Hallo Christian,
Das, was mich nennenswert bei dem Thema interessiert, ist die
Frage, wie es sein kann, daß sich so viele Leute so
bereitwillig manipulieren lassen. Dies insbesondere vor dem
Hintergrund, daß - wie erwähnt - die Quellen alle frei
verfügbar sind.
Das ist mir vor ein paar Wochen an einer völlig unwichtigen Stelle in extremer Form aufgefallen. Ich habe mir zu ersten mal eine Casting-Show angesehen: ‚Unser Star für Baku‘, eine Gemeischaftsproduktion von ARD und Pro 7.
Da hättest Du erleben können, wie eine eindeutige Parteinahme der Moderatoren ein Abstimmungsergebnis in Sekunden komplett auf den Kopf stellen kann. Die Moderatoren waren selbst erschrocken und haben sich danach nicht noch einmal so geäußert.
Das war nur ein Versehen, eine ungeschickte Äußerung, die am Endergebnis der gesamten Veranstaltung, die über Wochen lief, nichts geändert hat. Die Kehrtwende der ‚öffentlichen Meinung‘ in Sekunden war aber schon erschreckend. Ich habe mir danach vorgestellt, wie diese Leute auf eine bewusste Manipulation durch Medien wie ‚BILD‘ reagieren. Bei mir ist der Eindruck entstanden, daß die Mehrheit der Leute, die da abgestimmt haben, keine eigene Meinung hatte.
Allerdings ist die Gruppe der Leute, die da freiwillig eine 0137-Nummer anrufen um einen ‚Star‘ zu küren oder auch nur um an einem damit verbundenen Gewinnspiel teilzunehmen kein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung.
Ich weiß, daß Du kein Freund der direkten Demokratie bist und ich muss Dir zustimmen. Würde der Bundespräsident vom Volk gewählt, könnte man auch gleich Bild damit beauftragen, das Amt zu besetzen.
Stattdessen beschränkt man sich darauf, vorgekauten
Meinungsmist von irgendwelchen Spinnern bereitwillig
aufzunehmen, ohne daß man die Leute selbst oder gar ihre
Interessen/Absichten kennt. Es bleibt für mich ein Rätsel,
wieso man die eigene ureigenste menschliche Kernkompetenz -
nämlich die Wahrnehmung der Realität - so bereitwillig an ein
unpersönliches Netzwerk von Computern und die darin
herumtollenden und -trollenden zweifelhaften Subjekte abgibt.
Die anderen, das scheint die Mehrheit zu sein, plappert nach, was BILD in die Welt setzt und dann von den öffentlich rechtlichen Rundfunk und Fernsehsendern verbreitet und ‚den Privaten‘ aufgegriffen wird. Das ist auch nicht besser.
Was mich im Zusammenhang mit Gauck stutzig macht ist, daß bisher nicht dementiert wurde, daß er in der DDR Privilegien genossen hat, die der ‚Führungsrige‘ und hochrangigen StaSi-Offizieren vorbehalten waren.
Zufälle oder Ausnahmen gab es da nicht. Dabei und prilegiert oder nicht. Schwarz oder weiß. Es gab keine Gerauzone.
Ich musste zum Beispiel regelmäßig gegen Gestze verstoßen, um an ein paar brauchbare Rasierklingen von Gilette zu kommen. Legal waren für mich nur DDR-Produkte erreichbar und die waren einfach unbrauchbar. Solche Probleme im Alltag hatte Herr Gauck wohl nie. Ich hatte mir angewöhnt, im Zusammenhang mit der DDR nie ‚wir‘ zu sagen oder auch nur zu denken. Das wird Herr Gauck nicht von sich behaupten.
Jetzt kommt sicher wieder die ‚Neid‘ Debatte. Aber nein, da muss ich enttäuschen. Ich beneide Herrn Gauck nicht für die Privilegien. Nur die Stilisierung zu einem ‚Widerstandskämpfer‘ wirkt in diesem Licht nicht glaubhaft. Ich hatte mit der DDR nichts zu tun, musste da nur leben, weil ich nicht weg konnte. Herr Gauck aber schon. Der war durch sein eigenes Tun in einer anderen Situation als ich.
Was die Zitate angeht … Sarrazin hat keinen positiven Kommentar in irgendeiner Weise verdient. Aber da befindet sich Herr Gauck ja wohl in der Gesellschaft von gut 20% der Bundesbürger. Dabei tröstet mich, daß dann immerhin noch 80% andere übrig bleiben.
Hartz IV? Das ist selbst in der SPD immer noch umstritten. In dem Paket von Gesetzen finden sich durchaus auch positive Elemente, was Gauck da positiv fand, weiß man nicht. Wir werden es erfahren.
Meine Position: An der Wahl Gaucks zum Bundespräsidenten weden wir nichts ändern.
Ich mache mir mein Bild, wenn ich seine Antrittsrede höre.
Wenn ich seine ‚Freiheit‘ und sein Bekenntnis zur Eigenverantwortung so verstehe, wie das der FDP, nämlich zum alleinigen Vorteil des ‚Geldadels‘, fällt es negativ aus. Allerdings wird das Herrn Gauck auch wenig kratzen. Ich hoffe dann darauf, daß sich ‚die Wähler‘ irgendwann daran erinnern, welche Parteien dieses Monument des Wirtschftsliberalismus auf den Sockel gehoben haben.
Aber noch habe ich die Hoffnung auf ein deutliches Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft, was dann allerdings die Parteien überraschen wird, die ihn nominiert haben. Was er dabei denkt ist mir sogar egal.
Ich habe den Eindruck, daß SPD, Grüne, FDP, CDU, CSU sich einen wirtschftsliberalen Kandidaten gesucht haben. Es wäre schön, wenn sich das mal Jemand merkt, aber ich glaube nicht daran.
Gruß Rainer