statt der Einsen und Zweien, die man bis dahin in den Arsch geschoben bekam, weht ab der 5. Klasse auf einmal ein anderer Wind.

Auch bei den Kopfzensuren wird alles falsch gemacht, was falsch zu machen ist. Statt einen ausdrucksfähigen Maßstab zur Benotung heranzuziehen (z.B. in Noten – Fleiß: 2, Ordnung: 5, Mitarbeit: 1, Betragen: 3), werden vielerorts hochgestochene, mitunter kryptische Texte fabriziert, geschrieben in einem pädagogischen Kauderwelsch sondersgleichen.

Die Kopfzensuren waren für uns eine fundierte, klare Ansage, wo wir standen. Und das ab Beginn der ersten Klasse.
(Eine kurze ausformulierte Einschätzung gab es auf dem Zeugnis zusätzlich - in ANSTÄNDIGER, VERSTÄNDLICHER Sprache!)

Lese ich die Beurteilungen heutiger Erstklässler wirkt das wie eine rhetorische Parodie, nicht wie eine transparente Zusammenfassung für die Eltern, wie sich das Kind so gezeigt hat.

Das Abitur der DDR war also deswegen so gut, weil in den vorgelagerten Stufen (Vorstufe u. Grundstufe), in der Breitenbildung also, gute Arbeit geleistet wurde.

Weil oft die Wochenstundenzahl unter Beschuß steht, habe ich aus Interesse die alten Schulhefte aus meinem mit Akten vollgestopften DDR-Panzerschrank gekramt.
Mit dem Sonnabend als regulärem Unterrichtstag hatte ich laut Heft damals 1989 in der 1. Klasse folgendes Pensum

Deutsch: 11
Mathe: 5
Sport: 2
Zeichnen: 1
Musik: 1
Werken: 1
Schulgarten: 1

Summa summarum: 22 (+3 Wochenstunden Deutsch-Ergänzung)
– die freiwillige Englisch-AG zum Ende der 1. Klasse, nachdem man also Lesen und Schreiben konnte, nicht eingerechnet (+2 Wochenstunden).

Alsbald kam die Wende und die Zerschlagung der POS (allerdings formal, inhaltlich erstmal nicht); im Schuljahr 1992/1993, 4. Klasse, sah es dann in meiner Stundentafel so aus

Deutsch: 14
Mathe: 6
Sport: 3
Zeichnen: 2
Musik: 1
Werken: 2
Schulgarten: 1

Summa summarum: 29
+2 Deutsch-Ergänzung, +2 Englisch

Der Sonnabendunterricht war schon mit dem Schuljahr 1990/1991 abgeschafft worden; die rein fakultativen Deutsch-Ergänzungsstunden waren bei uns an der POS ein Sonderangebot für die guten Leute.
(Wer allerdings zu Anfang hinging, mußte das verpflichtend bis zum Schuljahresende tun.)

Soso.

22 Regelstunden in der ersten Klasse, 24 in der zweiten, 27 in der dritten, 29 in der vierten - anscheinend kaum anders als heute, nicht wahr. Und trotzdem ein höheres Niveau.

Der Blick in die Stundentafel Mittelstufe (5. - 10. Klasse) fördert durchschnittlich 32 Wochenstunden zu Tage, nicht eingerechnet den zweistündigen Wehrunterricht in den Klassen 9 und 10.
Besonderes Gewicht lag auf Mathematik, Polytechnik und Naturwissenschaften. Sprachen sowie Geisteswissenschaften wurden in Umfängen wie heute erteilt.

Kinder, die eventuell später nach der Zehnten auf die EOS wechseln wollten, mußten das sonst fakultative Englischangebot zwingend in Anspruch nehmen (ab Klasse 7), damit eine 2. Fremdsprache über einen längeren Zeitraum als erteilt gelten konnte. An meiner POS waren das bspw. zusätzliche 4 Wochenstunden.

Gespannt warten einige hier sicherlich jetzt auf die Stundentafel der zweijährigen Oberstufe. :smile:
Auch diese Informationen hab ich aus dem Schrank herzugesucht.

Klasse 11

Mathematik: 5
wpA: 4
Physik: 3
Astronomie: -
Chemie: 2
Biologie: 2
Geographie: 2
Geschichte: 3
Staatsbürgerkunde: 1
Deutsch: 4
Russisch: 3
2. Fremdsprache: 3
Kunsterziehung: 1
Musik: -
Sport: 2

Summa summarum: 35

Klasse 12

Mathematik: 5
wpA: 4
Physik: 3
Astronomie: 1
Chemie: 3
Biologie: 3
Geographie: -
Geschichte: -
Staatsbürgerkunde: 2
Deutsch: 4
Russisch: 3
2. Fremdsprache: 3
Kunsterziehung: -
Musik: 1
Sport: 2

Summa summarum: 34

wpA heißt „wissenschaftlich-praktische Arbeit“ und ist die gehobene, ingenieurwissenschaftlich orientierte Fortführung des Faches „Polytechnik“ aus der Mittelstufe.

Übrigens existierte in der damaligen Oberstufe kein Kurssystem, es wurde weiter im Klassenverband unterrichtet. Abwählen von Fächern war nicht gestattet; die Stundentafeln waren also kein freundlicher Vorschlag, sondern absolut verbindlich.

Das Prüfungsprozedere zum Abitur war das gleiche wie an der POS zum Abschluß nach der 10. Klasse, d.h. die schriftlichen Pflichtprüfungen Mathematik, Deutsch, eine Naturwissenschaft, Russisch, gefolgt von mündlichen Pflichtprüfungen in mindestens 2 bis höchstens 5 Fächern, die vom Kollegium für jeden Oberschüler festgelegt wurden.
Die Sportprüfung war ebenfalls obligatorisch.
Unmittelbar nach Etablierung der EOS gab es sogar eine Weile lang Versuche im klassischen Abitur, d.h. Prüfung in jedem Fach. Man beurteilte das klassische Abitur als gut, doch wegen des akuten Lehrkräftemangels schob man die allgemeine Einführung auf, bis das Vorhaben schließlich nicht umgesetzt wurde.

Zuletzt greife ich noch den Aspekt der wesentlich besseren Lehrerausbildung auf. In der DDR studierte man Pädagogik auf Diplom, kam also nach 8 Fachsemestern als Diplomlehrer von der Hochschule.
Im Prinzip zerfiel die Stundentafel in die 3 Hauptblöcke allgemeine Lehre, Hauptfach, Nebenfach. In den ersten vier Fachsemestern betrug der Umfang im Schnitt 29 bis 31 Semesterwochenstunden(*) plus abzugebende Hausaufgaben, Aufsätze et cetera. Die Lehrveranstaltungen (Vorlesungen/Seminarübungen) waren dabei gleichmäßig aufgeteilt zu je einem Drittel auf allgemeine Lehre, Hauptfach, Nebenfach.

In den Block Lehre fielen für einen zukünftigen Diplomlehrer bspw. Pflichtvorlesungen wie Pädagogik, Psychologie, Methodiken, 2. Fremdsprache, Studentensport, Sprecherziehung, kulturell-ästhetische Bildung und Erziehung, Technik der Arbeit mit audio-visuellen Unterrichtsmitteln, Marxismus-Leninismus, pädagogische Tätigkeit.

In den Block Hauptfach fielen die Fachvorlesungen für das gewählte Diplomfach, also z. B. für das Mathematiklehrerstudium Dinge wie Analysis, Lineare Algebra, mathematische Fachdidaktik, … .

Im Block Nebenfach wurde Hochschulunterricht im gewählten Nebenfach erteilt, bspw. Physik oder Geographie bei den Mathelehrern, mit dem Plan Mitte der 80er, Informatik als ein neues Regelfach an der POS & EOS einzuführen, später dann auch Informationstechnik/Informatik.

Unterstufenlehrer, also die Lehrerinnen für die Klassenstufen 1 bis 4, absolvierten ein gesondertes, noch mehr auf Didaktik, Pädagogik und Unterrichtspraxis zugeschnittes Fachstudium.

Die Prüfung Marxismus-Leninismus war für jeden angehenden Lehrer unabhängig von der Fachrichtung Pflicht.

Es zeigt sich also, daß die Lehrer nicht nur ein bedeutend schwereres Studium als heutzutage absolvieren mußten, es war den Bedürfnissen von schulischer Bildung wesentlich besser angepaßt.

Ich hoffe, nach dem Beitrag weißt Du jetzt, warum der Westen sich so schwer tut. Er ist einfach bildungspolitische Dritte Welt.
Sachsen und Thüringen hatten ja nach dem Anschluß an die BRD noch Glück; man schmiß nicht alle DDR-Altlasten über Bord, behielt beispielsweise das angeblich ach so unmögliche Abitur nach 12 Jahren und konnte den Niveauverlust auf Grund des gegliederten Schulsystems mehr oder minder erfolgreich eindämmen. Die Altlehrer haben hier auch einen wesentlichen Beitrag geleistet.
Neulich las ich, daß in Sachsen noch mehr als 70% der Lehrer ihre Unterrichtsvorbereitung nach den alten DDR-Schulbüchern und den sogenannten „Handreichungen für Lehrer“ erledigten. Die Lehrer betonten dabei, daß man das nicht aus eingeschliffener Gewohnheit täte, sondern aus Gründen des besseren fachlichen Inhaltes.

Bis bald

Zur Ergänzung gab es noch halb-freiwillige Arbeitsgemeinschaften, wo es auch noch Vertiefung in Fachbereichen Naturwissenschaft und Mathematik gab. Damit war die Studenzahl schon höher und besseres Niveau als im Westen.

Außerdem hatten Schüler weniger Freizeit und konnten so sinnvolles tun. Heutzutage wird aus Langeweile randaliert. Damals mußte man zu Pionier- oder FDJ-Veranstaltungen.

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kleine Korrektur
Das war ja fast ne Dissertation zum Thema. Falsch ist die Aussage zur nur 2jährigen Abiturstufe. Bis 1982 wurde nach der 8. Klasse auf die EOS gewechselt, was ich persönlich besser gefunden habe. So mußte man ab 1983 zur 11. Klasse die Schule und Klasse wechseln und sich gleich mit dem Halbjahreszeugnis (!) der 11. Klasse an der Uni bewerben. Der Grund für diese Änderung ist mir nicht bekannt.
Sonst empfinde ich Deine Ausführungen als korrekt, wenngleich mancher im Westen, der unbewußt nie an der Überlegenheit des Westens zweifeln kann, Polemik vermuten mag. Ich bin als Laie auch überzeugt, dass das Bildungssystem der DDR - trotz Margot H. - überlegen war, vielleicht, weil Bildung in der DDR einen wirklich hohen Stellenwert hatte. Wenn man den ganzen ideologischen Quatsch (Geschichte, Staatsbürgerkunde, Wehrunterricht) abzieht, bleibt genug Zeit, den Sonnabend frei zu halten, oder humanistische Dinge zu lehren. Die kamen in der DDR sicher zu kurz.
Als Quintessenz bleibt für mich, eine bessere Lehrerausbildung zu fordern. Pädagogik, Didaktik, all das kommt hier m. E. viel zu kurz.

pp

Gegenkorrektur
H wie Hola.

Das war ja fast ne Dissertation zum Thema.

Der Text war ursprünglich viermal so lang, doch ich habe umfangreich gekürzt – eine detaillierte Passage zur Wiederbelebung der Reformpädagogik bis 1951, mehrere umfangreiche Passagen mit Zitaten aus den Originaltexten der verschiedenen Bildungsgesetze und eine längere Passage zur idealistischen Ambition des Bildungssystems.

Falsch ist die Aussage zur nur 2jährigen Abiturstufe.
Bis 1982 wurde nach der 8. Klasse auf die EOS gewechselt, …

Falsch ist die Aussage nicht. Ich habe nur einen Teil der Fakten weggelassen, damit der Text nicht noch weiter ausartet.

Es wurde grundsätzlich zweigleisig gefahren, d.h. der Wechsel nach der 8. Klasse an die Erweiterte Oberschule - eigentlich „Erweiterte zwölfklassige polytechnische Oberschule“ - war üblich, jedoch nicht zwingend. Man konnte ohne Einschränkungen auch nach der 10. Klasse in die gymnasiale Oberstufe wechseln.

Die Kinder an der EOS mußten nach der 10. Klasse die gleiche Prüfung
ablegen, wie die Kinder an der POS. Wer zu schwache Leistungen zeigte,
oder gar durchgefallen war, flog von der Schule!

Interessantes Detail für einige Leser ist vielleicht auch, daß man durchgefallen war, sobald man [b]eine[b] 5 als Endnote irgendwo stehen hatte. So war übrigens auch die Versetzung geregelt; wer irgendwo auf dem Endjahreszeugnis eine 5 hatte, blieb knallhart sitzen.

Den Luxus heutiger leistungsverschleiernder Rechentricks - Stichwort Ausgleichen schlechter Zensuren - gab es nicht.
War ein gewisses Leistungsniveau vom Schüler nicht erbracht worden, biß die Maus keinen Faden ab und derjenige wiederholte das Schuljahr.
Auf diese Weise war es unmöglich, daß Schüler in die höheren Klassen immer knapp mitgeschleift werden konnten und plötzlich, nach der Abschlußprüfung, der große Knall kam.

„Wie?! Mein Kind ist so schlecht? Aber der hat es doch bis in die 10. geschafft?!“ - undenkbar in der DDR.

(Davon abgesehen waren die Lehrer GESETZLICH verpflichtet, mit den Eltern zusammenzuarbeiten, umgekehrt waren die Eltern GESETZLICH verpflichtet, die Kinder anständig zu erziehen und ihrerseits mit dem Lehrerkollegium zusammenzuarbeiten.
Überhaupt war [b]in den Gesetzen[b] ein hohes Maß an Transparenz über Verhalten und Leistungen der Schüler festgeschrieben. Die Menschen wurden verpflichtet, Interesse an Erziehung, Bildung und an Schule zu zeigen. Sowas wirkt angesichts aktueller Bildungsprobleme wie eine halbe Wahnvorstellung; hier geht bildungspolitisch dermaßen alles drunter und drüber, eine staatsbürgerliche Pflicht zur Förderung von guter Schule wäre bei den vielen unfähigen, egozentrischen oder desinteressierten Eltern längst überfällig.)

So mußte man ab 1983 zur 11. Klasse die Schule
und Klasse wechseln und sich gleich mit dem Halbjahreszeugnis
(!) der 11. Klasse an der Uni bewerben. Der Grund für diese
Änderung ist mir nicht bekannt.

Man stellte nach fast 20jähriger Erfahrung fest, daß die Betonung der zehnklassigen Einheitsschule sinnvoller ist.
Und: Die meisten Kinder wechselten immer nach der 10. Klasse an die EOS.

Das mit der frühzeitigen Bewerbung war üblich; für die EOS mußte man sich an der POS auch rechtzeitig bewerben. Einerseits wollte man sicherstellen, daß der Schüler langfristig gute Zensuren erbringen konnte, also mäßig begabte Pauker mit einer Hauruckaktion kurz vor der Angst keine Zulassungschance hatten, andererseits war es einfach der Planvergabe der freien Plätze geschuldet.

Sonst empfinde ich Deine Ausführungen als korrekt, wenngleich
mancher im Westen, der unbewußt nie an der Überlegenheit des
Westens zweifeln kann, Polemik vermuten mag.

Die unbelehrbaren, längst überholten Verfechter des gegliederten Schulsystems werden nicht so schnell aussterben. Denen ist allerdings auch nicht mehr zu helfen, da würden auch noch so faktenlastige, nüchtern vorgetragene Beiträge nichts ändern.

Ich bin als Laie auch überzeugt, dass das Bildungssystem der DDR
[…] überlegen war, vielleicht, weil Bildung in der DDR einen
wirklich hohen Stellenwert hatte.

Die Bildung war das höchste Gut im gesamten Staat -
das war mehrfach in allen möglichen Gesetzen direkt wie indirekt formuliert worden.

Wenn man den ganzen
ideologischen Quatsch (Geschichte, Staatsbürgerkunde,
Wehrunterricht) abzieht, bleibt genug Zeit, den Sonnabend frei
zu halten, oder humanistische Dinge zu lehren.

Zweifelhaft. Wo kommt eigentlich dieser Mythos her, die Stundentafel wäre mit ideologischen Inhalten überfrachtet gewesen? Das stimmt doch überhaupt nicht.
Geschichte wurde zwar gerne aus Sicht der Arbeiterklasse gelehrt - doch nicht nur. Eine solide geschichtliche Bildung der Kinder war ebenso Maßgabe des Lehrplanes. An den historischen Tatsachen rückte man nicht weniger herum, als es nicht auch andere Staaten taten.

Nur ein amüsantes Beispiel dazu: Anstatt Konrad Zuse, bekanntlich ein Deutscher, ist der Erfinder der ersten programmgesteuerten Rechenmaschine wahlweise in den USA natürlich ein Amerikaner, in der Ex-Sowjetunion/GUS dagegen bekommt man unverfroren einen Russen genannt.

Geschichtsfälschung und Geschichtsinterpretation sind so alt, wie die Menschheit sich selber Geschichte überliefert hat. Die DDR war da keine Ausnahme. Man interpretierte das Geschehen in Raum und Zeit eben desöfteren aus Sicht der Arbeiterklasse. Trotzdem bestand Geschichte natürlich auch aus brauchbaren Geschichtsunterricht.

Und Staatsbürgerkunde? Heute heißt das Gemeinschaftskunde oder Gesellschaftskunde. Warum sollte ein solches Fach „ideologischer Quatsch“ sein? Gilt es heute als idelogischer Quatsch?

Natürlich wurde auch hier von den Genossen alles dafür getan, die Roten in einem hellen Lichte erstrahlen zu lassen.
Aber bitte - das hat doch hinten und vorne in den Köpfen der Menschen nicht funktioniert. Bis auf Mitläufer und unverbesserliche linientreue Leute, die diese Rolle auch in jedem anderen System gespielt hätten, hat der Volksmund innerlich nie die Parolen für voll genommen.

Ich habe ähnliche Indoktrinierungsversuche auch schon zur Genüge an westdeutschen Schulen erlebt. Oder besonders krass im Politunterricht der Bundeswehr!

Da wird schonmal eine dreiviertel Stunde heroisch über die „unumschränkte Überlegenheit“ des Grundgesetzes geschmettert, obwohl dieses Büchlein von Anfang an ein bemühtes, in entscheidenden Fragen von den Alliierten gelenktes, mit verfassungsrechtlichen Blockaden gespicktes, fehlerbehaftetes Provisorium war.

Oder es werden von Lehrerseite her alternative Demokratiemethoden wie z.B. Plebiszite oder Präsidialdemokratie verunglimpft bzw. in der Luft zerrissen, damit unsere alte, erstarrte, konservative repräsentative Demokratie eine gute Figur machen kann.

Man muß das alles in gesunden Relationen und mit dem kritischen Auge betrachten.

Und Wehrunterricht? Das war kein regulärer Unterricht, sondern eine obligatorische wöchentliche Zusatzveranstaltung im Umfang von 2 Wochenstunden, die nicht benotet wurde.
Geschuldet war diese Nummer dem chronischen Mangel an Offizieren in der NVA.

Ich wäre also eher vorsichtig, mit dem „Abziehen“ von Geschichte oder Stabi die Stundentafel zurechtrücken zu wollen. Es war ein anderer Staat, es war ein anderes System.
Und genau wie heute die Fächer Geschichte und Gemeinschaftskunde ihre Berechtigung bei uns haben, die auch nicht völlig neutral erteilt werden, hatten in der DDR eben Geschichte und Stabi ihre Berechtigung.

Und für den Sonnabendunterricht hilft es doch auch nichts -
ich hatte am Sonnabend von 7.30 Uhr bis 11.05 Uhr immer 4 Stunden; Mathe-Deutsch-Mathe-Deutsch. :smile:

Die [humanistischen Dinge] kamen in der DDR sicher zu kurz.

Das kann ich nicht bestätigen. Wenn ich durch meinen unbezahlbaren Fundus an Schulbüchern von damals blättere oder in die Hefte schaue, finde ich dort ein gehörig Maß an Allgemeinbildung, auch humanistischer Couleur.

(Allgemeinbildung war staatlich verordnetes zentrales Bildungsziel.)

Anekdote: Es wurden Schulversuche durchgeführt, um an der POS regulär für alle Kinder ab 6. Klasse Altgriechisch und Latein fest in die Stundentafel einzubinden. Das Vorhaben scheiterte nur am empfindlichen Lehrermangel für Altgriechisch & Latein , und, weil in kurzer Zeit kein Diplomlehrerstudiengang für die alten Sprachen auf dem gewünschten Niveau hätte aufgebaut werden können. :smile:

Es gab auch eine Weile einen altsprachlichen Zweig der EOS, der später dann aufgelöst worden ist.

Ciao

Das war ja der große Vorteil in der DDR. Bildung fängt nicht in der Schule an. Vorher gab es Kindereinrichtungen (Krippe, Kiga), wo schon einiges gelernt wurde. Auch Sozialverhalten kam nicht zu kurz. Genau deshalb ist die BRD so dumm geworden. Die Verantwortlichen haben die frühkindliche Bildung einfach ignoriert.

Die Fächer Geschichte und Staatsbürgerkunde waren auch nicht schlechter als heute. Ideologisch sind heutzutage die Sozialfächer.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

gegen Gegenkorrektur
Geschichte war bei uns bis ungefähr 8. oder 9. Klasse in Ordnung, ab da bestand es eigentlich nur noch aus trockenen pseudoproletarischen Propagandaeinheiten. Auch Staatsbürgerkunde hatte nur einen geringen Teil, der diesen Namen verdient. Insbesondere in der Abiturstufe bestand der Unterricht nur noch aus dem öden Runterrasseln wechselweise der Parteitage der KPdSU und der SED. Wer je die Titelseiten des „Neuen Deutschlands“ gelesen hat, weiss, dass das mit Information und Bildung schlicht nichts zu tun hat. Diese 2 Fächer waren inhaltsmäßig vollkommen überflüssig, was nicht heißt, dass sie mit relevanten Themen nicht aufzufüllen wären. Und Wehrkunde war das dritte, zwar nicht benotete, aber dennoch zählende Fach, was für die Katz war. Die Schule ist nicht zuständig für die Unattraktivität einer Armee, das hat dort nichts zu suchen!
Freundlicherweise war die Feindpropaganda der DDR so aufbereitet, dass es ein gerüttelt Maß an Borniertheit brauchte, um diese Dinge zu glauben. Es grenzte schon an Karikatur, wenn die Überlegenheit des Sozialismus gepredigt wurde, der wirtschaftliche Rückstand des Staates aber schon am miesen, meist schwarz weissen Agitprop-Bildmaterial offenbar wurde - verglichen mit dem was abends ARD und ZDF lieferten.
Bei uns übrigens wechselte bis 1982 keiner nach der 10. KLasse auf die EOS.
Kurz gesagt, die Struktur des DDR-Schulsystems gefällt mir nach wie vor besser, die Inhalte und die Ausbildung der Lehrer würde ich auch hochwertiger sehen. Der Propagandateil war überflüssig und sicher auch wenig wirksam, er war für einen halbwegs intelligenten, geübten DDR-Bürger gut als solcher zu erkennen.

pp

off topic

Irgendwann kommt die fröhliche Rente und dann subito ab in den
Sarg. Klasse.

Dazu fällt mir der (angeblich so formulierte) fiese Satz ein:
Rentenverträgliches Früh-Ableben wobei der Rentner schon vorher wohl nicht wirklich fröhlich ist!

Angelika