Ich habe gelesen, dass insbesondere dynamische Musik Gänsehaut hervorruft. Meine persönliche Beobachtung ist aber, dass ich bei lauter Musik viel leichter Gänsehaut kriegt (Stichwort Kino). Weichen eure Gänsehaut-Erlebnisse auch von der Norm ab?
Das steht so allerdings nicht im verlinkten Artikel:
Dennoch ist erwiesen, dass einige musikalische Merkmale besonders zuverlässig Chills auslösen (De Fleurian & Pearce, 2021):
- Dynamische Veränderungen (Beispielsweise Crescendi)
- Unerwartete strukturelle/texturelle Änderungen
- Wahrgenommene Emotionalität
Und das erklärt dann auch das:
In den meisten Filmen ist die Musik ja nicht durchgängig laut. Statt dessen weißt sie eben starke Dynamiken auf, unterstützt (bei gut gemachten Filmen) die Bilder durch emotionale Kompositionen und nicht selten pointiert sie die optischen Überraschungseffekte akustisch.
Mit anderen Worten: Deine Wahrnehmung deckt sich mit dem geschriebenen.
Aha, dann hat die gleiche Musik in leise nicht einen schwächeren Effekt, weil sie leiser ist, sondern weil sie durch das Leisemachen weniger dynamisch ist?
Die Dynamik wird in Dezibel (dB) angegeben, ist ein Verhältniswert und bleibt identisch, egal ob laut oder leise gehört wird (solange die leiseste Stelle lauter als die Hörschwelle ist). Sie bezeichnet einfach den Unterschied zwischen der leisesten und der lautesten Stelle. Bzw. bei Geräten und Medien den theoretischen Abstand zwischen der geringsten und höchsten Lautstärke.
Allerdings macht sich in der Psychoakustik die Lautstärke generell positiv bemerkbar. Bis zur persönlichen Lärmgrenze wird lautere Musik als „besser“ empfunden, selbst, wenn sie von der Lautstärke abgesehen, identisch ist. Es reicht schon ein Unterschied von 0,5 dB(A) in der Wiedergabelautstärke und ein Großteil der Probanden empfindet die lautere Musik als angenehmer.
Daher kann die laute Musik eines Films im Kino bei Dir viel mehr wirken, als der selbe Film zu Hause. Obwohl die Dynamik unter umständen exakt gleich ist.
Deutlich bermerkte man das vor einigen Jahrzehnten bis noch von einigen Jahren. Da gab es die (so formuliert) pauschal falsche Aussage: Schallplatten sind dynamischer als CDs. Warum war das falsch? Die reine Technik der CD ist in der maximal möglichen Dynamik der Platte haushoch überlegen. Etwa 100 dB bei der CD und nur 60 dB bei der Platte.
Bei der realen Pressung auf Platten wurde die maximale Lautstärke und damit auch die maximale Dynamik nur selten eingesetzt. Die Rillen mussten dann so stark geschnitten werden, dass ein Springen im Titel nicht auszuschließen war. Entsprechend sparsam gingen die Menschen am Mischpult mit der Lautstärke und der Dynamik um.
In den frühen Jahren der CD hat man zum Teil alte Platten neu heraus gebracht - neu arrangiert. Man hat die maximal mögliche Lautstärke ausgenutzt. Hinzu kam der „War of Loudness“, der Krieg der Lautheit. Bei einigen Platten nahm die durchschnittliche Lautheit immer weiter zu, die maximale Lautstärke wurde an immer mehr Stellen erreicht und die Dynamik nahm ab. Das war aber kein natürlicher oder technischer Vorgang, sondern ein menschlicher. Die Menschen am Mischpult haben die Musik „versaut“.
Und so konnte in der Praxis eine Platte aus den 1990ern eine größere Dynamik aufweisen, und damit mehr Gefühle auslösen, als die gleiche Musik auf CD aus den 2000ern. Einige Bands gingen vergleichsweise vorsichtig mit ihrem Material um, weshalb sich bei vielen Menschen mit guten HiFi-Anlagen CDs von z.B. den Dire Straits im Regal befinden.
Ganz schön viel geschrieben.
Aber warum hat man den Quatsch gemacht? Laut wird psychosomatisch als besser empfunden, bekommt mehr Aufmerksamkeit, verkauft sich besser.
Doch. Falls Du auf Science Fiction stehst: höre Dir mal dem Imperial March von Star Wars auf Zimmerlautstärke an und dann nochmal mit der Lautstärke, dass man es in allen Zimmern gut hören kann. In der zweiten Version macht es sicher mehr Spaß. Und das, wie schon geschrieben, obwohl die Dynamik gleich bleibt.
Der Unterschied, den der verlinkte Artikel meint, ist eher in die Richtung gedacht, dass von vielen Menschen z.B. Dire Strait oder Genesis als interessanter, emotionaler empfunden wird, als so manches Krachlied, wofür es den Begriff „überproduziert“ gibt. Viel von dem modernen Quatsch, wo es scheinbar mehr Instrumente gibt, als in einem klassischen Orchester…
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