Galilei - Atombombe

Hallo,

ich bin gerade dabei eine literarische Erörterung über „Leben des Galilei“ von Brecht zu schreiben.

Für mich ist es überhaupt nicht verständlich, wieso Galilei indirekt Schuld an dem Bau der Atombombe sein soll. Galilei hat das ptolemäische Weltbild in Frage gestellt und sich doch nicht mit Atomen usw. beschäftigt?!

Ich würde mich freuen, wenn mir jemand auf die Sprünge helfen kann…

Gruß
Tina

Hallo,

ich bin gerade dabei eine literarische Erörterung über „Leben
des Galilei“ von Brecht zu schreiben.

Da wärest du im Literaturbrett evtl. besser aufgehoben.

Für mich ist es überhaupt nicht verständlich, wieso Galilei
indirekt Schuld an dem Bau der Atombombe sein soll. Galilei
hat das ptolemäische Weltbild in Frage gestellt und sich doch
nicht mit Atomen usw. beschäftigt?!

Stimmt schon, aber wenn mich nicht alles täuscht, ist das auch nur eine sehr vage Andeutung (15. Szene: „Daß es nicht, ein Feuerfall / Einst verzehre noch uns all“)
Insbesondere in der Szene davor wird sehr stark die Frage der Verantwortlichkeit der Wissenschaftler für ihre Forschung diskutiert. In diesem Zusammenhang steht natürlich auch die indirekte Erwähnung der Atombombe. Brecht ist ja in erster Linie ein politischer Autor, und das epische Theater dient der Belehrung. Insofern kann derartiges durchaus sinnvoll interpretiert werden.

Das sollte als kleine Anregung eigentlich langen.

Gruß
L.

Hi Tina,

Ich glaube ich kann nicht wirklich weiterhelfen, aber lass dir das
gesagt sein: Ich kann dich sehr gut verstehen!

Es ist noch nicht zu lange her, da wurde ich im Deutschunterricht mit
diesem Thema gequaelt! Das Buch hat mich furchtbar aufgeregt, und als
wir dann die Klausur zu dem Thema schrieben habe ich meinen ganzen
Frust darueber aufs Papier gebracht und dementsprechend sah dann
meine Note aus… wie dem auch sei:

ANGEBLICH muss man das Ganze etwas abstrakter sehen: Brecht zieht nur
Parallelen zwischen Galilei und den Leuten, die die A-Bombe gebaut
haben. Er sagt nicht, dass Galilei daran schuld ist, dass es die
Bombe gibt. Im „Leben des Galilei“ moechte er zeigen, dass der
Wissenschaftler die Verantwortung uebernehmen muss fuer seine Taten
und nicht nur der Forschung halber forschen kann (Wie Galilei es
eigentlich gerne gesehen haette) egal was dabei heraus kommt. Brecht
findet, dass der Forscher zuerst ueberlegen muss, welche Konsequenzen
es hat; und dann kann er dementsprechend aufhoeren zu forschen oder
weiter machen.

Meiner Meinung nach ist das aber voellig absurd. Insbesondere das
Beispiel das Brecht waehlt (Galilei) ist geradezu skurril. Galilei
beobachtete schliesslich schlicht und einfach nur die Bewegungen des
Planeten/Monde. Und „dummerweise“ stimmten diese nicht mit dem
Weltbild der Kirche ueberein. Dafuer kann Galilei ja wirklich nichts!

Ausserdem ficht meiner Meinung nach Brecht in dem Werk seinen Kampf
fuer den Kommunismus. Obwohl dieser in dem Werk nichts verloren hat.
Die Szenen wo Galilei vor sich hin jammert und ueber die
Unterdrueckung und so weiter klagt, sind meiner Meinung einfach von
Brecht in seiner damaligen Situation dieser historischen Figur
absolut wahrheitsverzerrend in den Mund gelegt worden…

Bevor ich mich weiter im Kreise drehe, hoere ich lieber auf. Muss
einfach sagen: Ich fand das Buch echt sehr schwach! Zu den Thema
sollten Schulen besser Durrenmatts „Die Physiker“ lesen anstatt
dieses ideologisch verzerrten Werkes.

Hallo Christina,

Für mich ist es überhaupt nicht verständlich, wieso Galilei
indirekt Schuld an dem Bau der Atombombe sein soll. Galilei
hat das ptolemäische Weltbild in Frage gestellt und sich doch
nicht mit Atomen usw. beschäftigt?!

wie meine Vorschreiber schon anmerkten: Galilei ist nach Brecht nicht Schuld. Irgendwo weiter hinten (18. Aufzug?) lamentiert Galilei, dass sich die Wissenschaft immer weiter von der Menschheit entfernt und eines Tages der Jubelschrei der Wissenschaftler über eine neue entdeckung von einem allgemeinen Entsetzensschrei der Menschheit beantwortet wird. Brecht ist Dialektiker. Er zeigt, dass Galilei nicht im Elfenbeinturm sitzt, sondern dass sein Wirken konkrete Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. Als aufgeklärtem Menschen und als Kommunist ist es Brecht recht, dass Galilei der Wissenschaft Bahn und die Macht der Kirche bricht (oder zumindest einer der Protagonisten in diesem langwierigen Prozess ist, der auch in der westlichen Welt noch keine Ende gefunden hat: siehe die Kreationisten in den USA). Andererseits sieht Brecht als Dialektiker auch die Gefahr: eine Wissenschaft, die nicht mehr an Werte gebunden ist und nur noch des Forschens willen forscht, dabei aber die gesellschaftlichen Zusammenhänge ignoriert, stellt eine große Gefahr dar.

Brecht fordert daher eine Verantwortungsethik, der sich die WissenschaftlerInnen unterwerfen sollen. Dabei übersieht er einiges:

  1. Die Wissenschaft hat von den verachteten „mechaniki“ des klassischen Griechenlands ausgehend erst dann einen ungeahnten drive bekommen, als ihre wirtschaftliche Bedeutung klar war. Wissenschaft entwickelte sich immer im dialektischen Spiel mit wirtschaftlichen Interessen. Die „reine Wissenschaft“ isr ein Konstrukt in Verbindung mit dem Humboldtschen Bildungsideal, geschaffen im 18. und 19. Jahrhundert. Gerade heute sehen wir sehr deutlich, wie sehr die Wissenschaft in den Würgegriff wirtschaftlicher Interessen geraten ist.

  2. Der Wissenschaftler ist zumindest heute fremdgesteuert. Ohne Geld keine Wissenschaft. Die Wissenschaftsfreiheit ist de facto abgeschafft und ein Wissenschaftler, der sich aus ethischen Gründen bestimmten Dingen verschließt, hat damit seine Karriere beendet. Diese Forderung Brechts kann man zwar stellen, ist aber unfair, weil es zumeist eine Überforderung der betroffenen Individuen darstellt und deshalb auch wenig wirksam (sonst wäre z.B. die Atombombe nicht entwickelt worden).

Grüße, Thomas