Gas sparen - frieren für den Frieden?

Hallo Forum.
Vorab: Der Titel des Themas ist aktuell (angesichts der sommerlichen Temperaturen) vielleicht nicht ganz passend, aber er stammt aus einer Zeit vor ein paar Monaten, wo wir alle (oder zumindest einige) noch an der (Gas-)Heizung gedreht haben und ist recht plakativ, daher…
Angesichts der jüngsten russischen Kürzungen bei den Gaslieferungen und da selbst der grüne Wirtschaftsminister erwägt, trotz der Klimapolitik die Kohle wieder hinter dem Ofen hervorzuholen, um Gas einzusparen, folgende Frage/Diskussion:

Es heißt, jede kWh die jetzt eingespart werden kann, trägt dazu bei, dass man die Speicher (bis zum Winter) voll bekomme und niemand im Winter frieren muss. Okay, soweit, so verständlich. Jetzt ist es klar, dass wenn man (wie die meisten hierzulande) eine Gasheizung im Keller hat, sollte man (spätestens aktuell bei den Temperaturen) die Thermostate runterdrehen/ausstellen. Ggf. auch nochmal die Einstellung der Heizungsanlage prüfen (Sommerbetrieb/nur noch Warmwasser, richtig eingestellt?). Und ganz simpel: Lieber (kurz) duschen, als ausgiebig baden, klar.

Aber wie sieht es beim Stromverbrauch aus? Laut aktuellem Report (https://strom-report.de/strom/) verbrauchen wir deutschlandweit aktuell im Schnitt Mitte 40 TWh im Monat. Davon werden gerade einmal 2-3 TWh mittels Gas erzeugt. Und ist das dann nicht eher die Großindustrie betreffend, als den Normalverbraucher?
Ja, man hat vielleicht noch einen Vertrag mit einem Anbieter, der (richtigen) Öko- oder wenigstens „grünen Strom“ liefert. Aber klar ist ja auch, dass aus der Steckdose nicht der bestellte Strom ankommt, sondern der „allgemeine Mix“.

Ganz allgemein gefragt: Ja, abgesehen von den Kosten und auch davon, dass allgemein Stromverschwendung überflüssig ist. Aber „bringt“ es wirklich etwas, wenn jetzt Ottonormalverbraucher (überspitzt formuliert) nachts sein WLAN am Router oder seine LED-Lampe ausschaltet (dafür dann bei Kerzenschein fernsieht?) und dadurch ein paar kWh einspart?

Freue mich auf eine sachliche Diskussion. MfG

Habe ich die Nachrichten richtig verstanden?

Wegen des Boykotts gegen Russland darf Siemens die überholte(n) Gasturbine(n) für Nordstream 1 nicht ausliefern.

Unsere Missachtung sollte sich gegen die Boykotteure richten, nicht gegen den Lieferanten. Wenn wir frieren oder der gaserzeugte Strom knapp wird, ist es der Westen, der uns das eingebrockt hat.

Uns wird ständig erzählt, dass Russland gerne mehr Gas liefern würde, aber die Einnahmen werden den Russen nicht gegönnt. Nun liefern sie weniger, haben weniger Einnahmen. Wunsch erfüllt.

Ich bin prinzipiell dafür, dass ein so großer Staat wie Deutschland für grundlegende Bedürfnisse autark ist. Also Grundnahrungsmittel und den Grundbedarf an Energie selbst erzeugt.

Bin auch dafür, dass Privatleute vorsorgen. Zum Beispiel mit Holz und Ofen. Man sollte auch wissen, wo man Wasser beziehen kann. Bei Stromausfall kann Wasser nicht durch Leitungen gepumpt werden (oder haben die Wasserwerke Verbrennungsmotoren?)

Ein großes Problem ist auch die Siedlungspolitik. In meiner Jugend konnte so mancher seinen Arbeitsplatz und Einkaufsmöglichkeiten noch zu Fuß oder zu Fahrrad erreichen.

Achtung, hier wird wieder der Niveaulimbo getanzt.

Stammtisch at it’s best.

P.s. früher gab’s auch echt heiße Sommer. Und hat’s uns geschadet?
Ja, wie man hier sieht.

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Reden wir spaßeshalber einen Moment über den Stromverbrauch. Ich komme für die ersten fünf Monate auf einen Anteil für Gas von knapp 11%. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn die elektrische Energie, die die Unternehmen autark erzeugen, d.h. nicht dem Netz entnehmen, wird darin im Zweifel nicht enthalten sein. Insbesondere bei den Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung sieht das Verhältnis der Energieträger zueinander völlig anders aus:
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) | Umweltbundesamt

Viel entscheidender ist aber, dass Gas eine riesige Rolle für Prozesswärme spielt. Die Herstellung von Glas, Porzellan, Stahl, Zement oder Kalk ist ohne Erdgas kaum möglich. Hinzu kommen bspw. noch die Produkte, für die Erdgas als Rohstoff benötigt wird.

Zur eigentlichen Frage: ob bzw. wie viel es am Ende was bringt, wenn die Privathaushalte jetzt ein bisschen Gas einsparen, wird sich herausstellen. So könnte man aber einen Beitrag dafür leisten, dass die Vorräte im kommenden Winter für alle ein bisschen länger reichen. Klar ist aber auch, dass die Privathaushalte bevorzugt beliefert werden werden. Die Industrie kuckt dann in die Röhre - mit den entsprechenden Folgen.

Gruß
C.

Und die Bude abbrennt weil er eingeschlafen ist. Nachdem das Löschwasser verbraucht ist spart er dann ganz viel.
Ich habe mich neulich auch gefragt, wer da noch alle Latten am Zaun hat als die Rede von einer Heizungsabsenkung um 6° war.
Soll ich mir jetzt extra eine Klimaanlage aufstellen um das zu schaffen!?
Gas ist genug da. Es war auch im vorigen Winter genug da.

@MacGuffin
Ja, bei dem ganzen Gerede (warum gerade jetzt?) über Heizen, Kerzen und Brände fällt mir auch nur was zum Stammtisch ein; ein Kindheitstraum: Anti - Kerzen! (alternativ Frostkerzen).
Die sehen aus wie Eiszapfen mit Docht, man zündet sie nicht an, sondern bläst sie aus (oder hält einen Eiswürfel dran), und dann spenden sie Schatten und Abkühlung.

Ich muss mich mal mit Greta unterhalten …
Mein Ventilator ist laputt

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Gestern im Fernsehen zeigten die einen Weltmarktführer in der Glasherstellung - die Röhrchen, in denen Impfdosen ausgeliefert werden, stammt zum Beispiel von denen. Die sagten ganz klar: die Maschinen sind auf einen 24h-Dauerbetrieb ausgelegt. Wenn man ihnen den Gashahn abdrehen würde, würde das einen Totalschaden an den Glasschmelzen bedeuten.

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Jepp, das ist richtig. Eine Glaswanne darf nicht ‚kalt‘ werden sonst Totalschaden.
Zum Heizen der Öfen gibt es max 2 Möglichkeiten: Gas oder Strom. Je nach Glastyp ist das eine oder das andere besser.

Gruß aus der Glasindustrie!

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Ja, das ist in vielen Bereichen ein Problem. Glas ist ein typisches Beispiel. Wenn man den Betrieb stilllegt/stilllegen muss, hat man auf einmal sehr viel sehr hartes Zeug in den Anlagen. Ähnliche Probleme hat man bei der Erzeugung von Stahl und gebranntem Kalk, um noch zwei Beispiele zu nennen.

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und Strom kommt aus der Steckdose - da brauch in kein Kraftwerk zu…

Wo war im letzten Winter Krieg in Europa?

Gilt auch für die Herstellung von Dämmstoffen aus Glas- und Steinwolle, bei Temperaturen von 1500 Grad.
Mein früherer Arbeitgeber könnte seine Glasschmelze verschrotten.

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Der wird übrigens auch in der Glasherstellung eingesetzt…

Ich weiß. :slight_smile: Ich könnte ziemlich viel über Kalk erzählen. Der Besuch eines Kalk(berg)werks war eine der beeindruckendsten Betriebsbesichtigungen meines Lebens. Das Zeug hat zudem so viele Anwendungen, von denen so viele nicht wissen. Letztlich ist das Kalkvorkommen, das sich von Belgien bis Westfalen zieht und eines der reinsten der Welt ist, der wesentliche Grund dafür, dass das Ruhrgebiet das wurde, was es mal war. Und es ist eben auch sehr wichtig für viele Industrien, die sich an Rhein, Ruhr, Sieg usw. ansiedelten.

Darf ich dazu mal blöd fragen? In der Grundschule war mal ein Glasbläser bei uns (da hab ich dann auch so eine Flaschen-Tauch-Figur gekauft!) sonst habe ich davon keine Ahnung… Ich verstehe auch, dass eine Glasschmelze nicht kalt werden darf, weil sonst alles kaputt geht. Aber wäre es denkbar, zu „drosseln“. Also vielleicht das Schmelzbad nicht vollständig zu füllen oder so? Ginge das? Kannst Du abschätzen, wieviel Prozent Energie man damit sparen könnte?

Servus,

überall, wo in der industriellen Produktion Gas für Prozesswärme gebraucht wird, sind die Prozesse bereits thermisch optimiert - oder die Produktion findet nicht mehr in D statt. Ausnahmen bestehen allenfalls noch dort, wo die Produkte wegen relativ niedrigem Wert / Masse nicht gut über Entfernungen transportiert werden können, konkret der Zementindustrie - d.h. das mit den zighunderttausend neuen Wohnungen jedes Jahr darf man ersma knicken: Es gibt halt noch kein Baumaterial, das billiger und schneller funktioniert als Beton (ja, und Ytong und Ziegelsteine, und die brauchen Prozesswärme…).

Zur Not lässt sich ein bissle was vielleicht mit noch nicht stillgelegter Produktion aus Frankreich ersetzen, wo wegen des gegen eine Schutzgebühr überall in großen Mengen erhältlichen Nuklearstroms die unsinnigsten Verfahren mit elektrischen Heizsystemen installiert worden sind. Dort ist aber die Deindustrialisierung schon so lange im Gang, dass man von den Industrieanlagen kaum etwas einfach „ausmotten“ kann, wenn es wieder gebraucht wird.

Wo überall Gas für Prozesswärme gebraucht wird, konnte man 2016 sehen, als die Gasversorgung der BASF Ludwigshafen nach einem Unfall für kurze Zeit in die Knie ging: U.a. gingen da plötzlich die Preise für ein paar Vitamine durch die Decke, für deren Herstellung Citrat fast bloß von der BASF (bezahlbar) geliefert wird: Dies bloß als Exempel dafür, dass Erdgas tatsächlich fast „überall“ drinsteckt.

Ein neuer, sehr bedeutender Gasverbraucher kommt jetzt noch dazu: Die Lieferungen von Stickstoffdünger (wird unter hohem Druck bei hohen Temperaturen aus Luft gewonnen, Gas lässt sich in den Aggregaten dafür nicht ersetzen), die bisher aus Russland kamen, müssen irgendwie ersetzt werden - in Deutschland gibt es noch ein einziges nicht stillgelegtes Werk für Kalkammonsalpeter, das ist das von YARA (gehört dem norwegischen Zukunftsfonds und arbeitet mit Gas aus Norwegen), das bereits jetzt an der Oberkante der Kapazität läuft; und ohne Kalkammonsalpeter braucht man gar nicht erst versuchen, wenigstens so viel Weizen, Mais und Raps wie bisher zu produzieren, geschweige denn mehr. Woher der KAS kommen soll, der in der Ukraine gebraucht wird, um die Weizenproduktion dort wenigstens notdürftig aufrecht zu erhalten, weiß glaube ich noch keiner so richtig - der nächste, der da lächelnd fragt „Was bekomme ich denn dafür - außer viel Geld?“, wird Xi Jinping sein…

Schöne Grüße

MM

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Man kann drosseln im Sinne der Reduzierung der nachgelagerten Produktionsschritte.
Die Wanne selbst zu drosseln ist nicht möglich. Das simpelst visualisierbare Problem: eine Gaswanne wird von oben mit Brennern befeuert, sinkt der Füllstand der Schmelze, sinkt auch die Temperatur und damit wird das Glas inhomogen…

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Vielen Dank :slight_smile: Sowas hatte ich tatsächlich befürchtet…

Es wird also Zeit, über das Frackingverbot in D nachzudenken. Dann könnten wir uns für drei Jahrzehnte selbst versorgen (ok, hilft in der gegenwärtigen Situation erstmal noch nicht).

Gruß T

Wenn ich das mal zusammenfassen darf: Ohne ausreichend Erdgas hat der Westen ein Problem, womit die Sanktionen eher uns selbst als Putin schaden.

Genau so hat es Russia RT berichtet…